Rohstoffe kompakt Energie: Der Schieferboom und die Folgen


Die Chefin der Internationalen Energieagentur (IEA), van der Hoeven, hat daher kürzlich den USA empfohlen, den Export von Rohöl zu erlauben. Aufgrund des starken Rückgangs der Ölproduktion pro Bohrloch von 70%-90% im ersten Jahr nach der Produktionsaufnahme müssen hinreichend neue Bohrlöcher in Betrieb gehen, um diesen Rückgang auszugleichen und die Produktion darüber hinaus zu steigern. Industrieschätzungen zufolge liegen die Förderkosten bei Schieferöl in den USA zwischen 50 und80 USD je Barrel.
Fällt der zu erzielende Ölpreis unter dieses Niveau, ist mit einer Einschränkung der Produktion zu rechnen. Nach Ansicht der IEA-Chefin stehen die USA daher vor der Entscheidung, entweder das Rohöl zu exportieren oder es bleibt im Erdboden. Vorstellbar ist, dass die USA den Export von Schieferöl erlauben, sofern die Exportmenge durch Ölimporte aus Kanada ausgeglichen wird, ungeachtet der unterschiedlichen Qualität der Ölsorten.
Tendenzen auf der Nachfrageseite
Die Abhängigkeit der USA von ausländischem Öl ist in den letzten Jahren deutlich gesunken. Aktuell müssen die USA noch 40% ihres Ölverbrauchs durch Importe decken, verglichen mit 60% im Jahr 2005 (Grafik 4). Dies war allerdings nicht nur das Resultat der gestiegenen Ölproduktion. Maßgeblich dazu beigetragen hat auch ein fallender Ölverbrauch. Lag der US-Ölverbrauch im Jahr 2005 laut EIA noch bei 20,8 Mio. Barrel pro Tag, so ist dieser seither um gut 2 Mio. Barrel pro Tag gesunken.
Der Großteil des Nachfragerückgangs fand in den Jahren 2008 und 2009 statt und war somit dem Einbruch der Konjunktur geschuldet. Die Nachfrage ist aber auch nach dem Ende der Rezession weiter geschrumpft. Der gesamte US-Ölverbrauch lag im vergangenen Jahr der EIA zufolge mit 18,56 Mio. Barrel pro Tag auf dem niedrigsten Niveau seit 1996 und 11% niedriger als im Jahr 2005. Der Benzinverbrauch fiel im letzten Jahr um 3,4% und erreichte mit durchschnittlich 8,6 Mio. Barrel pro Tag das niedrigste Niveau seit dem Jahr 2001.
Grund hierfür ist eine Kombination aus schwacher Einkommensentwicklung infolge der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit, hohen Kraftstoffpreisen und einer verbesserten Kraftstoffeffizienz. Letzteres zeigt sich daran, dass die Zahl der gefahrenen Meilen in den vergangenen 12 Monaten trotz schwacher Benzinnachfrage sogar leicht gestiegen ist (Grafik 5).
Mit dem Anziehen der Konjunktur und der Verbesserung der Arbeitsmarktlage wird auch die Fahrleistung stärker anziehen, was sich letztlich auch in einem steigenden Benzinverbrauch niederschlagen sollte. Den Prognosen der EIA zufolge wird der US-Kraftstoffverbrauch 2013 um 0,3% und 2014 um 0,4% steigen. Der gesamte US-Ölverbrauch soll 2012 sein Tief erreicht haben und bis 2019 wieder auf knapp 20 Mio. Barrel pro Tag steigen. Von der Nachfrage dürfte also kein dämpfender Effekt auf die Importe mehr ausgehen, so dass die Entlastung in den kommenden Jahren allein von der Angebotsseite kommenmuss. Doch auch hier ist der Einfluss eher begrenzt.
Selbst zum Höhepunkt der Schieferölproduktion im Jahr 2019 werden die USA laut EIA noch immer 6,8 Mio. Barrel Rohöl pro Tag importieren müssen. Das entspricht 34% des erwarteten Bedarfs und nahezu dem Niveau der derzeitigen US-Rohölproduktion. Um vollkommen unabhängig von Ölimporten zu werden, müssten die USA ihre Ölproduktion in den kommenden Jahren auf knapp 20 Mio. Barrel pro Tag erhöhen oder ihren Verbrauch drastisch senken, was beides aus unserer Sicht unrealistisch ist. Vorhersagen einiger Marktbeobachter, wonach die USA in wenigen Jahren weitgehend unabhängig von ausländischem Öl würden sind daher nicht zutreffend. Dies lässt sich bestenfallsfür Nordamerika sagen.

Auch Kanada ein wichtiger Garant für den Anstieg der Ölproduktion in Nordamerika
Die vielbeachtete These der IEA, dass der nordamerikanische Kontinent inklusive Mexiko 2030 zum Netto-Exporteur von Öl werden könnte, ist nicht allein auf den Schieferöl-Boom in den USA zurückzuführen. Als zweiter wesentlicher Treiber kommt eine steigende Ölproduktion in Kanada hinzu. Dies ist u.a. auf eine steigende Schieferölproduktion in den Provinzen Manitoba und Saskatchewan zurückzuführen, in welche sich Teile der Bakken-Formation erstrecken. 2011 erreichte die kanadische Schieferölproduktion 190 Tsd. Barrel pro Tag.
Die IEA prognostiziert einen weiteren Produktionsanstieg auf über 500 Tsd. Barrel pro Tag bis zum Jahr 2035. Der Großteil des Anstiegs der Ölproduktion in Kanada gehtallerdings von den Ölsanden aus. Kanada verfügt einschließlich der nicht-konventionellen Vorkommen über die drittgrößten Ölreserven der Welt. 97% dieser Reserven sind in Ölsanden gebunden. Ölsande sind ein natürliches Gemisch bestehend aus Sand, Wasser, Ton und Bitumen. Das Öl wird durch zwei Fördermethoden gewonnen: Tagebau und Bohrung. 20% der Vorkommen sind nahe genug an der Erdoberfläche, um übertage abgebaut zu werden. Die restlichen 80% der Vorkommen müssen durch Bohrungen zutage gefördert werden.
In den letzten 30 Jahren hat sich die kanadische Ölproduktion auf aktuell ca. 3,2 Mio. Barrel pro Tag mehr als verdoppelt. Der Anstieg war dabei größtenteils auf die Ausweitung der Ölsandproduktion zurückzuführen. In Kanadas wichtigster Ölprovinz Alberta, auf die rund 80% der landesweiten Produktion entfällt, hat sich die Ölsandproduktion binnen der letzten zehn Jahre auf rund 2 Mio. Barrel pro Tag verdoppelt (Grafik 6).