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China: Strauchelt der Gigant, beben die Weltmarktpreise

01.11.2010  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
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Chinas Biokraftstoffpolitik:

Seit China in den Anfangsjahren des 21. Jahrhunderts die Produktion von Bioethanol aus staatlichen Getreidebeständen aufgenommen hat, ist es zum weltweit viertgrößten Produzenten von Ethanol aufgestiegen. Eingesetzt wird es in ausgewählten Städten oder Provinzen zur 10%-igen Beimischung zu Benzin, wobei Handel und Distribution vollständig durch Staatsunternehmen erfolgen. Aufgrund zunehmender Konflikte zwischen dem Ziel der Selbstversorgung mit Getreide und der Verarbeitung zu Biokraftstoff, hat das Regime aber inzwischen die zunächst im Fünfjahresplan für 2006-11 gesetzten Ziele zurückgeschraubt und möchte nun nur noch 2-3 Mio. Tonnen Ethanol produzieren.

In 2009 hat China nach Angaben der OECD gut 4 Mrd. Liter Ethanol produziert und sollte bis 2019 auf 6 Mrd. Liter aufstocken. Im Mittel- bis Langfristigen Entwicklungsplan zu Erneuerbaren Energien wird bis 2020 ein Ziel von 10 Mio. Tonnen beim Ethanolverbrauch ausgegeben. China sucht wie andere Länder verstärkt nach Möglichkeiten, nicht in Nahrungskonkurrenz stehende Grundstoffe zur Biokraftstoffproduktion einzusetzen (sog. Zweite Generation aus Pflanzenabfällen etc.).


Ressourcenknappheit beschränkt Wachstum

Land und Wasser sind in China knappe Ressourcen, wobei die Landwirtschaft zudem in Konkurrenz zu steigendem Bedarf durch Industrie und Städtebau steht. Bereits heute sind auch Flächen in der Produktion, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder der lokalen Klimabedingungen in landreicheren Staaten nicht bearbeitet würden. Folge sind nicht selten Schäden durch Erosion, Wüstenbildung bzw. Absinken des Grundwasserspiegels.

Südchina verfügt dabei noch über relativ viel Wasser, was den Anbau von Reis ermöglicht. Dagegen liegt in der nordchinesischen Ebene, in der große Teile der Getreide- und Baumwollproduktion erfolgen, der Wasserbestand pro Kopf nur bei einem Zehntel des Weltdurchschnitts. Eine starke Ausdehnung der auf Bewässerung angewiesenen Produkte wie Getreide und Baumwolle wird hierdurch begrenzt. Da die Erträge, die aus dem knappen Land und Wasser im Bereich Gartenbau zu erzielen sind, deutlich über denen des Getreidebaus liegen, werden Gemüse und Früchte in ihrer relativen Bedeutung für die chinesische Landwirtschaft zunehmen. Dass Arbeitskraft auch heute noch auf dem Land in relativ großen Mengen verfügbar ist, hat bereits zu einer Vorzüglichkeit des Anbaus von arbeitsintensiven Produkten wie Gemüse und Obst beigetragen (Grafiken 4 und 6).

Relativ dazu ist die Bedeutung des Getreidebaus zurückgegangen und konnte vielfach, besonders bei Mais, mit der Nachfrageentwicklung nicht Schritt halten. Dabei gelten Getreide und insbesondere Reis, Weizen und Mais als strategische Güter, die aus politischen Gründen weitgehend im eigenen Land produziert und allenfalls in geringem Umfang importiert werden sollen. Die Regierung hat auch jüngst wieder betont, in der Zeit bis 2020 nicht mehr als 5% des Verbrauchs von Getreide zu importieren. Bis 2020 soll die Produktionskapazität bei Getreide um 50 Mio. Tonnen gesteigert werden. Dazu sollen auch die festgelegten Mindestpreise dienen, zu denen staatliche Stellen die Getreide abnehmen. Das Getreide wird eingelagert und später je nach Preis- und Versorgungslage über lokale Auktionen abgegeben.

Preisschwankungen am Weltmarkt wie in 2007/08 werden damit vom heimischen Markt für Getreide weitgehend ferngehalten. Doch angesichts der internen Angebotssituation bei steigender Nachfrage befinden sich die Getreidepreise in China auf einem stabilen Aufwärtstrend und haben inzwischen Rekordniveaus erreicht. Aufgrund der durch die Mitgliedschaft in der WTO gebundenen Zölle kam es zu Situationen, in denen bei gefallenen internationalen Preisen importierte Ware deutlich günstiger als die heimische Produktion war, insbesondere bei Sojabohnen.

Während China bei Getreide und Ölsaaten gar nicht oder nicht in großem Maße als Exporteur auftritt, ist dies bei Fisch, Gemüse, Pilzen, Früchten (v. a. bei Äpfeln und Apfelsaft), aber auch bei Tee, ganz anders: Hier weist China bedeutende Exportanteile auf, wobei die Abnehmer weitgehend die ASEAN-Länder sowie Japan und Südkorea sind.

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Ziel der Selbstversorgung, doch bei Bedarf Rückgriff auf Weltmärkte

FAO und OECD erwarten in ihrem Ausblick 2009 - 2019, dass China bei wichtigen Agrargütern weitgehend Selbstversorger bleibt, zumal bei Weizen der Konsum stagniert und bei Reis nur schwach wächst. Bei Mais wandelt sich China dagegen gerade von einem Exporteur zu einem Importeur. Bei Grobgetreide, wozu hauptsächlich Mais zählt, werden v.a. aufgrund des steigenden Bedarfs an Futtermitteln dauerhafte Nettoimporte in Höhe von etwa 3 Mio. Tonnen
prognostiziert (Grafik 8).

Dabei ist diese Schätzung recht konservativ: Andere Prognosen sehen die Importe bis Mitte des Jahrzehnts auf 15 Mio. Tonnen jährlich hochschnellen. Anders als bei Weizen besteht bei Mais in China ein hohes Potenzial zur Steigerung der Flächenerträge, die mit 5 Tonnen je Hektar weit unter denen etwa der USA mit 9 Tonnen liegen. Kann dieses Potenzial realisiert werden, würde dies die Marktbilanz entlasten. Der Chef der Futtermittelabteilung des staatlichen Getreideimporteurs Cofco rechnet damit, dass auch künftig das Angebot die Nachfrage im Regelfall decken wird.

Dass das Riesenland selbst bei ‚kleineren’ Abweichungen in der Lage ist, die internationalen Märkte in Unruhe zu versetzen, zeigten die Preissteigerungen bei Mais im Gefolge der ersten Importe Chinas seit vier Jahren in diesem Frühjahr. Regelmäßig reagiert auch der Sojabohnenmarkt sensibel auf Nachrichten aus China. Die chinesischen Sojabohnenimporte sind innerhalb weniger Jahre enorm in die Höhe geschossen und absorbieren mittlerweile über die Hälfte der weltweiten Einfuhren. Da der Verbrauch an Sojabohnen auch im laufenden Jahr 2010/11 weiter kräftig zulegen sollte, dürfte bei den Importen in dieser Saison ein weiterer Rekord verzeichnet werden: Nach gut 50 Mio. Tonnen 2009/10 dürften nun 55 Mio. Tonnen eingeführt werden, was mehr als dem Dreifachen der landeseigenen Produktion entspricht (Grafik 7).




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