Tiberius Rohstoff-Research: Marktkommentar Mai 2009

Auch die Agrarrohstoffe erhielten vor dem Hintergrund steigender Inflationserwartungen im vergangenen Monat Kapitalzuflüsse. So erreichten die Netto-Long Positionen spekulativer Marktteilnehmer (Non Commercials und Non Reportables) im Getreidebereich per 26. Mai Werte, die zuletzt in der Nähe der Kurshochs im vergangenen Jahr erzielt werden konnten. Die Positionierung befindet sich bei Chicago Weizen auf dem höchsten Niveau seit April 2008, bei Mais seit September 2008 und bei Sojabohnen seit Februar 2008.
Bei Sojabohnen konnte die Netto Long Positionierung kontinuierlich seit Anfang März 2009 gesteigert werden. Bei den Soft Commodities erzielten im vergangenen Monat Kaffee und Baumwolle das höchste Niveau seit Juli 2008 und Zucker seit März 2008. Da unserer Ansicht nach die Rohstoffnotierungen bislang zu früh zu weit gelaufen sind, birgt das erneute Erreichen derart hoher spekulativer Netto Long Positionen ein hohes Rückschlagspotenzial.

Hinsichtlich des Fortschritts bei der Ausbringung der diesjährigen Mais- und Sojabohnenernten in den USA besteht weiterhin ein zweigeteiltes Bild. Während die Hauptanbaustaaten westlich des Mississippi optimale Bedingungen vorfanden, lagen die Gebiete östlich davon aufgrund ungünstiger Wetterbedingungen während der ersten beiden Monatsdrittel immer noch deutlich hinter dem 5-Jahres-Durchschnitt zurück. Der Rückstand konnte Ende des Monats jedoch reduziert werden, indem nachlassende Regenfälle zur Feldarbeit genutzt wurden.
Der Bericht des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) zur monatlichen Einschätzung der globalen Angebots- und Nachfragesituation (WASDE) wies im Mai für das aktuelle US-Marketingjahr bei Sojabohnen nochmals niedrigere Lagerbestände im Verhältnis zum Einjahresverbrauch (Stocks-to-Use-Ratio) auf. Der Wert ist in der Einschätzung des USDA inzwischen auf 4,3% gefallen, was vor allem auf eine weitere Erhöhung der Exporte zurückzuführen ist. Erstmals wurden in diesem Bericht die Erwartungen hinsichtlich des nächsten Marketingjahrs 2009/10 veröffentlicht. Bei Sojabohnen steigt gemäß der Einschätzung des USDA die amerikanische Stocks-to-Use Ratio auf 7,4%. Dieser Wert könnte sich noch erhöhen, sofern aufgrund des in manchen Teilen der USA verspäteten Flächenanbaus Einheiten von Mais zu Sojabohnen verlagert werden sollten. Aufschluss darüber wird Ende Juni die nächste Veröffentlichung der Befragung der US-Bauern durch das USDA über deren Pflanzentscheidung geben.
Bei Mais wurden die Lagerbestände am Ende des neuen US-Marketingjahrs auf 1.145 Mio. Bushel eingeschätzt und liegen somit leicht über der psychologisch wichtigen Marke in Höhe von 1.000 Mio. Bushel. Der Bericht enthielt bereits eine Reduzierung des erwarteten Ertrags um 1,5 Bushel je Acre im Vergleich zur Februar-Schätzung. Weitere Reduktionen könnten notwendig werden, falls der späte Ausbringungszeitpunkt zu Ernteeinbußen führen sollte.
Bei Baumwolle führte eine höhere Anbaufläche gepaart mit einem geringeren Ertrag je Flächeneinheit und eine Reduktion der Nachfrageerwartung auf US-Ebene zu einem 0,62% höheren Stocks-to-Use Ratio im Vergleich zur ersten Schätzung Ende Februar. Bei Weizen wurde der Ertrag je Flächeneinheit und das Verhältnis von geernteter zu bepflanzter Fläche aufgrund unvorteilhafter Entwicklungsbedingungen in den USA reduziert.
Kaffee erzielte innerhalb der Soft Commodities im vergangenen Monat das beste Ergebnis. Die knappe Versorgungslage in den Produzentennationen, vor allem bei hochwertigen kolumbianischen Arabicabohnen, machte sich nun auch bei dem an der Intercontinental Exchange (ICE) gehandelten Kaffee-Futures bemerkbar. Aufgrund eines Einbruchs der kolumbianischen Produktion war der Spread zwischen Cash Preisen von kolumbianischen Bohnen gegenüber dem Futurespreis bereits seit Monaten dramatisch angestiegen. Befürchtungen, dass eine erste Frostwelle die Kaffeebäume in Brasilien schädigen könnte, bewirkten weitere Preissteigerungen.
Obwohl in den nächsten Wochen aufgrund der Frostgefahr weiterhin kurzfristige Wetterrisikoprämien die Preisbildung beeinflussen dürften, zeichnen sich allerdings auch negative Einflussfaktoren ab. Die Prämie kolumbianischer Cash Preise fiel erstmals deutlich zurück, was als Indiz gewertet werden kann, dass sich die knappe Versorgungslage allmählich entspannt, da sich die Käufer nun anderweitig Ersatz beschaffen. Preisdruck entsteht auch durch die brasilianische Ernte, die bereits begonnen hat.
Der Importbedarf Indiens und das für das aktuelle und folgende Marketingjahr prognostizierte globale Marktdefizit hatten auch im vergangenen Monat eine unterstützende Wirkung auf die Zuckerpreise. Wie bereits im letzten Marktkommentar ausgeführt wurde, erwarten wir aufgrund der Preissteigerungen eine globale Angebotsreaktion sowie eine höhere Zuckererzeugung zu Lasten von Ethanol in Brasilien. Zucker hat unserer Ansicht nach nur ein eng begrenztes Kurspotenzial, da die positiven Fundamentaldaten inzwischen eingepreist sein sollten. Dafür spricht, dass der an der ICE gehandelte Zuckerkontrakt im Mai seine fulminante Aufwärtsbewegung nicht fortsetzten konnte, sondern mehrmals daran scheiterte, den Widerstand bei 16 US-Cents je Pfund zu durchbrechen.
© Tiberius Rohstoff-Research
Stuttgart, den 08.06.2009