Oil Markets Monthly

Ölkatastrophe im Golf von Mexiko bremst Explorationstätigkeit
Dem britischen Öl- und Gasunternehmen BP gelingt es seit Anfang Juni, das weiterhin aus dem Bohrloch der Ölplattform Deepwater Horizon austretende Rohöl zumindest teilweise aufzufangen. So konnte der Konzern einen Trichter auf die gekappte Steigleitung des Bohrlochs setzen und auf diese Weise einen Teil des auslaufenden Öls über eine Leitung auf Tanker abpumpen. Schon vor der Installation des Trichters hatte es unterschiedliche Aussagen darüber gegeben, wie hoch die Menge des austretenden Öls ist.
Schätzungen darüber waren immer weiter nach oben revidiert worden. Anfangs meldete BP, dass wohl 1.000 Barrel Öl pro Tag ins Meer strömen würden, diese Zahl wurde kurze Zeit später mit 5.000 Barrel angegeben. Ende Mai sprach die US-Regierung von einem Ölausfluss zwischen 12.000 und 19.000 Barrel täglich. Mitte Juni wurde die Bandbreite von Experten bereits auf 20.000 bis 40.000 veranschlagt und nach der aktuellsten Schätzung auf 35.000 bis 60.000 Barrel erhöht. Doch auch noch höhere Werte sind nicht ausgeschlossen. Wie viel von der austretenden Ölmenge BP derzeit auffangen kann, ist ebenfalls mit großen Unsicherheiten behaftet. Unter der Annahme, dass tatsächlich Öl in einer Größenordnung zwischen 35.000 und 60.000 Barrel pro Tag ins Meer fließt, kann BP davon zwischen einem Drittel und der Hälfte abpumpen.
Die Ölkatastrophe hat gravierende ökologische und ökonomische Auswirkungen. So hat die betroffene US-Küstenregion mit einer beispiellosen Verschmutzung der Gewässer und der entsprechenden Küstenabschnitte zu kämpfen, worunter die Flora und Fauna stark leiden werden. Die Folgen für die Umwelt dürften auch noch Jahre später sichtbar sein. Gleichzeitig ist die für die Region wichtige Fischerei in den verschmutzten Gewässern zum Erliegen gekommen, was zusammen mit den Einbußen im Tourismusgeschäft die Bundesstaaten vor unlösbare Probleme stellt.
Die Frage ist nun, wie es weitergehen soll. Die US-Regierung hat nach der Explosion der Deepwater Horizon neue Bohrungen zu Forschungs- und Entwicklungszwecken in einer Wassertiefe von mehr als 152 m zunächst für sechs Monate ausgesetzt - bis zur Wiederaufnahme der Bohrungen sollten die Ursachen der Katastrophe geklärt werden. Zuletzt wurde jedoch das Verbot per Gerichtsbeschluss aufgehoben, womit der Klage von 32 Ölunternehmen stattgegeben worden ist. Die US-Regierung kündigte allerdings an, gegen das Urteil Berufung einlegen zu wollen. Die Geschehnisse machen deutlich, welche Entwicklung die derzeitige Situation nehmen könnte. Erst Ende März hatte Präsident Obama Vorschläge dargelegt, weitere küstennahe Gewässer zur Ölexploration freizugeben. Dabei handelt es sich um Gebiete bei Alaska und an der Atlantikküste sowie den östlichen Golf von Mexiko.
Doch angesichts der aktuellen Krisenstimmung werden Tiefseebohrungen immer stärker in Frage gestellt, womit es unwahrscheinlich erscheint - zumindest in der nahen Zukunft -, dass weitere Regionen für Explorationszwecke freigegeben werden. Besonders riskante Unterwasserprojekte könnten nicht nur aufgeschoben, sondern sogar verboten werden. Das könnte einen erheblichen Verlust für die US-Ölproduktion in den kommenden Jahren bedeuten, denn das Mineral Management Service (MMS) schätzt, dass 39 bis 65 Mrd. Barrel Öl in diesen Gewässern schlummern. Selbst wenn bestehende Tiefseeprojekte fortgeführt werden und neue Vorhaben umgesetzt werden können, dürfte dies nur unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen der Fall sein, was die Kosten der Ölkonzerne erhöht und damit die Ölförderung weniger attraktiv macht.
Ein Pauschalverbot von Tiefseebohrungen in den USA erscheint dagegen kaum vorstellbar. Denn das würde die Abhängigkeit der USA von Rohölimporten deutlich erhöhen; eine Situation, die das Land gerade vermeiden möchte. Die Energy Information Administration (EIA) gibt an, dass die nachgewiesenen Reserven für die USA im Jahr 2008 bei etwas über 19 Mio. Barrel lagen, gut 20% davon sind Offshore-Reserven. Außerdem dürften die US-Regierung und die einzelnen Bundesstaaten an den aus den Tiefseebohrungen resultierenden Einnahmen stark interessiert sein - insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Staatsverschuldung.
Auch die internationalen Ölunternehmen sind auf nur schwer zugängliche Öllagerstätten - wie die Tiefsee – angewiesen. Denn nach Zahlen von BP hat die OPEC 2009 77% aller weltweit nachgewiesenen Ölreserven auf sich vereint. Die OECD-Staaten hatten dagegen nur einen Anteil von knapp 7% an den Weltölreserven. Die besonders ölreichen Staaten haben die Förderung an eigene Staatskonzerne übertragen, so dass die internationalen Ölfirmen immer stärker auf Förderlizenzen in Regionen zurückgreifen müssen, die nur schwer zugänglich sind und wo die Förderung vergleichsweise teuer ist. Ein Wegfall der Tiefseeförderung in den USA und in anderen Regionen würde den westlichen Ölunternehmen ein wesentliches Betätigungsfeld entziehen.

© Sintje Diek
Economics & Research
Quelle: HSH Nordbank AG
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