Tiberius Rohstoff-Research: Marktkommentar Mai 2009
10.06.2009 | Redaktion
Performancerückblick: Fulminantes Lebenszeichen
Der Mai 2009 war einer der besten Rohstoffmonate der letzten Jahrzehnte. Der bis Januar 1991 zurückgerechnete Dow Jones UBS Commodity Index (DJUBS, früher DJAIG) berichtete mit einem Plus von 12,1% den besten Rohstoffmonat seit Auflegung. Der S&P Goldman Sachs Commodity Index (SPGSCI) verzeichnete mit +19,7% den viertbesten Monat seit Beginn der Rückrechnung im Januar des Jahres 1970. Eine bessere Performance erzielte der SPGSCI nur während des ersten Ölschocks in den siebziger Jahren und im Umfeld des ersten Golfkriegs zwischen den USA und dem Irak im Jahre 1990.
Alle bedeutenden Rohstoffindices scheinen nach dem dramatischen Kurssturz des Jahres 2008 eine Bodenbildung abgeschlossen zu haben. Ganz vorne liegt seit Beginn des Jahres 2005 der Deutsche Bank Liquid Commodity Index (DBLCI). In diesem Index sind jedoch nur sechs Rohstoffe (Rohöl, Heizöl, Aluminium, Gold, Weizen, Mais) in subjektiven Gewichten vertreten. Wesentlich breiter angelegt sind der Rogers International Commodity Index (RICI) und der von Reuters/Jeffries berechnete CRB-Index, die auf den Plätzen zwei und drei folgen. Leicht zurück liegt der DJUBS, in dem die an der London Metal Exchange (LME) gehandelten Basismetalle, die 2007 und 2008 noch mehr als der Gesamtindex abstürzten, verhältnismäßig stark vertreten sind. Würde der Betrachtungs-zeitraum bis zu Beginn des Jahres 2003 ausgedehnt, läge der DJUBS mit dem RICI und dem CRB-Index gleichauf.
Relativ deutlich hinter den anderen Indices zurückgeblieben ist der SPGSCI, bei dem die Energiekontrakte ein Gewicht von rund drei Vierteln einnehmen. In den letzten Monaten fielen dort stark negative Roll-Renditen an. Erst im Mai gaben auch die Energiekontrakte ein fulminantes Lebenszeichen. Bis dahin hatten in diesem Jahr die Soft Commodities Zucker (+24,2%) und Kaffee (+17,8%) dominiert. Auch einzelne Metalle (Kupfer +49,3%, Silber +33,6%) fanden sich auf den ersten Plätzen. Auf der anderen Seite stellte dieser Sektor mit Aluminium (-12,1%) auch einen der schlechtesten Performer.
Extrem inhomogen war in den ersten fünf Monaten dieses Jahres die Performance innerhalb des Energiesektors. Sehr positiv (+53,5%) entwickelte sich Benzin, das im Jahr 2008 sehr stark gegenüber Rohöl und Heizöl abgefallen war. Dadurch war der Crack Spread der Sommerkontrakte zwischen US-Benzin und US-Rohöl zwischenzeitlich auf 2 USD je Barrel gefallen. Durch den Preisanstieg bei Benzin hat er sich wieder auf die saisonal üblichen 12-15 USD je Barrel erholt. Auf der negativen Seite im Energiebereich ist traditionell Erdgas zu finden. Seit Beginn der Rückrechnung im Januar 1991 liefert dieser Kontrakt konsistent negative Roll-Renditen von durchschnittlich rund -20% per annum, die die Gewinne am Kassamarkt von knapp +10% mehr als aufzehren. Im Mai wurde Erdgas von der positiven Performance der anderen Energierohstoffe (insbesondere Kohle) kurzfristig nach oben gezogen und schloss mit einem Plus von 11,7%.
Performance der aktiven Rohstoff-Fonds
Der Mai war sowohl aus absoluter als auch aus relativer Sicht ein erfolgreicher Monat für unsere aktiv verwalteten Rohstofffonds. Die long only Fonds erzielten zweistellige prozentuale Renditen. Die beste absolute Performance verzeichnete der Tiberius Active Commodity OP (+15,0%), der jedoch marginal (-0,3%) hinter seiner Benchmark RICI zurückblieb. Die beiden anderen long only Fonds Commodity Alpha OP (+13,1% in USD) und Tiberius Commodity Alpha Euro OP (+12,6% in Euro) konnten ihre Vergleichsindices DJUBS Total Return bzw. DJUBS Excess Return plus 3-Monats-Euribor um 1,1% bzw. 0,5% hinter sich lassen. Die Performance des USD-Fonds fiel deswegen besser aus, da aufgrund des schwachen US-Dollars Währungskursgewinne auf den Nicht-USD-Bestand anfielen, während der in Euro geführte Fonds auf der Variation Margin Währungsverluste hinnehmen musste.
Seit Beginn des Jahres 2009 liegen die long only Fonds deutlich über ihren Benchmarks. Die Rangliste führt der Commodity Alpha OP mit einem relativen Plus von 7,7% an, gefolgt vom Tiberius Commodity Alpha Euro OP (+6,0%) und Tiberius Active Commodity OP (+3,7%). Für die Beurteilung der individuellen Managerleistung sind die Modellportfolien maßgeblich. Die Modellportfolien DJUBS und RICI enthalten diejenigen Positionen, die sich bei einer rein mechanischen Umsetzung der Tiberius-Modellergebnisse ergeben hätten. Auch hier liegen alle Fonds zwischen 5% (Commodity Alpha OP) und 2,9% (Tiberius Active Commodity OP) besser als das reine Modellportfolio.
Der überwiegende Teil der Outperformance beruhte also in den ersten 5 Monaten 2009 auf den diskretionär-taktischen Entscheidungen der einzelnen Manager. Insbesondere die von den Modellen vorgeschlagene starke Untergewichtung der Energiekontrakte wurde aufgrund eines fundamental begründeten Modell-Overruling nicht vollumfänglich umgesetzt.
Alle long only Fonds konnten bei den Basismetallen Überrenditen gegenüber ihren Vergleichsindices generieren. Aluminium und Kupfer wurden jeweils stark untergewichtet, wodurch bei Aluminium eine Outperformance von knapp 0,6% und bei Kupfer von gut 0,2% realisiert wurde. Relativ heterogen war die relative Performance im Energiesektor. Die beiden Commodity Alpha Fonds hatten Benzin auf Kosten von Heizöl übergewichtet. Dadurch ergab sich bei Benzin eine Über- und bei Heizöl eine Minderrendite, die sich weitgehend neutralisierten.
Der Tiberius Active Commodity OP war in beiden Kontrakten leicht untergewichtet, woraus bei beiden Kontrakten eine kleine Underperformance resultierte. Größere negative relative Performancebeiträge ergaben sich bei Baumwolle, das in allen long only Fonds mehr (Tiberius Active Commodity OP) oder weniger (Commodity Alpha OP) stark übergewichtet war. Die negative Performance bei Baumwolle ist jedoch vor dem Hintergrund eines sehr starken Vormonats zu sehen. Nimmt man den April und Mai zusammen, so konnten alle long only Fonds Überrenditen bei Baumwolle generieren.
Der long short Fonds Tiberius Absolute Return Commodity OP erreichte mit +2,6% im Mai ebenfalls ein überdurchschnittliches Ergebnis. Seit Beginn des Jahres wurde eine Rendite von +6,3% bei einer Volatilität von 5,7% erzielt. Damit hat auch dieser Fonds seine Anlageziele bisher übertroffen. Sowohl das marktneutrale, langfristig ausgerichtete Pair-Trade-Portfolio als auch das kurzfristig taktische Outright-Portfolio konnten positive Ergebnisbeiträge erbringen.
Als richtig erwiesen sich die strategischen Pair-Trades Baumwolle long gegen Alumium short (+0,4%) und Sojabohnen long gegen Erdgas short (+0,6%). Erdgas und Aluminium sind seit Monaten unsere klassischen Short-Positionen, während wir Baumwolle auf der anderen Seite in der zweiten Jahreshälfte noch einmal eine weit überdurchschnittliche Kursentwicklung zutrauen. Dennoch haben wir beide Trades Anfang Juni zwischenzeitlich glattgestellt, da Aluminium und Erdgas relativ zu den anderen Rohstoffen überverkauft und Baumwolle und Sojabohnen überkauft waren. Die Short-Positionen Aluminium und Erdgas werden auch aufgrund der Contango-Terminstruktur früher oder später wieder im Pairtrade-Portfolio - kombiniert mit anderen Long-Positionen - auftauchen.
Hingegen sehen wir das Kurspotenzial von Sojabohnen als relativ erschöpft an. Den größten Performancebeitrag erbrachte mit rund +0,6% der Laufzeit-Pairtrade Rohöl WTI Dez. 2009 long gegen Rohöl WTI Dez. 2011 short. Wie in den letzten Monaten mehrfach betont, setzen wir bei Rohöl auf eine Terminkurvendrehung von Contango auf Backwardation. Bis Ende Mai entwickelte sich Rohöl in diese Richtung. Seitdem weitet sich der Contango aber wieder aus, so dass wir einen Teil dieses Bull Spreads mit einem Short in einer kurzen Laufzeit opportunistisch abgesichert haben. An dem Laufzeittrade halten wir aber weiter fest.
Im taktischen Outright-Portfolio stechen zwei Positionen heraus. Ein sehr geschicktes Händchen hatten wir im Juli-Kontrakt bei Erdgas, den wir nach dem starken Kursanstieg von 3,6 USD auf über 4,3 USD je mmBtU erfolgreich bei einem Kurs von 4,3 USD je mmBtU shorten konnten. Diese Position wurde nach wenigen Tagen bei 3,8 USD je mmBtU wieder eingedeckt, was dem Fonds eine Performance von mehr als 0,7% brachte. Ähnlich erfolgreich waren wir bei Kaffee, der aus fundamentaler Sicht zu unseren langfristigen Favoriten zählt. Die Outright Long-Position generierte eine Rendite von knapp 0,6%. Bei Kaffee haben wir mittlerweile Gewinne taktisch mitgenommen. Mittelfristig könnte Kaffee auf der Long-Seite Sojabohnen in den Pair-Trades (s.o.) replatzieren. Bei den Short-Positionen in den Basismetallen Nickel und Blei sahen wir uns angesichts schneller technischer Kursanstiege zu einem Short-Covering gezwungen.
Marktausblick und Positionierung: Technische Korrektur - Aufgeschoben oder aufgehoben?
I Makro - Perspektive
Repetitia non placet - Wiederholungen finden keinen Gefallen. Diesen Grundsatz versuchen wir auch in unseren Marktkommentaren anzuwenden. Dennoch bleibt uns dieses Mal wenig anderes übrig. In unserem letzten Marktkommentar hatten wir festgestellt, dass die Rohstoffmärkte sich erfreulich eng an den im Jahresausblick 2009 aufgestellten Fahrplan einer Bodenbildung im ersten Halbjahr und einer Hausse im zweiten Halbjahr 2009 halten. Gleichzeitig hatten wir aufgrund einer gewissen kurzfristigen Überhitzung die Erwartung geäußert, dass auf Sicht weniger Wochen eine technische Korrektur wahrscheinlich sei, die die Rohstoffindices noch einmal um 5%-10% zurückführen könnte.
Diese Korrektur ist nicht eingetreten. Im Gegenteil, wie oben ausgeführt, konnten die Indizes im Mai kräftig zulegen. Ist die technische Korrektur nur aufgeschoben? Dafür spricht in der Tat einiges. Die Fundamentaldaten für die einzelnen Sektoren haben sich in den letzten Wochen nicht unbedingt verbessert. Zwar sprechen alle zuletzt veröffentlichten Frühindikatoren für eine Stabilisierung der globalen Konjunktur. Bis die Stimmungsaufhellungen bei den Entscheidungsträgern sich aber in einem Anstieg der Industrieproduktion bemerkbar machen, werden aber noch Monate vergehen. Die durch die Umsetzung der Fiskalprogramme kurzfristig ausgelöste China-Euphorie ist bei den Basismetallen allmählich am Abklingen. Es scheint so, als ob das Wiederauffüllen der Lager im Reich der Mitte weitgehend abgeschlossen ist. Dementsprechend sehen wir die Basismetalle nach wie vor stark korrekturgefährdet an.
Bei den Energierohstoffen gilt Ähnliches. Die Terminkurven haben sich zuletzt eher verschlechtert (Contango hat sich ausgeweitet) und die Lagerbestandsdaten konnten weder bei Rohöl noch bei Rohölprodukten überzeugen. Weitgehend abgeschlossen ist auch der Ackerflächenwettbewerb der Getreide in den USA. Sobald die Pflanzperiode für Sojabohnen in den USA beendet ist (Mitte/ Ende Juni), entfällt die Notwendigkeit, durch hohe Preise große Produktionsanreize zu liefern. Wir bleiben also bei unserer bereits im letzten Marktkommentar vorgetragenen Einschätzung, dass man strategisch bei den Rohstoffen in 2009 dabei sein muss, taktisch in den nächsten Wochen aber nicht unbedingt.
II Energie
Ebenso wie die Indexeinschätzung hat sich auch unser Rohölbild in den letzten Wochen kaum verändert. Wir zählen Rohöl nach wie vor zu den Favoriten in der zweiten Jahreshälfte. Unser Preisziel liegt zum Jahresende nach wie vor bei 80 USD je Barrel. Da der Preis kurzfristig den Fundamentaldaten voraus gelaufen ist, erwarten wir eine technische Korrektur auf Preise unter 60 USD je Barrel. Die jüngste Aufwärtsbewegung war weniger durch Rohöl spezifische Fundamentaldaten, sondern vielmehr durch übergeordnete Makro-Bewegungen kurzfrsitig korrelierter Märkte (Aktien, Währungen) motiviert.
Die Rohölterminkurve hat sich seit dem letzten Marktkommentar nicht verbessert. Auch in den kommenden Monaten müssen long only Investoren mit hohen Roll-Verlusten rechnen. Bei unveränderter Kurve würden zusätzlich zu den bereits in den ersten vier Monaten realisierten Roll-Verlusten von mehr als -30% nochmals ca. -10% entstehen. Da wir aufgrund der OPEC-Maßnahmen in der zweiten Jahreshälfte ein globales Marktdefizit und fallende US-Lagerbestände erwarten, gehen wir im Laufe des Jahres von einer schnellen Terminkurvendrehung von Contango auf Backwardation aus. Noch gibt es keine Evidenz für eine derartige Bewegung.
Die zuletzt von der OPEC für den April 2009 veröffentlichten Produktionszahlen enttäuschten auf ganzer Linie. Die Organisation berichtete, dass im Vergleich zum März die Produktion nicht wie geplant weiter zurückgefahren wurde, sondern im Gegensatz zur offiziellen Rhetorik von kleineren OPEC-Mitgliedern sogar erhöht wurde. Das Mitte Mai abgehaltene OPEC-Treffen brachte keine neuen Signale, dass sich die Compliance der Mitglieder substanziell verbessern dürfte.
Die Fundamentaldaten aus den Produktkategorien enttäuschen weiterhin. Die Nachfrage nach US-Benzin und US-Destillaten zeigt noch keinerlei Wiederbelebungstendenzen. Die Benzinnachfrage zu Beginn der diesjährigen Driving Season ist im Vergleich zum Vorjahr immer noch sehr schwach. Ähnliches gilt für die Destillate. Die Wachstumsraten fallen sowohl für Heizöl als auch für Diesel weiterhin ab. Die Lagerbestände bei den Produkten steigen in den USA und Europa in Relation zum saisonalen 5-Jahresschnitt an. Im Gegensatz dazu ist vor allem der Preis von US-Benzin gegenüber Rohöl gut gelaufen. Die Crack Spreads notieren in den Kassapreisen um 13 US-Dollar je Barrel und sind damit angesichts der fundamentalen Situation überteuert. Wir gewichten beide Produktkategorien gegenüber Rohöl unter.
Erdgas legte Anfang Mai eine fulminante Bear-Market-Rallye hin. Mit der Überverkauftsituation ist aus unserer Sicht der einzige Grund weggefallen, warum man es kurzfristig kaufen konnte.
Die fundamentalen Einflussfaktoren sind bis zum Ende des Jahres weiterhin negativ. Der Markt befindet sich in einem Überschuss, der die Lagerbestände bis zum Ende der injection season im Spätherbst nahe an die maximale Lagerkapazität treiben dürfte. Die Märkte der Konkurrenzprodukte Destillate, Fuel Oil und Kohle befinden sich ebenfalls im Überschuss und lassen wenig Hoffnung, dass Erdgas von steigenden Energiepreisen generell nach oben gezogen wird. Und nicht zuletzt weist Erdgas in unserem Terminkurvenuniversum die ungünstigste Terminpreisstruktur auf.
In den nächsten fünf Monaten muss mit Roll-Verlusten von mehr als 30% gerechnet werden. Kurzfristig könnte die Substitution von Kohle durch Erdgas dem Markt dringend benötigte Nachfrage zurückbringen. Der Substitutionseffekt dürfte für eine Trendwende an den Märkten jedoch nicht ausreichen.
Fazit: Die Rohölpreise sind kurzfristig überreizt und reif für eine technische Korrektur. Strategisch bauen wir die Rohölquote weiter auf, da wir in der zweiten Jahreshälfte eine nachhaltige relative Stärke erwarten. Die Modellergebnisse aus allen Kategorien sind für den Energiesektor immer noch stark negativ. Wir bleiben kurzfristig leicht untergewichtet, wobei das Untergewicht bei Destillaten und Erdgas größer ausfällt als bei Rohöl.
II Basismetalle
Nickel sendete mit einer Performance von +19% im Mai ein starkes Lebenszeichen. Die Kursbewegung bei Nickel veranschaulicht einmal mehr, welch großen Einfluss fundamental nur leicht positive Nachrichten auf einen überverkauften Markt haben können. Eine erhöhte Nachfrage des chinesischen Stahlsektors, steigende Importzahlen ebenfalls aus dem Reich der Mitte und leicht sinkende Lagerbestände an der LME weckten die Phantasie der Anleger. Gleichzeitig sprachen einige große Investmenthäuser Kaufempfehlungen für Nickel aus, mit Kurszielen im Bereich 18,000 $ - 20,000 $ je Tonne (ca. 40% über dem aktuellen Kursniveau).
Wir halten diese Preisziele für zu ambitioniert. Die Nickelindustrie weist neben Aluminium die größten Kapazitätsreserven aus. Viele der stillgelegten Minen können mit gewisser zeitlicher Verzögerung wieder in Betrieb genommen werden. Darüber hinaus scheint bereits die jüngste Rallye ausgereicht zu haben, dass 15-20 chinesische Hersteller wieder Nickel Pig-Iron produzieren. Alles in allem besitzt Nickel unserer Ansicht nach nur noch wenig Aufwärtspotential. Insbesondere die langfristigen Perspektiven erscheinen uns - im Gegensatz zu bspw. Kupfer - stark limitiert.
In einer ähnlichen Lage wie Nickel befindet sich unserer Einschätzung nach auch Aluminium. Drückend hohe Börsen-Lagerbestände, ein großer Kapazitätsüberhang und eine für Basismetall-Verhältnisse katastrophale Terminkurve (derzeit etwa 8% Contango auf Jahressicht) führten von Januar bis Mai dieses Jahres zu einer Underperformance gegenüber dem Durchschnitt der anderen fünf LME-Metalle (Kupfer, Nickel, Zink, Blei, Zinn) von etwa 45%. Wir glauben, dass vor dem Hintergrund steigender Energiepreise (etwa ein Drittel der Herstellungskosten von Aluminium entfallen auf Energie), sich stabilisierender Lagerbestände, und einem bisher extrem negativen Marktsentiment Aluminium sich kurzfristig zumindest sektorneutral entwickeln dürfte. Anfang Juni gab es erste Anzeichen dieser Entwicklung, als Aluminium unter hohen Umsätzen nach oben drehte.
Alles in allem warten wir weiterhin auf eine Korrektur der Basismetallpreise - mit Ausnahme von Aluminium. Entscheidend für die nächsten Wochen dürfte hier erneut die Entwicklung an den internationalen Aktien- und Devisenmärkten sein, mit denen die Basismetalle zumindest kurzfristig eine hohe Korrelation aufweisen.
IV Edelmetalle
Die 10-Cent-Rallye des Euro gegenüber dem US-Dollar ebnete den Weg für einen starken Anstieg der Edelmetalle im Mai. Der Greenback hatte gleich mehrere negative Nachrichten zu verdauen. Die Chrysler-Insolvenz war de facto eine Enteignung der rechtmäßigen Gläubiger, für die es keine Rechtsgrundlage gab. Die Obama-Administration gab sich dem Eindruck hin, dass willkürlich den Gewerkschaften Anteile zugeschanzt wurden, während die Hedge-Fonds, die auf eine marktwirtschaftlich orientierte Abwicklung gesetzt hatten, desavouiert wurden. Mittelfristig dürfte Kapital hin zu den anderen Dollar-Währungen (AUD, CAD) abwandern.
Die Bereitschaft, der Hedge-Fonds, der Regierung in späteren Fällen auszuhelfen (z.B. im Rahmen von TARP) hat spürbar gelitten. Der zweite Nackenschlag für den US-Dollar war die Androhung der Rating-Agenturen, dass bei Fortsetzung der aktuellen Staatsdefizite mittelfristig eine Herabstufung des Ratings von US-Staatsanleihen droht. Dies könnte langfristig dazu führen, dass ausländische Gläubiger eine zunehmende Risikoprämie für US-Anleihen einfordern. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass angesichts der aktuellen Gemengelage eine weitere, kontrollierte Dollar-Abwertung im Interesse aller Parteien liegt. Wir sehen den Greenback zum Jahresende über 1,5 USD je Euro. Gold dürfte in einem derartigen Umfeld mittelfristig die Tausend-Dollar-Marke überspringen. Kurzfristig scheint das Boot der Dollar-Bären etwas überladen. Ein Rücksetzer auf 1,35 USD je Euro ist nicht unwahrscheinlich.
Der Gold-Rallye scheint kurzfristig etwas die Luft auszugehen. Die physische Nachfrage aus Indien ist weiterhin schwach, die Zuflüsse in Gold-ETFs bleiben verhalten und die spekulative Netto-Position an der Comex ist mit über 185.000 Kontrakten bereits wieder nahe des Allzeithochs. Der Goldpreis in Euro pendelt um die 680 Euro/Unze und wich seit etwa Mitte April nie mehr als +/-3% von dieser Marke ab.
Silber entwickelte sich in dieser Zeit deutlich dynamischer und erreichte im Ratio zu Gold den im letzten Marktkommentar genannten Zielbereich von 62-64 (Unzen Silber je Unze Gold). Von hier aus sehen wir nur noch wenig Potential für Silber den “großen Bruder“ Gold zu übertrumpfen. Zwar ist Silber der engere Markt, der von Investorengeldern stärker beeinflusst werden kann, jedoch dürfen die Fundamentaldaten von Silber aufgrund seiner industrienahen Anwendungen nicht außer Acht gelassen werden. Für 2009 erwarten wir einen deutlichen Marktüberschuss, so dass bei einem Abflauen der Investorenzuflüsse eine deutliche Korrektur bevorstehen könnte. Das Gold / Silber - Ratio sollte im Zuge dieser zunächst wieder auf ein Niveau von 68-69 ansteigen.
Durch die expansive Politik der amerikanischen Notenbank und die Hoffnung auf eine Konjunkturerholung sind die Inflationserwartungen (gemessen als Differenz der nominalen Rendite herkömmlicher Staatsanleihen und der realen Rendite inflationsgesicherter Anleihen) in den letzten Wochen wieder deutlich angestiegen. Von einigen Marktteilnehmern wird auch wieder eine kommende Hyperinflation propagiert. Wir sehen die Inflationsbefürchtungen kurzfristig als überzogen an. Bevor die offiziell ausgewiesenen Inflationsraten wieder nach oben drehen, muss die globale Konjunktur nachhaltig Fuß gefasst haben. Ein Anstieg der Inflationsraten und Leitzinserhöhungen sind in den nächsten 1-2 Jahren nicht wahrscheinlich.
Etwas anderes ist die Inflation der Asset-Preise, die durch die expansive Geldpolitik ausgelöst wird. Wir sind der Meinung, dass das in den letzten Monaten von den Notenbanken geschaffene Geld seinen Weg in den Vermögenskreislauf finden wird. Innerhalb der Anlageklasse Rohstoffe ist Gold relativ zu den Energie- und Agrarrohstoffen aber immer noch teuer, obwohl diese zuletzt etwas aufholen konnten. Von dieser Seite machen Goldkäufe langfristig Sinn, kurzfristig würden wir aber andere Rohstoffe bevorzugen. Alles in allem nehmen wir in Gold derzeit eine neutrale (relativ und absolut) Position ein.
Platin und Palladium dagegen wirkten im Mai gehemmt. Wie ein Damokles-Schwert hing die drohende Insolvenz von General Motors (GM) über den beiden Metallen. Die Marktteilnehmer waren in Sorge darüber, ob GM Verpflichtungen in diversen OTC-Terminkontrakten nicht nachkommen könnte und die Gegenparteien daher Long-Positionen veräußern müssten. Es stellte sich jedoch heraus, dass zumindest der überwiegende Teil der Transaktionen bereits abgesichert war. Seither konnten beide Metalle um etwa 10% zulegen. Wir gehen davon aus, dass mit der "Abwicklung" der amerikanischen Automobilindustrie nun wieder die Fundamentaldaten eine größere Rolle spielen sollten. Für beide Metalle erwarten wir 2009 einen etwa ausgeglichenen Markt, mit einer leichten Präferenz für Palladium.
V Agrarrohstoffe
Auch die Agrarrohstoffe erhielten vor dem Hintergrund steigender Inflationserwartungen im vergangenen Monat Kapitalzuflüsse. So erreichten die Netto-Long Positionen spekulativer Marktteilnehmer (Non Commercials und Non Reportables) im Getreidebereich per 26. Mai Werte, die zuletzt in der Nähe der Kurshochs im vergangenen Jahr erzielt werden konnten. Die Positionierung befindet sich bei Chicago Weizen auf dem höchsten Niveau seit April 2008, bei Mais seit September 2008 und bei Sojabohnen seit Februar 2008.
Bei Sojabohnen konnte die Netto Long Positionierung kontinuierlich seit Anfang März 2009 gesteigert werden. Bei den Soft Commodities erzielten im vergangenen Monat Kaffee und Baumwolle das höchste Niveau seit Juli 2008 und Zucker seit März 2008. Da unserer Ansicht nach die Rohstoffnotierungen bislang zu früh zu weit gelaufen sind, birgt das erneute Erreichen derart hoher spekulativer Netto Long Positionen ein hohes Rückschlagspotenzial.
Hinsichtlich des Fortschritts bei der Ausbringung der diesjährigen Mais- und Sojabohnenernten in den USA besteht weiterhin ein zweigeteiltes Bild. Während die Hauptanbaustaaten westlich des Mississippi optimale Bedingungen vorfanden, lagen die Gebiete östlich davon aufgrund ungünstiger Wetterbedingungen während der ersten beiden Monatsdrittel immer noch deutlich hinter dem 5-Jahres-Durchschnitt zurück. Der Rückstand konnte Ende des Monats jedoch reduziert werden, indem nachlassende Regenfälle zur Feldarbeit genutzt wurden.
Der Bericht des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) zur monatlichen Einschätzung der globalen Angebots- und Nachfragesituation (WASDE) wies im Mai für das aktuelle US-Marketingjahr bei Sojabohnen nochmals niedrigere Lagerbestände im Verhältnis zum Einjahresverbrauch (Stocks-to-Use-Ratio) auf. Der Wert ist in der Einschätzung des USDA inzwischen auf 4,3% gefallen, was vor allem auf eine weitere Erhöhung der Exporte zurückzuführen ist. Erstmals wurden in diesem Bericht die Erwartungen hinsichtlich des nächsten Marketingjahrs 2009/10 veröffentlicht. Bei Sojabohnen steigt gemäß der Einschätzung des USDA die amerikanische Stocks-to-Use Ratio auf 7,4%. Dieser Wert könnte sich noch erhöhen, sofern aufgrund des in manchen Teilen der USA verspäteten Flächenanbaus Einheiten von Mais zu Sojabohnen verlagert werden sollten. Aufschluss darüber wird Ende Juni die nächste Veröffentlichung der Befragung der US-Bauern durch das USDA über deren Pflanzentscheidung geben.
Bei Mais wurden die Lagerbestände am Ende des neuen US-Marketingjahrs auf 1.145 Mio. Bushel eingeschätzt und liegen somit leicht über der psychologisch wichtigen Marke in Höhe von 1.000 Mio. Bushel. Der Bericht enthielt bereits eine Reduzierung des erwarteten Ertrags um 1,5 Bushel je Acre im Vergleich zur Februar-Schätzung. Weitere Reduktionen könnten notwendig werden, falls der späte Ausbringungszeitpunkt zu Ernteeinbußen führen sollte.
Bei Baumwolle führte eine höhere Anbaufläche gepaart mit einem geringeren Ertrag je Flächeneinheit und eine Reduktion der Nachfrageerwartung auf US-Ebene zu einem 0,62% höheren Stocks-to-Use Ratio im Vergleich zur ersten Schätzung Ende Februar. Bei Weizen wurde der Ertrag je Flächeneinheit und das Verhältnis von geernteter zu bepflanzter Fläche aufgrund unvorteilhafter Entwicklungsbedingungen in den USA reduziert.
Kaffee erzielte innerhalb der Soft Commodities im vergangenen Monat das beste Ergebnis. Die knappe Versorgungslage in den Produzentennationen, vor allem bei hochwertigen kolumbianischen Arabicabohnen, machte sich nun auch bei dem an der Intercontinental Exchange (ICE) gehandelten Kaffee-Futures bemerkbar. Aufgrund eines Einbruchs der kolumbianischen Produktion war der Spread zwischen Cash Preisen von kolumbianischen Bohnen gegenüber dem Futurespreis bereits seit Monaten dramatisch angestiegen. Befürchtungen, dass eine erste Frostwelle die Kaffeebäume in Brasilien schädigen könnte, bewirkten weitere Preissteigerungen.
Obwohl in den nächsten Wochen aufgrund der Frostgefahr weiterhin kurzfristige Wetterrisikoprämien die Preisbildung beeinflussen dürften, zeichnen sich allerdings auch negative Einflussfaktoren ab. Die Prämie kolumbianischer Cash Preise fiel erstmals deutlich zurück, was als Indiz gewertet werden kann, dass sich die knappe Versorgungslage allmählich entspannt, da sich die Käufer nun anderweitig Ersatz beschaffen. Preisdruck entsteht auch durch die brasilianische Ernte, die bereits begonnen hat.
Der Importbedarf Indiens und das für das aktuelle und folgende Marketingjahr prognostizierte globale Marktdefizit hatten auch im vergangenen Monat eine unterstützende Wirkung auf die Zuckerpreise. Wie bereits im letzten Marktkommentar ausgeführt wurde, erwarten wir aufgrund der Preissteigerungen eine globale Angebotsreaktion sowie eine höhere Zuckererzeugung zu Lasten von Ethanol in Brasilien. Zucker hat unserer Ansicht nach nur ein eng begrenztes Kurspotenzial, da die positiven Fundamentaldaten inzwischen eingepreist sein sollten. Dafür spricht, dass der an der ICE gehandelte Zuckerkontrakt im Mai seine fulminante Aufwärtsbewegung nicht fortsetzten konnte, sondern mehrmals daran scheiterte, den Widerstand bei 16 US-Cents je Pfund zu durchbrechen.
© Tiberius Rohstoff-Research
Stuttgart, den 08.06.2009