Industriemetalle: Selektive Wahrnehmung

Die oben erwähnten Nachrichten haben die spekulativen Finanzanleger genutzt und sind auf den fahrenden Zug aufgesprungen. Dadurch haben sie den Preisanstieg der Metalle verstärkt. So haben die sog. Money Manager an der LME seit Mitte Mai ihre Netto-Long-Positionen vor allem bei Kupfer, Nickel, Zink und Blei massiv ausgeweitet. Seitdem ist der LME-Industriemetallindex um 20% gestiegen, während er vom Jahresbeginn bis dahin nur ein Plus von 2% aufgewiesen hatte (Grafik 6).
Nimmt man die sog. Broker Dealer/Index Trader, die von der LME ebenfalls als spekulative Finanzinvestoren angesehen werden, mit in die Betrachtung hinein, zeigt sich, dass die Netto-Long-Positionen bei den vier hier genannten Metallen derzeit überdurchschnittlich hoch sind. Die Abweichung zum Durchschnitt seit Beginn der Datenreihe vor gut drei Jahren beträgt im Falle von Kupfer 78%. Bei Nickel sind es sogar 93%, bei Zink und Blei 24% bzw. 38%. Absolut betrachtet liegen die Netto-Long-Positionen bei Kupfer derzeit nur knapp unter dem Rekordhoch vom Dezember 2016.
An der Comex in New York eilen die Netto-Long-Positionen bei Kupfer schon seit fünf Wochen von Rekord zu Rekord. Von der SHFE in Shanghai gibt es keine Daten zur Positionierung der spekulativen Finanzanleger. Die spekulativen Finanzinvestoren agieren oftmals sehr prozyklisch und sind nahe den Preishochs zu optimistisch positioniert. In der Vergangenheit hat sich aus einer solch extremen Positionierung oftmals eine Gegenbewegung der Preise ergeben.
Sollten die spekulativen Finanzanleger auch diesmal Gewinne mitnehmen, dürfte es eine deutliche Korrektur der Preise geben. Besorgt über den Einfluss der Spekulanten zeigen sich insbesondere die chinesischen Behörden. Der Börsenbetreiber der SHFE hat sowohl bei Stahl als auch bei Zink Restriktionen im Futures-Handel (Positionsobergrenzen, höhere Transaktionsgebühren für Day-Trader) eingeführt, um die Spekulation einzudämmen.
Mittlerweile mehren sich auch die Stimmen, die die Preise für spekulativ übertrieben halten. So hatte der Verband der chinesischen Eisen- und Stahlhersteller davor gewarnt, dass der starke Anstieg der Stahlpreise nichts mit der fundamentalen Lage zu tun hätte. Und Codelco, der weltweit größte Kupferminenproduzent aus Chile, sieht den Kupferpreis übertrieben hoch und die Preiszuwächse der letzten Monate nicht nachhaltig.

Neben dem spekulativen Element haben auch technisch bedingte Käufe den Preisanstieg der Metalle getragen. Seit Ende Juni haben alle Metalle die charttechnisch wichtige 100-Tage-Linie überschritten. Nickel, Zink, Blei und Zinn gelang daneben auch der Sprung über die 200-Tage-Linie. Darüber hinaus haben die meisten Metalle auch psychologisch wichtige Marken überschritten (Kupfer 6.000 USD, Aluminium 2.000 USD, Nickel 10.000 USD, Zink 3.000 USD), was weitere Käufer angelockt hat (Grafik 7).
Es gibt unseres Erachtens zwar durchaus Nachrichten, die höhere Preise rechtfertigen, der Preisanstieg der letzten Monate scheint uns aber übertrieben. Die Preise haben sich unseres Erachtens von den Fundamentaldaten abgekoppelt. Solange die Metalle allerdings ein Spielball der spekulativen Finanzanleger sind, kann sich der Preisanstieg kurzfristig auch noch fortsetzen. Damit steigt aber auch Woche für Woche das Korrekturpotenzial. Wir erwarten einen deutlichen Rückgang der Metallpreise in den nächsten Monaten.
Auf einen Blick








