Jan Baltensweiler: Kupfer schlägt Alarm
Interview mit Simon Hunt, Dubai – Dezember 2025
In der heutigen Welt könnte es jedoch etwas Dunkleres sein – ein Barometer für Konflikte.
Von den Anleihemärkten bis zu den Schlachtfeldern verbindet Kupfer die Weltwirtschaft, die Geldpolitik und die moderne Kriegsführung. Während sich Investoren auf die zukünftige Nachfrage von Rechenzentren und grünen Stromnetzen konzentrieren, sieht Simon Hunt unter der Oberfläche eine andere Entwicklung: verlangsamtes Wachstum, steigende Zinsen, überlastete Märkte – und eine Welt, die sich still und leise auf anhaltende geopolitische Spannungen vorbereitet.
In diesem Interview spricht Jan Baltensweiler – von Greyerz (Englisch) mit Simon Hunt, Gründer von Simon Hunt Strategic Services, darüber, warum Kupfer nicht nur Warnsignale für die Märkte sendet, sondern auch für die sich abzeichnende Kriegswirtschaft.
Hintergrund und analytischer Rahmen
Jan Baltensweiler: Könnten Sie für Leser, die Sie vielleicht noch nicht kennen, kurz Ihren Hintergrund und Ihren analytischen Ansatz skizzieren?
Simon Hunt: Ich beschäftige mich seit 1975 mit Prognosen für die Kupferindustrie. Ich begann meine Karriere im Kupfersektor im südlichen Afrika, bevor ich nach London zog, um bei Anglo American zu arbeiten. Später sammelte ich Erfahrungen auf den Finanzmärkten in der Londoner City und gründete schließlich Brook Hunt Associates, das ich 20 Jahre lang leitete. Heute leite ich Simon Hunt Strategic Services.
"Meine Arbeit beginnt immer mit Kupfer, aber Kupfer allein ist nie die ganze Geschichte. Um sie richtig zu verstehen, muss man die gesamte Weltwirtschaft betrachten – Geopolitik, Zinssätze, Inflation, Anleihemärkte und das Vertrauen in die Finanzmärkte. Kupfer ist das Endergebnis des Zusammenspiels dieser Kräfte."
Kupfer als wirtschaftliches Signal
Jan Baltensweiler: Die Beziehung zwischen Gold und Kupfer wird oft diskutiert. Was sagt sie uns heute?
Simon Hunt: Die Beziehung zwischen Gold und Kupfer ist ein wichtiges makroökonomisches Signal. Im vergangenen Jahr ist das Gold-Kupfer-Verhältnis stark gesunken. Analysten, die dieses Verhältnis beobachten, sehen darin eine Warnung, dass die Weltwirtschaft zunehmend mit Gegenwind zu kämpfen hat.
Praktisch bedeutet dies, dass sich der Kupferverbrauch wahrscheinlich nicht beschleunigen wird. Im besten Fall bleibt die Nachfrage unverändert, im schlimmsten Fall könnte sie in den nächsten neun Monaten zurückgehen.
"Das Gold-Kupfer-Verhältnis bestätigt nicht den Wachstumsoptimismus an den Märkten. Es signalisiert, dass die Weltwirtschaft mit Gegenwind zu kämpfen hat."
Dies steht im Gegensatz zu den derzeit sehr optimistischen Erwartungen, die in den Diskussionen rund um Kupfer zum Ausdruck kommen.
Normale Konjunkturabschwächung oder strukturelle Krise?
Jan Baltensweiler: Stehen wir vor einer normalen Konjunkturabschwächung oder vor etwas Schwerwiegenderem?
Simon Hunt: Das ist die entscheidende Frage. Handelt es sich lediglich um eine zyklische Abschwächung, sind die Auswirkungen überschaubar. Ist es mehr als das, sind die Folgen für die Märkte – und für Kupfer – weitaus gravierender.
Meiner Meinung nach stehen wir vor einer Reihe eskalierender Krisen. Wir haben bereits den Beginn einer Minikrise an den Aktienmärkten gesehen, die sich wahrscheinlich bis Anfang Januar hinziehen wird. Darauf dürfte im zweiten Quartal des nächsten Jahres eine viel größere Krise folgen.
"Die schwerwiegendste Phase dürfte 2027–2028 eintreten, wenn das Vertrauen zusammenbricht und die Aktienmärkte auf ein Niveau fallen, das heute kaum vorstellbar ist."
Dies ist kein einzelnes Ereignis, sondern ein Prozess.
Die Rolle der Anleihemärkte
Jan Baltensweiler: Was treibt diese Prognose an?
Simon Hunt: Die Anleihemärkte spielen dabei eine zentrale Rolle. Anleiheinvestoren – die sogenannten "Anleihe-Vigilante" – werden reale Renditen für ihr Kapital verlangen.
Bei einer Inflation von über 8% bedeutet dies, dass die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen bis zur zweiten Hälfte des Jahres 2027 in den zweistelligen Bereich steigen könnten. Eine Entwicklung dieser Größenordnung hätte tiefgreifende Auswirkungen.
"Wenn Anleiheinvestoren in einem Umfeld mit 8% Inflation auf reale Renditen bestehen, ist mit zweistelligen Renditen für 10-jährige Staatsanleihen zu rechnen. Das hätte erhebliche Auswirkungen auf Risikoanlagen."
In den nächsten zwei bis drei Jahren dürften die Märkte daher extrem volatil sein, mit starken Aufschwüngen, gefolgt von starken Rückgängen. Jede Krise kann zu einer vorübergehenden Erholung führen, aber der Gesamtprozess deutet auf einen viel schwerwiegenderen Zusammenbruch später in diesem Jahrzehnt hin – etwas, das einer Depression ähneln könnte.
Politisches Risiko
Jan Baltensweiler: Was wäre in diesem Zusammenhang der größte Fehler, den die Politik als Nächstes machen könnte?
Simon Hunt: Eine Senkung der Zinssätze.
"Der größte politische Fehler wäre derzeit eine Zinssenkung.
Das würde nur noch größere Probleme für später nach sich ziehen."
Kupfer und die Realität des Krieges
Jan Baltensweiler: Kupfer wird zunehmend in einem geopolitischen und militärischen Kontext diskutiert. Warum ist das so?
Simon Hunt: Kupfer ist für die moderne Kriegsführung unverzichtbar. Es wird in Munition, Panzern, Marineschiffen, Kampfflugzeugen, Drohnen, Raketen, Kommunikationssystemen und der unterstützenden elektrischen Infrastruktur verwendet.
Etwa 12% des weltweiten Kupferverbrauchs stehen heute bereits im Zusammenhang mit militärischen Anforderungen.
"Die größten Verbraucher von Kupfer für militärische Zwecke sind nicht die Vereinigten Staaten, sondern Russland und China, gefolgt von den USA. Das sagt einiges darüber aus, wo strategische Vorbereitungen getroffen werden."
Aus diesem Grund muss Kupfer zunehmend nicht nur als Industriemetall betrachtet werden, sondern als strategische Ressource im Zentrum einer sich langsam entwickelnden Kriegswirtschaft.
Sind die Kupferpreise falsch ausgerichtet?
Jan Baltensweiler: Wie beurteilen Sie das aktuelle Kupferpreisniveau?
Simon Hunt: Der Markt wird derzeit weitgehend vom Optimismus hinsichtlich der zukünftigen Nachfrage durch Rechenzentren und der weltweiten Modernisierung der Stromnetze angetrieben. Viele Analysten sind jedoch zu optimistisch, was den Zeitpunkt dieser Nachfrage angeht.
Sie ist noch nicht in den Auftragsbüchern der Hersteller zu sehen, aber der Markt hat sie bereits eingepreist.
"Angesichts der wirtschaftlichen und geopolitischen Lage erscheinen die Kupferpreise mit ihrem aktuellen Niveau von rund 11.500 viel zu optimistisch."
Da es unwahrscheinlich ist, dass sich die Weltwirtschaft in den nächsten sechs bis neun Monaten beschleunigen wird, halte ich eine deutliche Korrektur der Kupferpreise für sehr wahrscheinlich.
Abschließende Perspektive für Anleger
Kupfer spiegelt seit jeher die Gesundheit der Weltwirtschaft wider. Heute spiegelt es auch die Lage der Geopolitik, der Kapitalmärkte und der militärischen Bereitschaft wider.
Für vermögende Privatanleger und institutionelle Anleger geht es weniger darum, auf die nächste Bewegung des Kupferpreises zu setzen, sondern vielmehr um Risiko, Timing und Kapitalerhalt in einer Welt, in der finanzielle und geopolitische Zyklen zunehmend miteinander verflochten sind.
Es signalisiert Stress – wirtschaftlich, finanziell und geopolitisch."
Dieses Signal sollte nicht ignoriert werden.
© Jan Baltensweiler
Der Artikel wurde am 12. Dezember 2025 auf www.simonhuntstrategicservices.substack.com veröffentlicht und exklusiv für RohstoffWelt übersetzt.




