Rohstoffe kompakt Agrar: Mangel an fundamentalen Daten hält Unsicherheit hoch

Der Aufwärtstrend bei den Kakaopreisen hält noch immer an. Nach dem Anstieg in 2013 legte der Preis in London im bisherigen Verlauf von 2014 nochmals um 20% zu, so dass Kakao dort bei über 2.000 GBP je Tonne auf 3-Jahreshoch notiert. Ähnliches gilt für New York. Und das, obwohl die Ernten in wichtigen Produzentenländern positiv überraschten. Inoffiziellen und auf LKW-Zählungen beruhenden Angaben zufolge sollen die Anlieferungen in der Elfenbeinküste seit Beginn der Saison 2013/14 im vergangenen Oktober um 25% über der Vorsaison und damit auf sehr hohem Niveau liegen.
Die Internationale Kakaoorganisation ICCO hat bereits für ihren Quartalsbericht Ende Mai eine Aufwärtsrevision ihrer Ernteerwartung vorgenommen, nachdem gute Regenfälle in dieser Saison für eine positive Überraschung gesorgt haben. Die ICCO rechnet derzeit offiziell mit einem Produktionsanstieg in der Elfenbeinküste um 11% von 1,45 auf 1,61 Mio. Tonnen. Dies wäre ein neuer Rekord. Für Ghana wurde dagegen die Ernteerwartung nach unten korrigiert. Es sollen dort 850 Tsd. Tonnen geerntet werden, ein Plus gegenüber 2012/13 von nur knapp 2%.
In dem Land, das seine Produktion im Jahrzehnt bis 2010/11 verdreifachen konnte – phasenweise allerdings auch verzerrt durch Schmuggelware aus dem damals im Bürgerkrieg gefangenen Elfenbeinküste – ist inzwischen eher von einer stagnierenden Produktion zu sprechen. Die offizielle Zielsetzung, wonach die Elfenbeinküste überholt werden soll, scheint derzeit kaum realistisch. Recht stark soll der Produktionsanstieg 2013/14 in Brasilien und Ecuador sein; mit jeweils 210 Tsd. Tonnen tragen diese Länder aber nur recht wenig zum globalen Angebot bei.
Bedeutender ist Indonesien, für das bei 425 Tsd. Tonnen der Produktionszuwachs gegenüber der Vorperiode bei 3,7% gesehen wird. Bei einem globalen Produktionszuwachs um fast 6% und einer um 2,7% steigenden Nachfrage - überdurchschnittlich in Asien und Afrika, unterdurchschnittlich in Europa und Amerika - hat die ICCO für das Gesamtjahr 2013/14 in ihrem Quartalsbericht von Ende Mai ein Marktdefizit von 75 Tsd. Tonnen geschätzt. Dies wäre das zweite Defizitjahr in Folge gewesen (Grafik 6).

Soweit die offiziell veröffentlichten Zahlen. Allerdings hat die ICCO inzwischen auf die weiterhin höher als erwarteten Anlieferungen reagiert und die Defizitschätzung 2013/14 in einen erwarteten Überschuss von 30 Tsd. Tonnen verkehrt. Diese Erwartungen äußerte ein ICCOOffizieller nach Angaben von Bloomberg auf einer Konferenz im Juni. Denn durch die gute Zwischenernte liegen die Produktionszahlen für die Elfenbeinküste und Ghana wohl eher bei 1,7 Mio. Tonnen bzw. 900 Tsd. Tonnen. 2014/15 soll dann aber tatsächlich ein Defizit von knapp 100 Tsd. Tonnen zu Buche stehen.
Unter den anderen Beobachtern kursieren sowohl Defizit-als auch Überschusserwartungen. Alles in allem ist die Unsicherheit also sehr hoch. Positive Verarbeitungszahlen aus Asien und überraschend hohe Verarbeitung in Amerika im zweiten Quartal machen eine weiterhin dynamische Nachfrage wahrscheinlich. In Europa allerdings enttäuschten die letzten Zahlen mit einer gegenüber dem Vorjahresquartal leicht rückläufigen Verarbeitung. Bereits im ersten Quartal war nur eine gegenüber Vorjahr stagnierende Verarbeitung gemeldet worden.
Eine gewisse Erleichterung kommt auch von der Angebotsseite durch die Herabstufung der Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines El-Niño-Effekts durch das Australische Amt für Meteorologie und andere Dienste. Wenn El-Niño überhaupt auftritt, dürfte er wohl auch nur einen gemäßigten Verlauf nehmen. Die Gefahren für die internationale Kakaoproduktion werden von dieser Seite also geringer.
Alles in allem sehen wir wenige Gründe, warum der inzwischen ein ganzes Jahr anhaltende rasante Aufwärtstrend der Kakaonotierungen ungebrochen anhalten sollte. Die Knappheit an Kakaobohnen stellt sich nicht so groß dar wie zwischenzeitlich befürchtet, und mit sinkender Wahrscheinlichkeit eines El-Niño-Effekts hellen sich auch die Aussichten für die nächste Saison auf. Daher erwarten wir eine Stabilisierung der Kakaopreise und bleiben bei unserer Prognose von 1.900 GBP je Tonne für Q4 2014. Der Preis dürfte sich aber auch weiterhin auf hohem Niveau halten, denn die strukturellen Probleme in wichtigen Produktionsländern bleiben bis auf weiteres bestehen.
Ein aktuelles Beispiel ist Ghana: Der Währungsverfall in Ghana seit Jahresbeginn und eine hohe Inflationsrate im Land verringern die Kaufkraft der Erlöse aus dem Kakaoverkauf (Grafik 7). Dies macht es attraktiv, Ware in die Elfenbeinküste zu schmuggeln. Umgerechnet in heimische Währung kann dort sehr viel mehr erlöst werden als in Ghana selbst. Mittelfristig würde eine Fortsetzung der Lage die Produktion in Ghana schädigen, da die Erlöse schwinden und die Betriebsmittel immer teurer werden. Noch ist unklar, wie der ghanaische Staatssektor, der derzeit von einem Aufkauf der Kakaobohnen in immer wertloserer heimischer Währung und dem Verkauf in Dollar bei den hohen internationalen Kakaopreisen profitiert, mit der Lage umgehen wird.