Tiberius Rohstoff-Research: Marktkommentar August 2009

Bei US-Benzin zeigten die jüngsten Verbrauchsdaten einen signifikanten Anstieg, nachdem die diesjährige Driving Season weit unter dem Niveau des Vorjahres bisher sehr enttäuschend verlief. Mit knapp 9,5 mb/d wurde in den Sommermonaten erstmals der Wert der entsprechenden Vorjahrswoche marginal übertroffen. Bekanntlich macht eine Schwalbe noch keinen Sommer, dennoch glauben wir, dass sich der Verbrauch im Vergleich zu den Vorjahren allmählich stabilisiert. Die Lagerbestände sind in den letzten Wochen aufgrund einer erhöhten Produktion etwas langsamer gefallen als saisonal im Spätsommer üblich. Insofern ist vorerst genügend Puffer für eine wiederbelebte Nachfrage vorhanden.
Der wöchentliche Datenkranz für die US-Destillate zeigte zuletzt widersprüchliche Tendenzen. Bei den Diesellagerbeständen hat der für die Jahresszeit übliche Lagerrückgang noch nicht eingesetzt, wodurch die Überschusslagerbestände noch jede Woche neue Rekordwerte markieren. Ganz anders hingegen stellt sich die Situation bei Heizöl dar, wo die Lagerbestände den saisonal üblichen Anstieg nicht in vollem Maße mitgemacht haben. Allerdings besteht auch bei Heizöl im Vergleich zum Vorjahr genügend Puffer, um eine erhöhte Nachfrage bei einem frühen Wintereinbruch abzufangen. Insgesamt scheint sich auch bei den Destillaten die Nachfrage auf niedrigem Niveau allmählich zu stabilisieren.
Der 3:2:1 Crack Spread zwischen den Rohölprodukten US-Benzin bzw. US-Heizöl und Rohöl befindet sich mit 5 USD per Barrel am unteren Rand der langjährigen Bewertungsspanne. In den kommenden Monaten erwarten wir eine weitere Erholung der Nachfrage nach Rohölprodukten. Die Crack Spreads dürften in diesem Fall auf dem gegenwärtigen Niveau einen Boden ausbilden. Kurzfristig stufen wir die Rohölprodukte als neutral gegenüber Rohöl ein.

Erdgas
Der Erdgasmarkt weist im Gegensatz zum Ölmarkt kurzfristig immer noch ein Überangebot auf. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das US-Erdgasangebot nicht in dem Maße gekürzt wurde wie das Ölangebot, während gleichzeitig der zyklische Nachfrageeinbruch ebenso ausgeprägt war wie bei Rohöl. Die Folge war, dass der US-Lageraufbau in den Sommermonaten 2009 in höherem Maße stattgefunden hat als in den vorangegangenen Jahren. Zum Ende der Injection Season rechnen wir mit Lagervorräten von etwa 3.800 Mrd. Kubikfuss (bcf), was einem Rekordwert innerhalb der letzten 15 Jahre entspräche. Im Markt kursieren jedoch noch weit höhere Schätzungen von bis zu 4.000 bcf. Die Lagerkapazitäten dürften bei einem derartigen Niveau vollständig ausgeschöpft sein.
In den letzten Wochen wurde vermehrt darauf spekuliert, dass aufgrund erschöpfter Lagerkapazitäten Erdgas an den Kassamärkten unabhängig vom Preisniveau ab verkauft werden müsse. In der Tat kollabierten die physischen Kassapreise in den letzten Wochen. Der Kassapreis am Erfüllungsort Henry Hub des US-Erdgaskontrakts fiel im August von über 4 USD je mmBTu zwischenzeitlich unter 2 USD. Der Nearby-Future wurde hingegen zumeist noch mit einem Aufschlag gegenüber dem Kassapreis gehandelt.

Die Konvergenz des Nearby-Futures zur Kasse und die damit verbundenen Roll-Verluste, die sich pro Monat auf rund 20% belaufen, sorgten kurzfristig für ein extrem hohes Short-Interesse von Seiten der Hedge-Fonds. Die spekulativen Marktteilnehmer sind gemäß den Daten der CFTC in dem physisch gesettelten Nymex-Kontrakt und dem cash gesettelten Henry Hub Swap rund 50.000 Kontrakte short, was etwa 500 bcf entspricht. Das ist ziemlich genau der aktuelle Wert der Überschusslagerbestände. Mit anderen Worten, müsste diese Short-Position plötzlich eingedeckt werden, wäre das gesamte Überangebot am US-Erdgasmarkt auf einen Schlag verschwunden.
Die Chance, dass dies in den nächsten Monaten der Fall sein wird schätzen wir als ziemlich hoch ein. Aufgrund überlasteter Pipelinekapazitäten und des stark gefallenen Preisniveaus wird in den nächsten Wochen eine Angebotsreaktion erzwungen werden. Die Kassapreise dürften in diesem Zeitraum ihr Tief markieren. Auf der anderen Seite dürfte die Nachfrage im Rahmen des allgemeinen Konjunkturaufschwungs allmählich anziehen. Gleichzeitig ist Erdgas in Relation zu alternativen Energieträgern (Rohölprodukte, Kohle) so attraktiv bewertet, dass diese durch Erdgas substituiert werden können. Das Preisratio (USD je mmBtU) zwischen Rohöl und Erdgas ist in den letzten Wochen auf über 4 explodiert und befindet sich damit weit oberhalb der historischen Trading Range zwischen 0,5 und 2,5. Unterstellt man, dass Rohöl sein gegenwärtiges Niveau von knapp 70 USD oder 12,5 USD je mmBtU halten kann, so würde eine Rückkehr in die Trading Range Linie bei einem Wert von 2,5 einen Kassamarktpreis von Erdgas von 5 USD je mmBtU implizieren. Da der Dezember-Future momentan bei 4,75 USD notiert, ist das Gewinnpotenzial eines Outright Long Trades momentan noch begrenzt.

Kurzfristig stufen wir den Erdgasmarkt deswegen als neutral ein, weil sich negative Roll-Renditen und ein mögliches Short-Covering in etwa die Waage halten. Im Moment nehmen wir von einem Trade Long Erdgas / Short Heizöl noch Abstand. Wir sind jedoch überzeugt, dass der Erdgasmarkt zu Beginn des Winters eine attraktive Long-Position darstellt, da neben der günstigen Angebots- und Nachfragedynamik auch das Rebalancing der großen Rohstoffindices, die Anfang Januar 2010 große Kaufpositionen einnehmen werden, für zusätzliche Nachfrage sorgen wird.