Ölmarkt 2013 angespannter als erwartet

Die noch immer hohen Rohölvorräte in Cushing, dem Lager- und Auslieferungspunkt für WTI, sind ausschlaggebend für den weiterhin hohen Preisabschlag von WTI gegenüber Brent von gut 20 USD je Barrel und die Contango-Struktur der WTI-Terminkurve (Grafik 4). Die im Mai 2012 in Betrieb genommene umgekehrte Seaway-Pipeline war bislang nicht in der Lage, das Überangebot im Mittleren Westen der USA zu reduzieren. Die bisherige Durchleitungskapazität von 150 Tsd. Barrel pro Tag reichte nicht aus, um den Anstieg der Ölproduktion in Nord-Dakota um 200 Tsd. Barrel pro Tag seit Jahresbeginn auszugleichen.
Anfang 2013 soll die Durchleitungskapazität der Seaway-Pipeline auf 400 Tsd. Barrel pro Tag steigen. Dann wird deutlich mehr Rohöl vom Mittleren Westen der USA an die US-Golfküste abfließen können. In der Folge sollten die Rohölvorräte in Cushing allmählich sinken. Wir rechnen daher damit, dass sich die Preisdifferenz zwischen Brent und WTI bis Ende 2013 trotz einer weiter steigenden US-Ölproduktion auf 10 USD je Barrel verringern wird.
Gegen ein vollständiges Zusammenlaufen der Preise sprechen die entgegengesetzten Produktionstendenzen bei WTI und Brent. Während die US-Ölproduktion weiter steigt, geht die Ölproduktion in der Nordsee seit Jahren zurück. Zudem macht Brent WTI zunehmend die Rolle als führende globale Ölbenchmark streitig. Für den physischen Ölhandel wird inzwischen bereits mehrheitlich auf Brent zurückgegriffen. Im Terminhandel scheint sich ähnliches zu vollziehen. Die Zahl der offenen Terminkontrakte (Open Interest) liegt mittlerweile nahezu gleichauf.
Beim Handelsvolumen liegt Brent mittlerweile bereits vor WTI. Anfang 2013 wird der Indexanbieter S&P Dow Jones die Gewichtung von Brent in seinem vielbeachteten S&P GSCI Rohstoffindex um vier Prozentpunkte anheben und die Gewichtung von WTI um 6,25 Punkte reduzieren, was für zusätzliche Käufe von Brentöl-Terminkontrakten sorgen dürfte.
Alles in allem rechen wir mit einem Brentölpreis von 125 USD je Barrel zum Jahresende 2013, und einem WTI-Preis von 115 USD je Barrel. Der Preisanstieg wird zunächst von den Angebotsrisiken getrieben. Zudem haben wir ein Abebben der Euro-Schuldenkrise und eine Lösung des US-Haushaltsstreits unterstellt. ImJahresverlauf dürfte die Aufhellung der Nachfrageperspektiven für steigende Preise sorgen. Sollten sich die von uns erwartete Erholung der Nachfrage nicht einstellen und die Angebotsrisiken nachlassen, dürfte das Überangebot stärker auf die Preise drücken.
In diesem Fall dürfte die OPEC ihr (Über)Angebot reduzieren. Bei 100 USD je Barrel liegt der vom weltgrößten Ölexporteur Saudi-Arabien bevorzugte Ölpreis. Gleichzeitig benötigen die meisten OPEC-Länder mittlerweile einen Ölpreis von 100 USD je Barrel, um ihre deutlich gestiegenen Staatsausgaben zu finanzieren. Diese können von den Ländern nicht ohne weiteres zurückgeführt werden können, will man keine neuen Unruhen riskieren. Zudem dürften dann einige Schieferölprojekte in den USA aus Rentabilitätsgründen aufgeschoben werden, das Ölangebot in den USA also nicht so stark steigen wie unterstellt. Ein geringeres Angebot dürfte die Preise nach unten absichern.

Ölprodukte: Knappheit bei Diesel, drohende Verknappung bei Benzin
Die sehr niedrigen industriellen Destillatelagerbestände in den OECD-Ländern deuten darauf hin, dass das Angebot an Mitteldestillaten ausgesprochen knapp ist (Grafik 6). Im Nordosten der USA, wo noch immer ein Viertel des Energiebedarfs für Raumwärme durch Heizöl gedeckt wird, sind die Destillatevorräte laut US-Energieministerium derzeit 40% niedriger als saisonüblich. Landesweit liegt die Abweichung bei 20%. Die USA dürften künftig aufgrund ihrer niedrigen Vorräte weniger Destillate nach Europa exportieren als in den letzten Monaten und auch dort zu einer Angebotsverknappung beitragen. Derartige Tendenzen lassen sich bereits erkennen.
Die Gasölbestände für die Region Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen (ARA) lagen laut PJK International Ende November bei knapp 1,8 Mio. Tonnen und damit 18% unter dem langjährigen Durchschnitt. Niedriger waren sie zuletzt im November 2008.
Im Falle eines kalten Winters könnte es zu Angebotsengpässen kommen. Das knappe Angebot dürfte die Verarbeitungsmargen für Gasöl Anfang 2013 wieder auf mehr als 20 USD je Barrel steigen lassen. Der Gasölpreis ist für den Dieselpreis maßgeblich, da Diesel aus Gasöl gewonnen wird. Unter Berücksichtigung dessen und unserer Ölpreisprognose bedeutet dies einen Dieselpreis von 1.070 USD je Tonne im ersten Quartal 2013. Die Raffinerien werden zwar bei höheren Margen ihre Produktion ausweiten, was bei einem saisonbedingten Rückgang der Nachfrage auch die Preisdifferenz im Frühjahr und Sommer wieder etwas schrumpfen lassen dürfte.
Dieser preisdämpfende Effekt dürfte imweiteren Jahresverlauf durch den von uns erwarteten Anstieg des Ölpreises überkompensiert werden. Bis Ende 2013 rechnen wir daher mit einem weiteren Anstieg des Dieselpreises auf 1.100 USD je Tonne.
Anders stellt sich dagegen die Situation bei Benzin dar. Die Lagerbestände in den USA, dem mit Abstand weltgrößten Absatzmarkt, befinden sich aktuell leicht über dem zu dieser Jahreszeit üblichen Niveau, nachdem sie Ende September noch knapp 5% unter dem langjährigen Durchschnitt lagen. Da sich die Benzinnachfrage in den Wintermonaten saisonüblich abschwächt, kommt es während dieser Zeit zu einem Lageraufbau. Die Verarbeitungsmargen für Benzin sind daher im Winter in der Regel deutlich niedriger als im Sommer. Aktuell liegen sie bei weniger als 2 USD je Barrel, so dass die Benzinproduktion für die meisten Raffinerien keinen Gewinn mehr abwirft (Grafik 7).
Im vergangenen Jahr, als die Verarbeitungsmargen im Winter zeitweilig sogar negativ waren, führte dies an der US-Ostküste zu Raffinerieschließungen und bei anziehender Nachfrage zu einer Angebotsverknappung im Frühjahr, welche die Benzinpreise deutlich steigen ließ. Ähnliches könnte auch im nächsten Frühjahr drohen.