Oil Markets Monthly
30.06.2010 | Sintje Diek (HSH Nordbank)
Ölpreisentwicklung
Nachdem die Ölpreise kurzfristig schon die Marke von 90 USD/Barrel in Visier genommen hatten, sind sie in der Hochphase der europäischen Schuldenkrise Anfang Mai eingeknickt und unter 70 USD/Barrel gefallen. Zuletzt konnten sie sich wieder etwas erholen, doch die Reaktion der Ölpreise macht deutlich, wie stark der Ölmarkt inzwischen als Assetklasse gesehen wird. Die Korrelation zwischen dem Ölpreisniveau und der allgemeinen Marktstimmung ist in der letzten Zeit erstaunlich hoch gewesen. Allerdings spielen dabei auch fundamentale Faktoren eine Rolle: Mit der europäischen Schuldenkrise und der daraus resultierenden Unsicherheit wuchsen die Konjunktursorgen und damit die Angst vor einer wieder einbrechenden Ölnachfrage.
Ausgehend von dem derzeitigen Ölpreisniveau rechnen wir damit, dass sich die Ölpreise in den nächsten Monaten per saldo weiter aufwärts bewegen sollten. Dies dürfte allerdings mit einer vergleichsweise hohen Volatilität einhergehen, so dass auch wieder niedrigere Ölpreisniveau ins Visier rücken könnten. Die europäische Schuldenkrise ist noch längst nicht überstanden, was sich an den aktuellen Spread-Ausweitungen bei Staatsanleihen ablesen lässt. Diesbezügliche Negativmeldungen könnten daher die Ölpreise erneut kurzfristig unter Abwärtsdruck setzen. Insgesamt ist jedoch der Trend zu höheren Ölpreisen intakt.
In der zweiten Jahreshälfte sollte die weltweite Ölnachfrage weiter anziehen, womit sie nach der Prognose der International Energy Agency (IEA) mit 86,4 Mio. bpd knapp das Vorkrisenniveau von 2008 übersteigen dürfte. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies ein Plus von 2%, das fast ausschließlich von den Nicht-OECD-Ländern kommt. Dies dürfte den Ölpreisen Auftrieb verleihen, auch wenn die konjunkturelle Erholung mit erheblichen Risiken verbunden ist. Vor allem die hohe Staatsverschuldung sollte Bremsspuren in der Wachstumsdynamik vieler Länder hinterlassen. Entsprechend rechnen wir mit einem Ölpreis von 90 USD/Barrel zum Jahresende. Die Angebotsseite dürfte in der nächsten Zeit kaum restriktiv wirken, denn zum einen können die Nicht OPEC-Staaten nach Angabe der IEA noch einmal ihr Angebot auf 52,3 Mio. bpd ausweiten, ein Plus von 1,6% gegenüber dem Vorjahr.
Auch die Förderdisziplin der OPEC sollte angesichts der höheren Ölpreise weiter abnehmen - im Rahmen der Finanzmarktkrise hatte das Kartell umfangreiche Angebotskürzungen angekündigt, diese jedoch in den vergangenen Monaten zu einem immer geringeren Anteil umgesetzt -, was zusammen mit den hohen Lagerbeständen zu einer reichlichen Versorgung auf dem Ölmarkt führt. Erst im kommenden Jahr dürften wieder längerfristige Angebotsängste eine Rolle spielen und die Ölpreise weiter aufwärts tendieren lassen. U.E. könnte der Ölpreis zur Jahresmitte 2011 bei 95 USD/Barrel liegen.
US-Lagerbestände
Die Rohöllagerbestände haben sich in den vergangenen Wochen weitgehend seitwärts entwickelt und markieren derzeit ein Niveau von 365,1 Mio. boe. Damit bewegen sie sich weiterhin deutlich oberhalb ihres 5-Jahresdurchschnitts und zeigen bisher keine eindeutig rückläufige Tendenz. Dafür verantwortlich sind die Rohölimporte, die sich seit Ende April per saldo sogar leicht auf 0,1 Mio. bpd erhöht haben. Die Raffinerien verzeichneten darüber hinaus über die vergangenen Wochen keine bessere Auslastung, wodurch die Rohöllagerbestände auch aus dieser Richtung nicht belastet wurden. Die Auslastung der Kapazitäten liegt bei 89,4% - nachdem diese im April oberhalb ihres normalen saisontypischen Niveaus gelegen hatte, ist sie nun wieder darunter gefallen.
Die Benzinlagerbestände sind im Laufe der letzten Wochen deutlich zurückgegangen und markieren derzeit ein Niveau von 217,6 Mio. boe. Zum Vergleich, Ende April standen sie noch bei 224,9 Mio. boe. Die gesunkenen Lagerbestände sind auf die im Zuge der Summer Driving Season höhere Benzinnachfrage zurückzuführen. Trotz des Rückgangs befinden sich die Benzinlager weiterhin oberhalb ihres 5-Jahresdurchschnitts.
Die Destillatelagerbestände sind seit Ende April leicht nach oben geklettert und stehen aktuell bei 156,9 Mio. boe. Damit entfernen sie sich weiter von einem normalen saisontypischen Niveau, auch wenn sich die Nachfrage nach Destillaten im Vergleich zu den Vorjahresständen allmählich erholt.
Weitere Informationen
Ölkatastrophe im Golf von Mexiko bremst Explorationstätigkeit
Dem britischen Öl- und Gasunternehmen BP gelingt es seit Anfang Juni, das weiterhin aus dem Bohrloch der Ölplattform Deepwater Horizon austretende Rohöl zumindest teilweise aufzufangen. So konnte der Konzern einen Trichter auf die gekappte Steigleitung des Bohrlochs setzen und auf diese Weise einen Teil des auslaufenden Öls über eine Leitung auf Tanker abpumpen. Schon vor der Installation des Trichters hatte es unterschiedliche Aussagen darüber gegeben, wie hoch die Menge des austretenden Öls ist.
Schätzungen darüber waren immer weiter nach oben revidiert worden. Anfangs meldete BP, dass wohl 1.000 Barrel Öl pro Tag ins Meer strömen würden, diese Zahl wurde kurze Zeit später mit 5.000 Barrel angegeben. Ende Mai sprach die US-Regierung von einem Ölausfluss zwischen 12.000 und 19.000 Barrel täglich. Mitte Juni wurde die Bandbreite von Experten bereits auf 20.000 bis 40.000 veranschlagt und nach der aktuellsten Schätzung auf 35.000 bis 60.000 Barrel erhöht. Doch auch noch höhere Werte sind nicht ausgeschlossen. Wie viel von der austretenden Ölmenge BP derzeit auffangen kann, ist ebenfalls mit großen Unsicherheiten behaftet. Unter der Annahme, dass tatsächlich Öl in einer Größenordnung zwischen 35.000 und 60.000 Barrel pro Tag ins Meer fließt, kann BP davon zwischen einem Drittel und der Hälfte abpumpen.
Die Ölkatastrophe hat gravierende ökologische und ökonomische Auswirkungen. So hat die betroffene US-Küstenregion mit einer beispiellosen Verschmutzung der Gewässer und der entsprechenden Küstenabschnitte zu kämpfen, worunter die Flora und Fauna stark leiden werden. Die Folgen für die Umwelt dürften auch noch Jahre später sichtbar sein. Gleichzeitig ist die für die Region wichtige Fischerei in den verschmutzten Gewässern zum Erliegen gekommen, was zusammen mit den Einbußen im Tourismusgeschäft die Bundesstaaten vor unlösbare Probleme stellt.
Die Frage ist nun, wie es weitergehen soll. Die US-Regierung hat nach der Explosion der Deepwater Horizon neue Bohrungen zu Forschungs- und Entwicklungszwecken in einer Wassertiefe von mehr als 152 m zunächst für sechs Monate ausgesetzt - bis zur Wiederaufnahme der Bohrungen sollten die Ursachen der Katastrophe geklärt werden. Zuletzt wurde jedoch das Verbot per Gerichtsbeschluss aufgehoben, womit der Klage von 32 Ölunternehmen stattgegeben worden ist. Die US-Regierung kündigte allerdings an, gegen das Urteil Berufung einlegen zu wollen. Die Geschehnisse machen deutlich, welche Entwicklung die derzeitige Situation nehmen könnte. Erst Ende März hatte Präsident Obama Vorschläge dargelegt, weitere küstennahe Gewässer zur Ölexploration freizugeben. Dabei handelt es sich um Gebiete bei Alaska und an der Atlantikküste sowie den östlichen Golf von Mexiko.
Doch angesichts der aktuellen Krisenstimmung werden Tiefseebohrungen immer stärker in Frage gestellt, womit es unwahrscheinlich erscheint - zumindest in der nahen Zukunft -, dass weitere Regionen für Explorationszwecke freigegeben werden. Besonders riskante Unterwasserprojekte könnten nicht nur aufgeschoben, sondern sogar verboten werden. Das könnte einen erheblichen Verlust für die US-Ölproduktion in den kommenden Jahren bedeuten, denn das Mineral Management Service (MMS) schätzt, dass 39 bis 65 Mrd. Barrel Öl in diesen Gewässern schlummern. Selbst wenn bestehende Tiefseeprojekte fortgeführt werden und neue Vorhaben umgesetzt werden können, dürfte dies nur unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen der Fall sein, was die Kosten der Ölkonzerne erhöht und damit die Ölförderung weniger attraktiv macht.
Ein Pauschalverbot von Tiefseebohrungen in den USA erscheint dagegen kaum vorstellbar. Denn das würde die Abhängigkeit der USA von Rohölimporten deutlich erhöhen; eine Situation, die das Land gerade vermeiden möchte. Die Energy Information Administration (EIA) gibt an, dass die nachgewiesenen Reserven für die USA im Jahr 2008 bei etwas über 19 Mio. Barrel lagen, gut 20% davon sind Offshore-Reserven. Außerdem dürften die US-Regierung und die einzelnen Bundesstaaten an den aus den Tiefseebohrungen resultierenden Einnahmen stark interessiert sein - insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Staatsverschuldung.
Auch die internationalen Ölunternehmen sind auf nur schwer zugängliche Öllagerstätten - wie die Tiefsee – angewiesen. Denn nach Zahlen von BP hat die OPEC 2009 77% aller weltweit nachgewiesenen Ölreserven auf sich vereint. Die OECD-Staaten hatten dagegen nur einen Anteil von knapp 7% an den Weltölreserven. Die besonders ölreichen Staaten haben die Förderung an eigene Staatskonzerne übertragen, so dass die internationalen Ölfirmen immer stärker auf Förderlizenzen in Regionen zurückgreifen müssen, die nur schwer zugänglich sind und wo die Förderung vergleichsweise teuer ist. Ein Wegfall der Tiefseeförderung in den USA und in anderen Regionen würde den westlichen Ölunternehmen ein wesentliches Betätigungsfeld entziehen.
© Sintje Diek
Economics & Research
Quelle: HSH Nordbank AG
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