Genussmittel: Angebotsdefizite unterstützen Preise


Der Rohzuckerpreis ist im März auf ein 17-Monatshoch von knapp 17 US-Cents je Pfund gestiegen. Innerhalb eines Monats verteuerte sich Zucker um bis zu 30%. Anfang April notiert der Rohzuckerpreis allerdings wieder unterhalb von 15 US-Cents je Pfund. Auftrieb gab eine Serie von Aufwärtsrevisionen für das im laufenden Erntejahr zu erwartende Angebotsdefizit auf dem globalen Zuckermarkt. Zusätzlich half ein stärkerer Brasilianischer Real, welcher trotz der politischen und wirtschaftlichen Krise in Brasilien gegenüber dem US-Dollar im ersten Quartal deutlich aufwertete (siehe grauen Kasten).
Dadurch wird es für die brasilianischen Zuckerexporteure weniger attraktiv, Zucker auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Zugleich könnte dadurch mehr Zuckerrohr zu Ethanol verarbeitet werden, welches vor allem im Inland verbraucht wird. Unter dem Strich steht ein geringeres Zuckerangebot aus dem weltgrößten Zuckerproduzenten- und -exportland Brasilien. Im gerade zu Ende gegangenen brasilianischen Erntejahr 2015/16 wurden in der Hauptanbauregion Center-South laut dem Industrieverband Unica 618 Mio. Tonnen Zuckerrohr verarbeitet, was einem Anstieg um 7,8% gegenüber dem Vorjahr und einem Rekordniveau entspricht.
Aufgrund eines geringeren Zuckergehalts und einer gestiegenen Ethanolproduktion liegt die Zuckerproduktion mit 31,2 Mio. Tonnen allerdings 2,5% unter dem Vorjahresniveau (Grafik 2). Die Produktionszahlen im März sind allerdings durch den frühen Start der neuen Verarbeitungssaison vermutlich nach oben verzerrt. Auch aus Indien dürfte weniger Zucker auf den Weltmarkt gelangen als bislang gedacht. Der Zuckermühlenverband ISMA hat seine Produktionsschätzung für 2015/16 inzwischen auf maximal 26 Mio. Tonnen gekürzt (2014/15: 28,3 Mio. Tonnen).
Im seit Oktober laufenden Erntejahr 2015/16 wurde in bis zu 513 Zuckermühlen Zuckerrohr verarbeitet. Davon waren Ende März nur noch 215 in Betrieb. Im Vorjahr waren es zu diesem Zeitpunkt noch 366 Zuckermühlen gewesen. Grund für den früheren Produktionsstopp vieler Mühlen ist eine Knappheit von Zuckerrohr, nachdem es wegen El Niño im letzten Jahr zu wenig geregnet hatte. Die Zuckerproduktion in Indien lag nach sechs Monaten des Erntejahres mit 23,7 Mio. Tonnen gut 1 Mio. Tonnen unter dem Vorjahresniveau. Nach fünf Monaten bestand im Jahresvergleich noch ein leichtes Plus.

Auch die Nachrichten aus Thailand deuten auf ein geringeres Zuckerangebot hin als zunächst gedacht. Denn auch dort verringerte sich die Produktionsprognose für die seit November laufende Verarbeitungssaison. Laut Cane and Sugar Board sollen wohl nur 10 Mio. Tonnen Zucker produziert werden. Das wären 14% weniger als die bisherige Schätzung. Der Zuckerhändler Platts Kingsman senkte seine Produktionsschätzung für Thailand um 600 Tsd. auf 10,3 Mio. Tonnen und warnte angesichts der negativen Folgen des Wetterphänomens El Niño auf den Zuckergehalt sowie des zuletzt starken Absinkens der Produktion vor einer weiteren Abwärtsrevision. In der letzten Saison wurde in Thailand mit 11,3 Mio. Tonnen ein Rekordniveau an Zucker produziert.
Aus fundamentaler Sicht stehen wir in diesem Erntejahr somit vor dem ersten Angebotsdefizit seit sechs Jahren. Die Internationale Zuckerorganisation ISO revidierte ihre Schätzung für das im laufenden Erntejahr 2015/16 zu erwartende globale Angebotsdefizit auf 5 Mio. Tonnen nach oben (Grafik 3). Andere Marktbeobachter prognostizieren sogar noch deutlich höhere Defizite. Laut der Broker- und Beratungsfirma INTL FCStone dürfte das Marktdefizit bei 7 Mio. Tonnen liegen. Die Analysten von Platts Kingsman erhöhten ihre Defizitprognose auf 7,6 Mio. Tonnen, das Analysehaus F.O. Licht geht von 8 Mio. Tonnen aus. Der Zuckerhändler Czarnikow erwartet sogar, dass die Nachfrage das Angebot um 11,4 Mio. Tonnen übertrifft.
Auch für das Erntejahr 2016/17 ist unwahrscheinlich, dass das Angebot die Nachfrage decken kann. Zwar dürfte die Zuckerproduktion in Brasilien zulegen. Laut der staatlichen brasilianischen Prognosebehörde Conab sollen in der Hauptanbauregion Center-South in der gerade angelaufenen Erntesaison rekordhohe 637,7 Mio. Tonnen Zuckerrohr verarbeitet werden, gut 20 Mio. Tonnen mehr als im Vorjahr.
Ein Grund ist das regenbedingt frühe Ende der Verarbeitung 2015/16. Dadurch verblieben beachtliche Mengen an Zuckerrohr auf den Feldern, die früh in der neuen Saison verarbeitet werden. Die Zuckerproduktion soll daher um 11% auf 34,3 Mio. Tonnen steigen (Grafik 4). In Indien, dem nach Brasilien zweitgrößten Zuckerproduzenten, wird dagegen seitens von ISMA mit einer nochmals geringeren Zuckerproduktion gerechnet, nachdem der schlechte Monsun 2015 die Anpflanzung von Zuckerrohr erschwert hatte.
F.O. Licht erwartet allerdings, dass trotz zunehmender Sorgen über die negativen Seiten des Zuckerkonsums, wie Fettleibigkeit und Diabetes, der Zuckerkonsum weiter steigen wird. Zumindest bis 2017 soll sich das jährliche Wachstum des globalen Zuckerverbrauchs auf 2-3% p.a. belaufen. Für die Saison 2016/17 wird daher mit einem weiteren Defizit am globalen Zuckermarkt gerechnet. Die ISO rechnet mit einem nochmals höheren Fehlbetrag von 6 Mio. Tonnen, Platts Kingsman und F.O. Licht mit 4,9 Mio. Tonnen.
Aufgrund einer voraussichtlich wieder höheren Zuckerproduktion in Brasilien und eines schwächeren Brasilianischen Real dürfte in den kommenden Monaten mehr Zuckerangebot aus Brasilien auf den Markt gelangen. Wir rechnen daher mit einem etwas niedrigeren Zuckerpreis von 14 US-Cents je Pfund am Jahresende. Die erwarteten Angebotsdefizite dürften einem stärkeren Preisrückgang entgegenstehen.

