Tiberius Rohstoff-Research: Marktkommentar August 2009

Energie - Rohöl
Der globale Rohölmarkt dürfte sich im dritten Quartal 2009 nach den Marktüberschüssen in den vorangegangenen Quartalen erstmals wieder im Defizit befinden. Damit dürfte der Lageraufbau, der sich üblicherweise im dritten Quartal aus der saisonal geringeren Nachfrage nach Rohölprodukten in den Sommermonaten ergibt, diesmal ausbleiben. Wir rechnen mit einem globalen Lagerrückgang von ca. 0,5 Millionen Barrel pro Tag (mb/d). Dabei ist unterstellt, dass die globale Nachfrage nach Rohöl und Rohölprodukten im dritten Quartal angesichts des positiven Verlaufs der Frühindikationen um mehr als 1 mb/d auf über 84 mb/d anziehen wird. Wir sind der Überzeugung, dass die Internationale Energie Agentur (IEA) und die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) ihre Nachfrageschätzungen für das dritte Quartal in den kommenden Wochen nach oben korrigieren müssen.
Für eine Ausweitung des Angebots als Reaktion auf das makroökonomisch freundlichere Umfeld gibt es nach wie vor wenig Anzeichen. Die OPEC ließ ihre Förderquote in Höhe von 24,85 mb/d (ohne Irak) auf ihrer Sitzung am 10. September 2009 in Wien unverändert. Die tatsächliche Ölförderung dürfte ohne den Irak aktuell bei etwas über 26 mb/d liegen, wobei insbesondere die in der Öffentlichkeit vielfach als Preisfalken auftretenden Mitgliedsländer Iran, Venezuela und Angola deutlich über ihrer Quote produzieren. Bei weiteren Kursgewinnen im Ölpreis rechnen wir mit einer weiter bröckelnden Förderdisziplin und einem Mehrangebot der OPEC in Höhe von 0,5 mb/d, was jedoch den Nachfrageanstieg im dritten und vierten Quartal nicht ausgleichen kann.
In den wöchentlichen Lagerbestandsdaten der Energy Information Adminstration (EIA) für die USA zeigen sich erste Anzeichen für einen Rückgang der Überschusslagerbestände bei Rohöl und Rohölprodukten. So sind die Überschusslagerbestände in Relation zu ihrem saisonalen Fünf-Jahresschnitt von 100 mb Ende Juli 2009 auf aktuell rund 80 mb gefallen. Wir rechnen in den kommenden Monaten mit einer weiteren Straffung der Überschusslagerbestände, wobei der Schwerpunkt des Rückgangs sich auf Rohöl konzentrieren dürfte.

Im Kontext fallender Lagerüberschüsse dürften auch die Lagerbestände in Cushing, dem physischen Erfüllungsort der Terminkontrakte für Rohöl der Marke West Texas Intermediate (WTI), deutlich zurückgehen. In den letzten Jahren war eine derartige Dynamik mit einer Terminkurvendrehung von Contango auf Backwardation verbunden. Exemplarisch für eine derartige Drehung ist der Sommer 2007 als die Terminpreise am vorderen Ende stark anstiegen, während die lang laufenden Kontrakte Kursverluste zu verzeichnen hatten. Wir glauben, dass sich sehr viele Marktteilnehmer in den länger laufenden Ölkontrakten (Jahre 2012ff) positioniert haben, um die derzeit noch relativ hohen Roll-Verluste am vorderen Ende zu umgehen.
Die vorderen Kontrakte sind jedoch in den gängigen Rohstoffindices vertreten. Sollte die von uns vermutete Terminkurvendrehung einsetzen, dürften viele Marktteilnehmer feststellen, dass sie in den vorderen Kontrakten unterinvestiert sind. Die Eindeckungsbewegung könnte ähnlich wie im Juli 2007 sehr schnell ablaufen. Bereits Anfang September deutete sich eine derartige Marktbewegung an. Der Einjahres Convenience Yield von Rohöl, der die prozentuale Differenz des Nearby-Kontraktes zu dem Kontrakt mit einjähriger Restlaufzeit plus Collateral Yield widerspiegelt, ist in den letzten Wochen bereits kontinuierlich angestiegen und sollte noch in diesem Jahr wieder die Nulllinie erreichen. Wir können uns vorstellen, dass die Kassapreise in den nächsten Wochen die Marke von 80 USD je Barrel erreichen, während der Einjahreskontrakt bei ca. 78 USD verharrt.
