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China: Strauchelt der Gigant, beben die Weltmarktpreise

01.11.2010  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
Mit einem Produktionswert von 550 Mrd. USD ist China der größte Produzent von Agrargütern weltweit. Da das Reich der Mitte lediglich über eine Ackerfläche in der Größe von 75% der US-Ackerfläche verfügt, aber 1,3 Milliarden Menschen versorgen muss, sind Importe an wichtigen Agrargütern notwendig. Dennoch könnte China in seiner Politik der weitgehenden Selbstversorgung bei vielen Produkten auch künftig erstaunlich erfolgreich sein, wenn die Erträge der Agrarproduktion hinreichend gesteigert werden können. Die Aussichten dafür wird der neue Fünfjahresplan ab 2011 maßgeblich mitbestimmen, zu dem die Beratungen bereits begonnen haben.

China ist auch heute noch ein stark agrargeprägtes Land mit einer Landbevölkerung von über 700 Mio. Menschen. Die Landwirtschaft ist in vielen Gebieten noch immer der Haupteinkommensbringer, ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt ist inzwischen allerdings auf unter 11% gefallen. China hat über Jahrhunderte seinen Agrarsektor durch eine Landwirtschaftssteuer belastet, die erst mit den seit der Industrialisierung steigenden Einkommensdisparitäten deutlich verringert und 2006 ganz abgeschafft wurde.

Vor 30 Jahren begann China mit stärker in Richtung Markt zielenden Reformen, nachdem die Jahrzehnte der Kollektivierung, zentralen Planung und Besteuerung des Agrarsektors diesen in Stagnation gehalten hatten, die nicht selten mit Hungersnöten einherging. Seit den späten 1990er Jahren konnten fast alle Produkte zu Marktpreisen abgesetzt und die Produktion erheblich gesteigert werden. China war zu einem Netto-Exporteur am Weltmarkt geworden und hat insbesondere asiatische Länder wie seinen Hauptabnehmer Japan (19% der Exporte in 2008), aber auch Nordamerika beliefert. Erst 2004 wurde China über alle Produkte hinweg zu einem Nettoimporteur an Agrargütern.

Bei Sojabohnen und Baumwolle ist China inzwischen weltgrößter Importeur. Der Rückzug des Staates aus der Preisbildung und Lagerhaltung hat in den letzten Jahren nachgelassen und wurde zum Teil umgekehrt. Durch ein weites System an staatlicher Lagerhaltung bei Getreide, Baumwolle, Pflanzenölen und Fleisch haben staatliche Stellen starken Einfluss auf die Preisbildung. Es wurden Mindestpreise für Produkte wie Reis und Weizen eingeführt, die die Bauern zu einer erhöhten Produktion veranlassen sollen, für die der Staat dann als Aufkäufer auftritt. In einigen Regionen existieren auch Mindestpreise für Mais, Sojabohnen und Baumwolle.

Insgesamt hat sich der Anteil der Einnahmen im Agrarsektor, die auf staatliche Politiken zurückgehen (PSE), seit den 1990er Jahren erhöht, inzwischen aber bei 9% stabilisiert (Grafik 5). Der OECD-Durchschnitt liegt dagegen bei 20%. Dabei ist der Anteil bei Baumwolle mit 43% deutlich höher, ebenso bei Zucker mit 35%, aber auch bei Mais und Sojabohnen. Von den zusätzlichen finanziellen Hilfen für den Agrarsektor sind vor allem die Inputsubventionen - etwa für Düngemittel - zu nennen, die 2008 zwei Drittel der in den letzten Jahren massiv auf knapp 14 Mrd. USD vervielfachten Gesamtausgaben ausmachten.

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Als China 2001 Mitglied der WTO wurde, wies das Land bereits eines der niedrigsten durchschnittlichen Zollniveaus auf. Dennoch wendet China im Außenhandel klassische Maßnahmen wie Zölle und Quoten an. Der durchschnittliche Agrarzollsatz betrug 2009 15%, war v.a. bei Getreide, Zucker und Tabak jedoch deutlich höher, bei Sojabohnen dagegen mit in WTO gebundenen 3% sehr niedrig. Dies führt dazu, dass sich anders als bei Mais und Weizen die internen chinesischen Preise für Sojabohnen weitgehend im Gleichlauf mit den Weltmarktpreisen bewegen (Grafiken 1-3).

Beim Export bestanden 2009 globale Quoten für Baumwolle, Getreide und Tee, auf der Importseite Quoten für eine Vielzahl an Produkten, insbesondere für Getreide und Zucker. Darüber hinaus gibt es Mehrwertsteuernachlässe – Agrargüter unterliegen generell einer Mehrwertsteuer von 13% gegenüber dem allgemeinen Satz von 17%. Importlizenzen, Exportsteuern und andere Maßnahmen werden zum Teil ad hoc festgelegt. So wurden während der Nahrungsmittelkrise 2008 Exportsteuern eingeführt und Mehrwertsteuervorteile abgeschafft, was den Export unattraktiv machen sollte, um durch ein erhöhtes internes Angebot die Preissteigerungen im Inland zu begrenzen.

Dies hatte zur Folge, dass die Weltmarktpreise noch stärker stiegen, zumal auch andere Anbieter von Handelsrestriktionen Gebrauch machten. Als weitere Maßnahmen wurden Zulassungsverfahren für neue Biokraftstoffanlagen gestoppt (Kasten), auf Verbraucherebene Preiskontrollen eingeführt und Lagerbestände freigegeben.



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