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Ölmarkt: Anatomie einer Blase (Teil I)

15.05.2008  |  Eugen Weinberg
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... vor allem aber treibt die Investorennachfrage derzeit den Ölpreis

Warum denken wir denn, dass es vor allem die Investorennachfrage ist, die die Preise derzeit so in die Höhe schießen lässt? In den letzten Monaten hat sich das Bild am Ölmarkt eher eingetrübt: die mögliche Rezession in den USA, dem größten Ölverbraucher weltweit, und die weitreichenden Konsequenzen für die Weltwirtschaft, höhere als noch in den Vorjahren Lagerbestände für Rohöl und Ölprodukte und die sich eintrübenden Aussichten für die Nachfrage - IEA, die Internationale Energieagentur hat nun ihre Prognose für die Nachfragesteigerung in diesem Jahr erneut nach unten revidiert, von 2 Mio. Barrel im Januar auf lediglich 1 Mio. Barrel pro Tag. Deswegen legen die nahezu exponentielle Preisentwicklung bei Rohöl und die extrem hohe Volatilität in Abwesenheit neuer fundamentaler positiver Erkenntnisse den Verdacht nahe, dass der Preisanstieg nicht ausschließlich auf fundamentale Faktoren zurückzuführen ist.

Allein in den letzten drei Monaten hat der Ölpreis knapp 35% zugelegt, obwohl sich die Anzeichen einer Rezession in den USA eher verdichtet haben. Deswegen suchen wir nach den Triebfedern für die massiven Anstiege am aktuellen Rand woanders. Rohstoffe haben sich in den letzten Jahren zu einer alternativen Anlageklasse entwickelt und etabliert. Vor allem die Einführung des Begriffs “Roll-Rendite“, der die Preisdifferenz zwischen den Kassa- und Terminpreisen beschreibt, hat dies ermöglicht. Diese Differenz ist bei den Rohstoffen im Gegensatz zu den traditionellen Anlageklassen wie Aktien und Renten positiv (dieses Phänomen ist bekannt als Backwardation), weshalb der Anleger eine positive Rendite generiert, wenn der Kassakurs für Rohöl unverändert bleibt.

Viele Marktteilnehmer verstehen die Roll-Rendite als eine Couponzahlung, die beim Kontraktwechsel, einem unabdingbaren Teil jedes passiven Rohstoffindex-Investments, fällig ist. Dies ist jedoch irreführend, weil beim Kontraktwechsel kein Gewinn entsteht. Der Ölpreis bewegt sich meistens nicht entlang Terminkurve, weshalb sich der Kassakurs am Fälligkeitsdatum vom damaligen Futures-Preis unterscheidet. Diese “Roll-Rendite“ war in der jüngsten Vergangenheit stets positiv, weil die Ölpreise nur einen Weg kannten und die Futures-Preise auch immer gestiegen sind. Zahlreiche Hedge-Fonds, Privatanleger und institutionelle Investoren haben für sich diese neue Anlageklasse aus unterschiedlichen Gründen entdeckt.

Das Steigerungspotenzial und die Qualitäten der Rohstoffe als Schutz gegen steigende Inflation und einer Abwertung des US-Dollar sind dabei bei weitem nicht so wichtig wie die Diversifizierungsvorteile der Rohstoffe. Die Preise für Rohstoffe entwickeln sich in verschiedenen Phasen des Wirtschaftszyklus unterschiedlich und unabhängig von den Kursen von Aktien und Renten. Vor allem die passiven Investments, die auf den großen Rohstoff-Indizes von S&P GSCI und Dow Jones-AIG Indizes basieren, haben deutlich zugelegt.

Die Quantifizierung des investierten Kapitals ist schwierig, weil die Zahlen nicht regelmäßig erfasst und veröffentlicht werden. Schätzungen zufolge sind aber insbesondere dank der jüngsten Zuflüssen die Volumina der hauptsächlich passiven Rohstoff-Investments auf rund 240 Milliarden US-Dollar angewachsen. Allein seit Anfang dieses Jahres sind schätzungsweise 60 Milliarden US-Dollar bzw. 30% zusätzlich neu in den Rohstoffmarkt gespült worden. Dies ist einerseits sehr viel vor allem angesichts der Tatsache, dass noch im Jahr 2001 lediglich 5 Milliarden USD investiert waren.

Andererseits, wenn Rohstoffe tatsächlich von allen institutionellen Anlegern als eine Anlageklasse angesehen werden, ist das Potenzial noch sehr hoch. Insgesamt sind über 200 Billionen USD weltweit in Aktien und Renten investiert. Wenn davon in der Zukunft lediglich 5% in die Rohstoffe investiert werden, könnte sich das Anlagevolumen auf 10 Billionen vervielfachen. Dies ist unserer Sicht derzeit das stärkste Argument für langfristig steigende Ölpreise. Allerdings denken wir nicht, dass die Anleger bereit sein werden, zu jedem Preis in den Ölmarkt einzusteigen.

Auch die Entwicklung der Umsätze an den Warenterminbörsen weltweit bestätigt das gestiegene Anlegerinteresse. Die Anzahl der offenen Kontrakte (Futures & Optionen) auf WTI-Rohöl an der NYMEX hat sich seit Anfang 2004 mehr als verdreifacht (Grafik4). Deren Nominalwert hat sich in dieser Zeit sogar fast verzehnfacht und beträgt derzeit 380 Mrd. Dollar. Besonders prekär dabei ist der Vergleich zwischen dem Produktions- und dem Börsenvolumen bei Rohöl. Während die Produktion der Ölsorten, die zur Lieferung als WTI an der NYMEX berechtigt sind, lediglich 300-400 Tsd. Barrel täglich beträgt, liegt das Handelsvolumen der WTI-Futures bei umgerechnet 500-600 Mio. Barrel. Die außerbörslichen Umsätze dürften die Börsenumsätze sogar um das Mehrfache übersteigen.

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Die typischen Anzeichen einer spekulativen Blase sind jetzt am Ölmarkt zu erkennen

Warum denn gleich eine Blase? Zunächst einmal sollte in diesem Fall das Wort Blase nicht mit einem sehr negativen Vorzeichen versehen werden. Unter einer Blase verstehen wir in diesem Fall lediglich eine extreme unbegründete Übertreibung meist spekulativer Natur, die sich völlig von der realen Wirtschaftsenwicklungen abkoppelt und die durchaus langfristige negative Konsequenzen für den jeweiligen Markt haben könnte. Im Gegensatz zu den unter den Marktteilnehmern verbreiteten Theorien, die Anlegern ein rationales Verhalten unterstellen, kommt es an Aktien-, Immobilien- und anderen Märkten immer wieder zu diesen irrationalen Übertreibungen.

Die Börse und die Börsianer lassen sich oft von den kurzfristigen Entwicklungen psychologisch beeinflussen und die Kurse entfernen sich zu weit von den fundamental nachvollziehbaren und gerechtfertigten Niveaus, was oft mit einer anschließenden Übertreibung nach unten endet. Obwohl alle Blasen unterschiedlich sind, verschiedene Hintergründe haben und unterschiedliches Ausmaß annehmen, kann ihr Verlauf oft typisiert werden, weil ihre Abläufe sehr ähnlich sind. Auch der charttechnisch “saubere“ Verlauf des Ölpreises ist ein Indiz dafür, dass dieser Markt von den Finanzanlegern stark beeinflusst wird. Man kann die langfristige Blasenbildung oft in drei Phasen unterteilen:





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