Energie - Ausblick 2016: Angebotsflut geht zurück


Da das Überangebot zum Ende des Jahres abgebaut sein sollte, dürfte sich der Ölpreis in der zweiten Jahreshälfte deutlich erholen. Dadurch begünstigt dürfte auch der Dieselpreis vom gegenwärtig sehr niedrigen Niveau steigen. Die US-Gasproduktion verlangsamt sich nur allmählich, so dass für den Preis von Henry Hub kurzfristig nur wenig Potenzial nach oben besteht. Der Kohlemarkt ist wegen der schwächelnden Importnachfrage Chinas ebenfalls überversorgt. Im Emissionshandel dürften die Preise wegen der politischen Interventionen weiter steigen.
Die Preisentwicklung im Energiesektor zählt 2015 wohl zu den größten Überraschungen. Hatten die meisten zu Jahresbeginn vor allem am Ölmarkt noch mit einer schwierigen ersten Jahreshälfte gerechnet, war der Preiseinbruch von rund 30% in der zweiten Jahreshälfte wohl die eigentliche Überraschung (Grafik 1). Schließlich hatte sich der Preis für Brentöl bis Jahresmitte auf gut 60 USD je Barrel erholt. Die Ursachen für den folgenden Einbruch sind weniger auf der Nachfrageseite zu suchen. Denn auch wenn sich die Wirtschaftsdynamik in China abschwächte, wächst die globale Ölnachfrage unter anderem dank der niedrigeren Preise so stark wie zuletzt nach der Finanz- und Wirtschaftskrise.
Doch das kräftige Nachfragewachstum wurde von der Ausweitung des Angebots übertroffen: Die OPEC produziert heute gut 1,5 Mio. Barrel pro Tag mehr als Ende letzten Jahres, Russlands Ölproduktion ist auf ein neues Rekordhoch geklettert und selbst die US-Produktion hat sich als überraschend robust erwiesen. Die Ölvorräte stiegen daraufhin auf einen Rekordwert. Mit US-Gas und Kohle werden momentan auch zwei andere Energieträger stärker angeboten als nachgefragt: Am US-Gasmarkt ist der doppelt so stark wie erwartete Produktionszuwachs ausschlaggebend, am Kohlemarkt dagegen fehlt Chinas Importnachfrage.
Doch an allen Märkten gilt gleichermaßen: Hatten die hohe Preise in der Vergangenheit eine massive Aufstockung der Investitionsbudgets der Produzenten begünstigt, so sind diese nach dem Preisverfall deutlich zusammengestrichen worden. Die Konsequenzen werden früher oder später zu spüren sein. In der (unkonventionellen) Schieferölförderung werden sie sich im nächsten Jahr zeigen. Wir erwarten deshalb vor allem in diesem Segment eine schnelle Erholung der Preise. Lesen Sie im Detail mehr auf den folgenden Seiten.

Rohöl - Fallende US-Produktion dürfte Markt ins Gleichgewicht bringen
Der Ölmarkt dürfte 2016 von der Frage bestimmt werden, ob, wann und in welchem Ausmaß sich das massive Überangebot verringern wird. Dieses beläuft sich 2015 auf durchschnittlich 1,6 Mio. Barrel pro Tag und ist auf eine deutliche Ausweitung der weltweiten Ölproduktion zurückzuführen. Die OPEC hat ihre Förderung seit Jahresbeginn um 1,5 Mio. Barrel pro Tag ausgeweitet und produzierte zuletzt gut 1 Mio. Barrel pro Tag mehr Rohöl als benötigt.
Verantwortlich ist vor allem eine höhere Ölproduktion in Saudi-Arabien und Irak. Außerhalb der OPEC hat sich das Angebotswachstum zwar deutlich abgeschwächt. Dennoch prognostiziert die Internationale Energieagentur IEA noch immer einen Anstieg um 1,3 Mio. Barrel pro Tag gegenüber dem Vorjahr.
Das Ölangebot legte in diesem Jahr so stark zu, dass selbst eine sehr lebhafte Ölnachfrage damit nicht Schritt halten konnte. Laut aktueller Schätzung der IEA verzeichnet der globale Verbrauch in diesem Jahr einen Anstieg um 1,8 Mio. Barrel pro Tag, was dem stärksten Zuwachs seit dem Nachkrisenjahr 2010 entspricht (Grafik 2).
Die Nachfrage profitierte dabei von den niedrigen Ölpreisen und der verbesserten Arbeitsmarktlage insbesondere in den Industrieländern. Aus diesem Grund trugen neben den Schwellenländern auch die OECD-Länder zur steigenden Ölnachfrage bei. Auf letztere entfiel immerhin ein Drittel des Nachfrageanstiegs. Damit wurde letztlich ein noch größeres Überangebot verhindert.
Im nächsten Jahr dürfte sich das Wachstum der globalen Ölnachfrage spürbar verringern. Die IEA erwartet einen Anstieg von "nur" noch 1,2 Mio. Barrel pro Tag Das ist aber noch immer mehr als die im Durchschnitt der Jahre 2011-2014 erzielten 0,9 Mio. Barrel pro Tag. Von daher stellt der Rückgang des Nachfragewachstums lediglich eine Normalisierung nach dem ungewöhnlich starken Anstieg in diesem Jahr dar. Denn der positive Effekt des Ölpreisrückgangs verliert im nächsten Jahr an Einfluss.
Zudem lässt der konjunkturelle Rückenwind etwas nach. Aus diesem Grund rechnet die IEA damit, dass die Nachfrage in den Industrieländern stagnieren wird. Die globale Ölnachfrage wird somit wieder allein von den Schwellenländern getragen. Der Großteil entfällt dabei auf China und das übrige Asien.
Der Abbau des Überangebots muss daher im nächsten Jahr in erster Linie von der Angebotsseite kommen. Die zentrale Rolle spielt dabei das Ölangebot außerhalb der OPEC. Die IEA prognostiziert für 2016 einen Rückgang um 650 Tsd. Barrel pro Tag. Dies entspricht dem stärksten Rückgang des Nicht-OPEC-Angebots seit dem Jahr 1992 (Grafik 3). Hierfür ist insbesondere die Ölproduktion in den USA verantwortlich. Laut IEA soll die US-Schieferölproduktion 2016 um fast 600 Tsd. Barrel pro Tag fallen.
Die US-Energiebehörde EIA rechnet für das nächste Jahr mit einem Rückgang der US-Rohölproduktion in ähnlicher Größenordnung, wobei das Produktionstief im dritten Quartal erreicht werden soll Dafür spricht der Einbruch der Bohraktivität um mehr als 50% in diesem Jahr. Der überwiegende Teil der Angebotsanpassung wird von den USA kommen müssen, denn außerhalb der USA zeigt sich das Nicht-OPEC-Ölangebot überraschend widerstandsfähig.
In Russland ist die Ölproduktion auf ein Rekordniveau von 10,8 Mio. Barrel pro Tag gestiegen. Für 2016 rechnet die IEA mit einem weiteren Anstieg auf 11,1 Mio. Barrel pro Tag. Die IEA führt dies unter anderem auf die deutliche Abwertung des Russischen Rubel zurück, welcher die Kostenbasis für die russischen Ölproduzenten entlastet hat. Hinzu kam eine Entlastung durch Steuersenkungen für die Ölförderung und die Ölexporte.

Auch in Kanada hat der Ölpreisrückgang bislang noch keine sichtbaren Bremsspuren zur Folge gehabt. Für 2016 rechnet die EIA sogar mit einem geringen Produktionsanstieg auf 4,55 Mio. Barrel pro Tag. Die kanadischen Ölproduzenten dürften vom schwachen Kanadischen Dollar profitieren, welcher die Verluste begrenzt. Zu Produktionskürzungen ist es wohl auch deshalb bislang noch nicht gekommen. Für längere Zeit wird sich dies jedoch nicht durchhalten lassen.