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Ausblick 2014: Bodenbildung mit anschließender Erholung

17.01.2014  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
Nachdem sich die breit gefassten Rohstoffindizes im Vorjahr erneut verbilligt haben, erwarten wir in der ersten Jahreshälfte 2014 eine allgemeine Bodenbildung und einen Preisanstieg insbesondere bei den Industrie- und Edelmetallen zum Jahresende. Gleichzeitig sehen wir bei Rohöl und den meisten Agrarrohstoffen nur wenig Potenzial nach oben. Die Differenzierung innerhalb des Rohstoffsektors, d.h. unterschiedliche Preisentwicklung, sollte damit hoch bleiben. Denn neben den Faktoren, die für alle Rohstoffmärkte relevant sind, wie z.B. die wirtschaftliche Entwicklung Chinas, das Verhalten der Investoren und die Zentralbankpolitik, treten vor allem die branchenspezifischen Faktoren in den Vordergrund.

Die Rohstoffpreise gemessen an den breitgefassten Rohstoffindizes sind im letzten Jahr erneut gesunken und befinden sich nun bereits seit Frühjahr 2011 in einem übergeordneten Abwärtstrend (Grafik 1). Eine wichtige Frage, die sich die Marktbeobachter häufig in den vergangenen Monaten gestellt haben, ist, ob der langfristige Superzyklus bei Rohstoffen, der um die Jahrtausendwende begonnen hatte, damit zu Ende ist. Unsere Antwort ist "jein!".

Wir gehen zwar davon aus, dass die Zeiten exorbitanter Preisanstiege und kontinuierlicher Verteuerung über alle Rohstoffe hinweg vorbei sind. Allerdings sehen wir weiter besonders den enormen Nachholbedarf der Schwellenländer auf der Nachfrageseite als ausschlaggebend für eine allmähliche langfristige Verteuerung der Rohstoffe. Außerdem sollte die Differenzierung innerhalb des Rohstoffsektors in den kommenden Monaten und Jahren hoch sein, wobei sich die verschiedenen Rohstoffmarktsegmente, wie z.B. Industrie-, Edelmetalle, Energie und Agrarrohstoffe, unterschiedlich verhalten werden. Mittelfristig sehen wir insbesondere bei den Metallen nach den verlustreichen Jahren zuvor ein höheres Potenzial, weil der Preisrückgang teilweise der überzogen negativen Stimmung geschuldet war.

Doch bevor wir uns mit den künftigen Marktentwicklungen beschäftigen, beleuchten wir im Einzelnen, welche Faktoren die teilweise massiven Preisverluste zuvor ausgelöst und unterstützt hatten. Wir sehen, dass die Preisschwäche diesmal sowohl durch die physischen Überschüsse als auch durch eine Verschlechterung der Stimmung und den darauf folgenden Rückzug der Anleger aus der Anlageklasse Rohstoffe begleitet wurde. Dabei sind die teilweise sehr heterogenen Preisentwicklungen der verschiedenen Rohstoffe auch im vergangenen Jahr (Grafik 2,) häufig auf die unterschiedlichen Aspekte und Einflüsse der Geld-, der Wirtschafts- und der Geopolitik zurückzuführen.

Während die steigenden Realzinsen und die Aussicht auf eine geldpolitische Straffung der US-Notenbank Fed den Goldpreis im Vorjahr im Jahresverlauf teilweise um 30% fallen ließ, war für die Preisschwäche der Industriemetalle aus unserer Sicht vor allem das (im Vergleich zu den Jahren zuvor) schwächere chinesische Wirtschaftswachstum verantwortlich. Die Ölpreise wurden dagegen vor allem durch die geopolitischen Faktoren und Ängste unterstützt und waren im Jahresverlauf trotz einer reichlichen Versorgung eher stabil.

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Was viele Marktbeobachter an den Rohstoffmärkten häufig fasziniert, ist die Tatsache, dass die meisten Preisbewegungen zumindest im Nachhinein mit einfachen logischen Entwicklungen, Faktoren und Aspekten der physischen oder der spekulativen Angebots-/Nachfragesituation zu erklären sind. Oft haben sich diese Faktoren über mehrere Jahre als ausschlaggebend gezeigt und herauskristallisiert, wie z.B. die physische Unterdeckung, die Entwicklung der Lagerbestände oder der chinesischen Importe oder aber die Stimmung der Anleger.

Doch die Zusammenhänge an den Rohstoffmärkten sind oft komplexer und komplizierter als es auf den ersten Blick erscheint. So erweisen sich die Erwartungen häufig wichtiger als die Realität und der Einfluss vieler Faktoren verändert sich im Laufe der Zeit. So hat die unkonventionelle Geldpolitik der US-Fed, die die Rohstoffpreise zwischen 2009 und 2011 stark unterstützt hatte, in den letzten beiden Jahren zwar die westlichen Aktienmärkte, nicht jedoch die Rohstoffmärkte unterstützt.

Auch der US-Dollar, der im vergangenen Jahrzehnt als einer der wichtigsten Treiber hinter den Rohstoff- und Goldpreisveränderungen galt, hat zuletzt deutlich an Einfluss eingebüßt (Grafik 3). Daher beleuchten wir zunächst einmal die physischen Aspekte des Geschehens an den Rohstoffmärkten in den letzten Jahren, bevor wir uns mit den etwas weicheren Faktoren beschäftigen, wie z.B. der Geldpolitik und dem Verhalten der Anleger.

Nicht nur die kurzfristigen Preissprünge, sondern auch die längerfristigen Auf- und Abwärtszyklen bei Rohstoffen werden meist durch den Eintritt unerwarteter Faktoren und weniger durch normale Wirtschaftszyklen herbeigerufen. Dies könnte die Bildung eines Produktionskartells oder die Einführung einer verbesserten Fördertechnik wie z.B. "Fracking" auf der Angebotsseite sein. Auf der Nachfrageseite könnte dies der effizientere Umgang mit den Rohstoffen oder umgekehrt die Entwicklung einer rohstoffintensiven Technologie oder die Etablierung der Rohstoffe als Anlageklasse sein.

Insofern sehen wir nicht allein die Entwicklung Chinas zum wichtigsten Rohstoffnachfrager im letzten Jahrzehnt als alleinigen Auslöser des "Superzyklus". Es war aus unserer Sicht vor allem die Überraschung auf der Angebotsseite, die offensichtlich nicht mit einer solchen Entwicklung insbesondere nach der schweren Asienkrise Ende der 1990er Jahre gerechnet und deswegen keine ausreichenden Produktionskapazitäten entwickelt hatte. Gepaart mit einer stark steigenden Anlegernachfrage führten die Produktionsdefizite zu stark steigenden Rohstoffpreisen.

Allerdings hatten die Preisanstiege auch den berühmten "Schweinezyklus" zur Folge, wobei die neuen Produktionsanlagen häufig schon bei den weitaus höheren Preisen der letzten Jahre geplant wurden. Kurzum weisen einige Rohstoffmärkte aktuell ein strukturelles Überangebot auf, dessen Gründe in den überzogenen Erwartungen und Investitionen zuvor zu suchen sind. Ein nachhaltiger Preisanstieg bei den überschüssigen Produktionskapazitäten ist wenig realistisch, zumal sich die Nachfrageaussichten nicht dementsprechend verbessert haben und viele dieser Kapazitäten dem Markt kurzfristig zur Verfügung gestellt werden können.

Die Situation für die Produzenten wird durch den Eintritt vieler neuer Produzenten und die dadurch teilweise niedrigere Konzentration auf der Angebotsseite zusätzlich erschwert. Denn damit verringert sich auch die "Disziplin" der Rohstoffproduzenten, weil die großen Konzerne häufig nicht mehr die Grenzproduktion kontrollieren und damit nicht mehr die Preismacht besitzen. Die Preise an den Rohstoffmärkten, an denen nur wenige Produzenten die Grenzproduktion kontrollieren, wie z.B. am Ölmarkt oder am Platin- und Palladiummarkt, erwiesen sich auch zuletzt als deutlich stabiler.

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