Emissionshandel kommt nicht vom Fleck
Im Emissionshandel wurde das Votum im EU-Umweltrat zu den Strukturreformen der vierten Handelsperiode mit einem Preissprung quittiert, der aber schnell verpuffte. Mit der angestrebten Löschung von Zertifikaten und der Verdoppelung der Überführungsrate in die Marktstabilitätsreserve hat der Rat zwar tatsächlich den Vorstoß zu einer langfristigen Verknappung gemacht, aber gleichzeitig ist der Markt derzeit durch hohe Auktionsvolumina überversorgt. Das dürften die wohl im letzten Jahr stark gefallenen verifizierten Emissionen unterstreichen, die Anfang April veröffentlicht werden. Alles in allem wird der Emissionshandel wohl die Talsohle durchschritten haben, die Preiserholung dürfte aber nur allmählich Fahrt aufnehmen.
Der Preis im EU Emissionshandel kommt nicht wirklich vom Fleck: Seit nunmehr einem Jahr schwankt der Preis für das Recht zur Emission einer Tonne CO2 überwiegend um 5 Euro. Sämtliche Erholungsversuche sind gescheitert (Grafik 1).
Auch zuletzt konnte er nur kurz von den weiteren Fortschritten bei den Strukturreformen für die vierte Handelsperiode profitieren: dem Votum des EU Umweltrats Ende Februar folgte zwar ein Preissprung um über 10%, doch die Gewinne wurden schnell wieder abgegeben. Zweifellos sind die Reformen nicht in trockenen Tüchern und nun beginnt erst der Trilog zwischen EUParlament, Rat und Komission.
Aber dennoch stellt sich die Frage, ob die nun angestrebten Reformen für die vierte Handelsperiode tatsächlich so zahnlos sind, wie es das schnelle Verpuffen des Preiseffektes nahe legt. Wir schauen genauer hin und erklären, warum der Preis trotz eines sich unseres Erachtens langfristg verknappenden Marktes derzeit auf der Stelle tritt.
Das erste Schlüsselelement der Strukurreformen ist die Reduzierung der jährlichen Obergrenze ausgegebener Zertifikate um 2,2% p.a. (Linearer Reduktionsfaktor (LRF)). Damit sinkt die Obergrenze zwar schneller als bislang (1,74% p.a. in der dritten Handelsperiode), aber weniger als zwischenzeitlich angestrebt (2,4% p.a., wobei diese Rate noch immer für die Jahre nach 2024 im Raum steht).
Immerhin um gut 550 Mio. Tonnen, was in etwa dem jährlichen Treibhausgasausstoß Großbritanniens entspricht, wird die Emissionsgrenze im Laufe der vierten Handelsperiode sinken. Damit bleibt die Rate jedoch hinter dem tatsächlichen Rückgang der verifizierten Emissionen im EU ETS der letzten Jahre zurück. Diese sind nämlich laut einer gemeinsamen Studie der Research-Gruppen Sandbag / Agora (inklusive einer Schätzung für 2016) in den letzten vier Jahren im Durchschnitt um 3% gesunken (Grafik 2).
Vor allem die Emissionen im Energiesektor sind stark gefallen. Der Rückgang hier war mit durchschnittlich 4,5% p.a. deutlich höher als der in der Industrie (-0,7% p.a.).

Maßgeblich für den Rückgang der Emissionen ist die Verdrängung der kohlebasierten Stromproduktion. Seit Beginn der zweiten Handelsperiode im Jahr 2008 ist der Emissionsausstoß der Kohlekraftwerke um 25% gesunken. Ein kleiner Teil der Erklärung liegt in der insgesamt rückläufigen Stromproduktion.
Entscheidender ist aber der bereits seit langem zu beobachtende Bedeutungsverlust des Kohlestroms: 1990 wurden noch knapp 40% des europäischen Stroms in Kohlekraftwerken produziert; heute sind es noch rund 25%. Allerdings hatte sich der rückläufige Trend zwischenzeitlich etwas verlangsamt, und das, obwohl zeitgleich der Ausbau der erneuerbaren Energien schneller vorangekommen ist (Grafik 3).
Kurzfristig bestimmen nämlich auch die relativen Preisentwicklungen die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke: Kohle hatte sich in Euro vom Frühsommer 2011 bis zum Frühjahr 2015 in Euro um 60% verbilligt, was den Einsatz von Kohle in der Stromindustrie attraktiver gemacht und damit den strukturellen Trend gebremst hat.
Im letzten Jahr drehte der Wind dann aber wieder: Der Kohlepreis hatte sich zwischenzeitlich fast verdoppelt, was im letzten Jahr entsprechend zu einem starken Rückgang von Steinkohlestrom um 17% gegenüber Vorjahr geführt hat; profitieren konnte die gasbasierte Stromerzeugung, die den Schätzungen zufolge um 20% zulegte. Die Stromproduktion aus eneuerbaren Energien ist dagegen nur geringfügig um knapp 2% gegenüber Vorjahr gestiegen.
Mit einem Produktionsanstieg um nur 11 Terawattstunden blieb der Zuwachs deutlich hinter dem Vorjahr zurück (+72 Twh). Das schwache Plus erklärt sich aber nicht mit einem mangelnden Zubau an installierten Kapazitäten, sondern ist primär witterungsbedingt: 2016 hatte vergleichsweise wenig Sonnenstunden und wenig Wind.
Mit dem starken Rückgang der Emissionen ist der strukturelle Überschuss weiter gestiegen: Sandbag/Agora schätzen in ihrer Studie, dass die tatsächlich erfassten Emissionen im EU ETS 2016 11% unter der Obergrenze lagen (Grafik 4). Einschließlich "Backloading" und nicht platzierter Zertifikate würde sich der (strukturelle) Überschuss mittlerweile auf über 3 Mrd. Tonnen CO2 aufsummieren. Auch wenn der dem Markt tatsächlich zur Verfügung stehende Überschuss mit knapp 1,7 Mrd. Zertifikaten deutlich geringer ist, zeigt vor allem der massive strukturelle Überhang, wie groß der Handlungsbedarf bei der langfristigen Obergrenze ist.




