Tiberius Rohstoff-Research: Marktkommentar Mai 2009

Die 10-Cent-Rallye des Euro gegenüber dem US-Dollar ebnete den Weg für einen starken Anstieg der Edelmetalle im Mai. Der Greenback hatte gleich mehrere negative Nachrichten zu verdauen. Die Chrysler-Insolvenz war de facto eine Enteignung der rechtmäßigen Gläubiger, für die es keine Rechtsgrundlage gab. Die Obama-Administration gab sich dem Eindruck hin, dass willkürlich den Gewerkschaften Anteile zugeschanzt wurden, während die Hedge-Fonds, die auf eine marktwirtschaftlich orientierte Abwicklung gesetzt hatten, desavouiert wurden. Mittelfristig dürfte Kapital hin zu den anderen Dollar-Währungen (AUD, CAD) abwandern.
Die Bereitschaft, der Hedge-Fonds, der Regierung in späteren Fällen auszuhelfen (z.B. im Rahmen von TARP) hat spürbar gelitten. Der zweite Nackenschlag für den US-Dollar war die Androhung der Rating-Agenturen, dass bei Fortsetzung der aktuellen Staatsdefizite mittelfristig eine Herabstufung des Ratings von US-Staatsanleihen droht. Dies könnte langfristig dazu führen, dass ausländische Gläubiger eine zunehmende Risikoprämie für US-Anleihen einfordern. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass angesichts der aktuellen Gemengelage eine weitere, kontrollierte Dollar-Abwertung im Interesse aller Parteien liegt. Wir sehen den Greenback zum Jahresende über 1,5 USD je Euro. Gold dürfte in einem derartigen Umfeld mittelfristig die Tausend-Dollar-Marke überspringen. Kurzfristig scheint das Boot der Dollar-Bären etwas überladen. Ein Rücksetzer auf 1,35 USD je Euro ist nicht unwahrscheinlich.
Der Gold-Rallye scheint kurzfristig etwas die Luft auszugehen. Die physische Nachfrage aus Indien ist weiterhin schwach, die Zuflüsse in Gold-ETFs bleiben verhalten und die spekulative Netto-Position an der Comex ist mit über 185.000 Kontrakten bereits wieder nahe des Allzeithochs. Der Goldpreis in Euro pendelt um die 680 Euro/Unze und wich seit etwa Mitte April nie mehr als +/-3% von dieser Marke ab.
Silber entwickelte sich in dieser Zeit deutlich dynamischer und erreichte im Ratio zu Gold den im letzten Marktkommentar genannten Zielbereich von 62-64 (Unzen Silber je Unze Gold). Von hier aus sehen wir nur noch wenig Potential für Silber den “großen Bruder“ Gold zu übertrumpfen. Zwar ist Silber der engere Markt, der von Investorengeldern stärker beeinflusst werden kann, jedoch dürfen die Fundamentaldaten von Silber aufgrund seiner industrienahen Anwendungen nicht außer Acht gelassen werden. Für 2009 erwarten wir einen deutlichen Marktüberschuss, so dass bei einem Abflauen der Investorenzuflüsse eine deutliche Korrektur bevorstehen könnte. Das Gold / Silber - Ratio sollte im Zuge dieser zunächst wieder auf ein Niveau von 68-69 ansteigen.
Durch die expansive Politik der amerikanischen Notenbank und die Hoffnung auf eine Konjunkturerholung sind die Inflationserwartungen (gemessen als Differenz der nominalen Rendite herkömmlicher Staatsanleihen und der realen Rendite inflationsgesicherter Anleihen) in den letzten Wochen wieder deutlich angestiegen. Von einigen Marktteilnehmern wird auch wieder eine kommende Hyperinflation propagiert. Wir sehen die Inflationsbefürchtungen kurzfristig als überzogen an. Bevor die offiziell ausgewiesenen Inflationsraten wieder nach oben drehen, muss die globale Konjunktur nachhaltig Fuß gefasst haben. Ein Anstieg der Inflationsraten und Leitzinserhöhungen sind in den nächsten 1-2 Jahren nicht wahrscheinlich.
Etwas anderes ist die Inflation der Asset-Preise, die durch die expansive Geldpolitik ausgelöst wird. Wir sind der Meinung, dass das in den letzten Monaten von den Notenbanken geschaffene Geld seinen Weg in den Vermögenskreislauf finden wird. Innerhalb der Anlageklasse Rohstoffe ist Gold relativ zu den Energie- und Agrarrohstoffen aber immer noch teuer, obwohl diese zuletzt etwas aufholen konnten. Von dieser Seite machen Goldkäufe langfristig Sinn, kurzfristig würden wir aber andere Rohstoffe bevorzugen. Alles in allem nehmen wir in Gold derzeit eine neutrale (relativ und absolut) Position ein.

Platin und Palladium dagegen wirkten im Mai gehemmt. Wie ein Damokles-Schwert hing die drohende Insolvenz von General Motors (GM) über den beiden Metallen. Die Marktteilnehmer waren in Sorge darüber, ob GM Verpflichtungen in diversen OTC-Terminkontrakten nicht nachkommen könnte und die Gegenparteien daher Long-Positionen veräußern müssten. Es stellte sich jedoch heraus, dass zumindest der überwiegende Teil der Transaktionen bereits abgesichert war. Seither konnten beide Metalle um etwa 10% zulegen. Wir gehen davon aus, dass mit der "Abwicklung" der amerikanischen Automobilindustrie nun wieder die Fundamentaldaten eine größere Rolle spielen sollten. Für beide Metalle erwarten wir 2009 einen etwa ausgeglichenen Markt, mit einer leichten Präferenz für Palladium.