Rohstoffe kompakt Agrar: Genussmittel: Kein Markt gleicht dem anderen

Alles in allem sah sich die ISO dazu veranlasst, ihre Überschussprognose für 2011/12 nochmals anzuheben, was den Preisen einen weiteren Schlag versetzte. Sie rechnet nun bei einem weltweiten Angebot von 174 Mio. Tonnen mit einem Überschuss in Höhe von 6,5 Mio. Tonnen (Grafik 6). Auch für 2012/13 richtet sich die Erwartung auf einen Überschuss, allerdings von "nur noch" 3 Mio. Tonnen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Produktion in Brasilien und Indien keine bedeutenden Zuwächse gegenüber der laufenden Saison zeigen wird, die Nachfrage aber um 2% wächst.
Neben den fundamentalen Marktdaten hat auch die deutliche Abwertung des brasilianischen Real gegenüber dem US-Dollar seit Februar zu Preisdruck geführt. Die schwächere Währung erlaubt es den Verkäufern, niedrigere Preise in US-Dollar zu akzeptieren und dennoch ihre Kosten zu decken, was die häufig genannte Preisuntergrenze von 20 US-Cents relativiert. Zumindest kurzfristig können die Preise unter dieser Marke bleiben. Wir erwarten allerdings, dass sich die Preise rasch wieder oberhalb von 20 US-Cents je Pfund etablieren werden. Dazu dürfte auch der deutlich gesunkene Optimismus der spekulativen Finanzanleger beitragen.
Die spekulativen Netto-Long-Positionen sind zuletzt auf ein Niveau zurückgefallen, das zuletzt Ende 2007 zu sehen gewesen war. Ein Großteil der preisbelastenden Nachrichten dürfte somit eingepreist sein.
In der EU hält die preistreibende Knappheit an Zucker an (Grafik 7), was die EU-Kommission Anfang Mai dazu veranlasst hat, wie schon mehrfach zuvor in den letzten Jahren Nicht-Quotenzucker zu reduzierten Steuersätzen für den Nahrungsmittelbereich freizugeben. Diesmal wurde eine Tranche von 250.000 Tonnen gewährt, um den bis zuletzt anhaltenden internen Preisanstieg zu bremsen. Die Zuckerverarbeiter fordern allerdings schon lange ein Ende der Quotenregelung, die im letzten Herbst von der EU-Kommission für die Zeit nach 2015 auch in Aussicht gestellt wurde. Denn bisher schlägt sich aufgrund der fixierten Menge an zur Lebensmittelverarbeitung vorgesehenem Quotenzucker eine hohe Zuckerrübenernte wie in 2011 nicht automatisch in einer besseren Verfügbarkeit für die Verarbeiter nieder. Allerdings gibt es Widerstand dagegen. Insbesondere Frankreich möchte das System noch länger beibehalten und argumentiert mit Planungssicherheit für die Anbieter. Nach der sehr hohen Zuckerproduktion von 18 Mio. Tonnen in 2011/12, wird die Zuckerproduktion der EU für die nächste Saison derzeit aufgrund weniger vorteilhafter Witterung auf nur 16,8 Mio. Tonnen geschätzt.

Kakao
Der australische Wetterdienst hat in seiner jüngsten Analyse der Klimaindikatoren vorsichtig angedeutet, dass einige Klimamodelle auf die Entwicklung einer El-Niño-Wetterlage in der zweiten Jahreshälfte weisen. Die Internationale Kakaoorganisation ICCO hatte in einer Studie aus dem Jahr 2010 ermittelt, dass das Auftreten von El Niño weltweit die Kakaoproduktion um durchschnittlich 2,4% einschränkt. Die Aussicht auf ein mögliches Auftreten von El Niño hatte am Kakaomarkt daher zu steigenden Notierungen geführt. Zwischen Mitte April und Mitte Mai befanden sie sich wieder im Preiskorridor von 2200 bis 2400 US-Dollar je Tonne. Zuletzt ließen aktuelle Regenfälle in Westafrika die Notierungen allerdings wieder nachgeben.
Die hohen Produktionsmengen der beiden letzten Ernten in Westafrika dürften nicht wieder zu erreichen sein. Diese waren durch das mit erhöhten Regenfällen in Westafrika verbundene gegenteilige Phänomen La Niña begünstigt worden. Im Winter war es allerdings zu trocken gewesen, was den Preisabsturz in der zweiten Jahreshälfte 2011 beendete. So meldet das Ghanaische Cocobod, dass aufgrund zu trockener Witterung das Ziel von 950 Tsd. Tonnen wohl nicht erreicht wird, nachdem in der Vorsaison gut 1 Mio. Tonnen geliefert worden waren. Nachdem auch in der Elfenbeinküste die von April bis September laufende Zwischenernte verzögert begonnen hat, hellt sich hier inzwischen durch Niederschläge die Stimmung auf.
Die ICCO erwartet für die Gesamtproduktion der Elfenbeinküste 2011/12 etwa 1,35 Mio. Tonnen (Grafik 8). Im Erntejahr 2010/11 war noch ein Rekordwert von gut 1,5 Mio. Tonnen erzielt worden. Im letzten Jahr wurde in der Elfenbeinküste eine Reform durchgesetzt, die Käufer verpflichtet, mindestens 60% des Marktpreises zu Beginn der Erntesaison im Oktober an die Produzenten zu zahlen. Damit soll ein Preisverfall zur Erntezeit verhindert werden. Exporteure sollen sich bereits vor der eigentlichen Ernte in staatlichen Auktionen mit Ware versorgen.
Enttäuschende Verarbeitungszahlen für das erste Quartal 2012 kamen aus Nordamerika (-4% gegenüber Vorjahr), die Zahlen aus Europa waren aber trotz der ausgewiesenen Stagnation im Vergleich zum Vorjahresquartal besser als von vielen Marktbeobachtern erwartet. Die Lagerbestände an der Börse in London sind seit Jahresbeginn um gut 30% gefallen und liegen auf einem im historischen Vergleich sehr niedrigen Niveau.
Nach der Rekordernte 2010/11, bedingt vor allem durch Westafrika, und dem Rekordüberschuss von 347 Tsd. Tonnen, ist in der noch bis September laufenden Saison 2011/12 nach Schätzung der ICCO ein Defizit von 71 Tsd. Tonnen zu erwarten (Grafik 9). Andere Marktbeobachter schätzen das Defizit meist geringer ein. Allerdings könnte sich auch für die folgende Saison 2012/13 wieder ein Defizit ergeben, insbesondere falls sich eine El Niño-Situation manifestieren sollte.
Besonders betroffen ist nach der besagten Studie der Internationalen Kakaoorganisation der weltweit drittgrößte Produzent Indonesien, der dann besonders unter Trockenheit leiden könnte. Aber auch in Westafrika mit den beiden Hauptanbauländern Elfenbeinküste und Ghana erhöht sich bei El-Niño die Wahrscheinlichkeit zu geringer Niederschläge mit der Folge einer eingeschränkten Produktion. Wir sehen daher ausgehend von dem derzeitigen Niveau von 2.200 USD je Tonne mittelfristig ein moderates Preissteigerungspotenzial.
