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Energie - Ausblick 2016: Angebotsflut geht zurück

09.12.2015  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)

An vielen Energiemärkten lastet ein hohes Überangebot auf den Preisen. Im nächsten Jahr sollte sich dies vor allem am Ölmarkt ändern, denn das Angebot außerhalb der OPEC sinkt so stark wie seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr.

Da das Überangebot zum Ende des Jahres abgebaut sein sollte, dürfte sich der Ölpreis in der zweiten Jahreshälfte deutlich erholen. Dadurch begünstigt dürfte auch der Dieselpreis vom gegenwärtig sehr niedrigen Niveau steigen. Die US-Gasproduktion verlangsamt sich nur allmählich, so dass für den Preis von Henry Hub kurzfristig nur wenig Potenzial nach oben besteht. Der Kohlemarkt ist wegen der schwächelnden Importnachfrage Chinas ebenfalls überversorgt. Im Emissionshandel dürften die Preise wegen der politischen Interventionen weiter steigen.

Die Preisentwicklung im Energiesektor zählt 2015 wohl zu den größten Überraschungen. Hatten die meisten zu Jahresbeginn vor allem am Ölmarkt noch mit einer schwierigen ersten Jahreshälfte gerechnet, war der Preiseinbruch von rund 30% in der zweiten Jahreshälfte wohl die eigentliche Überraschung (Grafik 1). Schließlich hatte sich der Preis für Brentöl bis Jahresmitte auf gut 60 USD je Barrel erholt. Die Ursachen für den folgenden Einbruch sind weniger auf der Nachfrageseite zu suchen. Denn auch wenn sich die Wirtschaftsdynamik in China abschwächte, wächst die globale Ölnachfrage unter anderem dank der niedrigeren Preise so stark wie zuletzt nach der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Doch das kräftige Nachfragewachstum wurde von der Ausweitung des Angebots übertroffen: Die OPEC produziert heute gut 1,5 Mio. Barrel pro Tag mehr als Ende letzten Jahres, Russlands Ölproduktion ist auf ein neues Rekordhoch geklettert und selbst die US-Produktion hat sich als überraschend robust erwiesen. Die Ölvorräte stiegen daraufhin auf einen Rekordwert. Mit US-Gas und Kohle werden momentan auch zwei andere Energieträger stärker angeboten als nachgefragt: Am US-Gasmarkt ist der doppelt so stark wie erwartete Produktionszuwachs ausschlaggebend, am Kohlemarkt dagegen fehlt Chinas Importnachfrage.

Doch an allen Märkten gilt gleichermaßen: Hatten die hohe Preise in der Vergangenheit eine massive Aufstockung der Investitionsbudgets der Produzenten begünstigt, so sind diese nach dem Preisverfall deutlich zusammengestrichen worden. Die Konsequenzen werden früher oder später zu spüren sein. In der (unkonventionellen) Schieferölförderung werden sie sich im nächsten Jahr zeigen. Wir erwarten deshalb vor allem in diesem Segment eine schnelle Erholung der Preise. Lesen Sie im Detail mehr auf den folgenden Seiten.

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Rohöl - Fallende US-Produktion dürfte Markt ins Gleichgewicht bringen

Der Ölmarkt dürfte 2016 von der Frage bestimmt werden, ob, wann und in welchem Ausmaß sich das massive Überangebot verringern wird. Dieses beläuft sich 2015 auf durchschnittlich 1,6 Mio. Barrel pro Tag und ist auf eine deutliche Ausweitung der weltweiten Ölproduktion zurückzuführen. Die OPEC hat ihre Förderung seit Jahresbeginn um 1,5 Mio. Barrel pro Tag ausgeweitet und produzierte zuletzt gut 1 Mio. Barrel pro Tag mehr Rohöl als benötigt.

Verantwortlich ist vor allem eine höhere Ölproduktion in Saudi-Arabien und Irak. Außerhalb der OPEC hat sich das Angebotswachstum zwar deutlich abgeschwächt. Dennoch prognostiziert die Internationale Energieagentur IEA noch immer einen Anstieg um 1,3 Mio. Barrel pro Tag gegenüber dem Vorjahr.

Das Ölangebot legte in diesem Jahr so stark zu, dass selbst eine sehr lebhafte Ölnachfrage damit nicht Schritt halten konnte. Laut aktueller Schätzung der IEA verzeichnet der globale Verbrauch in diesem Jahr einen Anstieg um 1,8 Mio. Barrel pro Tag, was dem stärksten Zuwachs seit dem Nachkrisenjahr 2010 entspricht (Grafik 2).

Die Nachfrage profitierte dabei von den niedrigen Ölpreisen und der verbesserten Arbeitsmarktlage insbesondere in den Industrieländern. Aus diesem Grund trugen neben den Schwellenländern auch die OECD-Länder zur steigenden Ölnachfrage bei. Auf letztere entfiel immerhin ein Drittel des Nachfrageanstiegs. Damit wurde letztlich ein noch größeres Überangebot verhindert.

Im nächsten Jahr dürfte sich das Wachstum der globalen Ölnachfrage spürbar verringern. Die IEA erwartet einen Anstieg von "nur" noch 1,2 Mio. Barrel pro Tag Das ist aber noch immer mehr als die im Durchschnitt der Jahre 2011-2014 erzielten 0,9 Mio. Barrel pro Tag. Von daher stellt der Rückgang des Nachfragewachstums lediglich eine Normalisierung nach dem ungewöhnlich starken Anstieg in diesem Jahr dar. Denn der positive Effekt des Ölpreisrückgangs verliert im nächsten Jahr an Einfluss.

Zudem lässt der konjunkturelle Rückenwind etwas nach. Aus diesem Grund rechnet die IEA damit, dass die Nachfrage in den Industrieländern stagnieren wird. Die globale Ölnachfrage wird somit wieder allein von den Schwellenländern getragen. Der Großteil entfällt dabei auf China und das übrige Asien.

Der Abbau des Überangebots muss daher im nächsten Jahr in erster Linie von der Angebotsseite kommen. Die zentrale Rolle spielt dabei das Ölangebot außerhalb der OPEC. Die IEA prognostiziert für 2016 einen Rückgang um 650 Tsd. Barrel pro Tag. Dies entspricht dem stärksten Rückgang des Nicht-OPEC-Angebots seit dem Jahr 1992 (Grafik 3). Hierfür ist insbesondere die Ölproduktion in den USA verantwortlich. Laut IEA soll die US-Schieferölproduktion 2016 um fast 600 Tsd. Barrel pro Tag fallen.

Die US-Energiebehörde EIA rechnet für das nächste Jahr mit einem Rückgang der US-Rohölproduktion in ähnlicher Größenordnung, wobei das Produktionstief im dritten Quartal erreicht werden soll Dafür spricht der Einbruch der Bohraktivität um mehr als 50% in diesem Jahr. Der überwiegende Teil der Angebotsanpassung wird von den USA kommen müssen, denn außerhalb der USA zeigt sich das Nicht-OPEC-Ölangebot überraschend widerstandsfähig.

In Russland ist die Ölproduktion auf ein Rekordniveau von 10,8 Mio. Barrel pro Tag gestiegen. Für 2016 rechnet die IEA mit einem weiteren Anstieg auf 11,1 Mio. Barrel pro Tag. Die IEA führt dies unter anderem auf die deutliche Abwertung des Russischen Rubel zurück, welcher die Kostenbasis für die russischen Ölproduzenten entlastet hat. Hinzu kam eine Entlastung durch Steuersenkungen für die Ölförderung und die Ölexporte.

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Auch in Kanada hat der Ölpreisrückgang bislang noch keine sichtbaren Bremsspuren zur Folge gehabt. Für 2016 rechnet die EIA sogar mit einem geringen Produktionsanstieg auf 4,55 Mio. Barrel pro Tag. Die kanadischen Ölproduzenten dürften vom schwachen Kanadischen Dollar profitieren, welcher die Verluste begrenzt. Zu Produktionskürzungen ist es wohl auch deshalb bislang noch nicht gekommen. Für längere Zeit wird sich dies jedoch nicht durchhalten lassen.



Die jüngste Ablehnung der Keystone-XL-Pipeline durch US-Präsident Obama dürfte keine negativen Auswirkungen haben, da es inzwischen zahlreiche alternative Pipelineprojekte gibt, um das Rohöl von den Ölsandfeldern Albertas in den Mittleren Westen der USA oder an beide kanadische Küsten zu transportieren. Die Nordseeproduktion soll im nächsten Jahr ihren kurzzeitig unterbrochenen Rückgang wieder aufnehmen.

In anderen wichtigen Förderregionen wie in Mexiko, am Kaspischen Meer oder in China ist dagegen kein nennenswerter Produktionsrückgang zu erwarten. In Brasilien soll die Ölproduktion 2016 sogar leicht steigen, was allerdings auch mit einer höheren Ethanolproduktion zu tun hat. Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit, bis die umfangreichen Kürzungen bei den Investitionen seitens der großen Ölkonzerne zu einem Rückgang der Ölproduktion auch außerhalb der USA führen. Laut IEA sollen die Investitionen in diesem Jahr um mehr als 20% gekürzt worden sein und im nächsten Jahr nochmals rückläufig sein.

Durch den Rückgang des Nicht-OPEC-Angebots dürfte sich das Überangebot am Ölmarkt im nächsten Jahr sukzessive verringern. Der Bedarf an OPEC-Öl steigt 2016 laut Schätzung der IEA auf durchschnittlich 31,3 Mio. Barrel pro Tag. Das ist nur etwas weniger als die derzeitige Fördermenge der OPEC. Behält die OPEC ihr gegenwärtiges Produktionsvolumen aufrecht, wäre der globale Ölmarkt ab Mitte 2016 sogar leicht unterversorgt.

Diese Perspektive spricht für moderat steigende Preise im nächsten Jahr. Wir rechnen daher mit einem Preisanstieg bei Brent auf 63 USD je Barrel und bei WTI auf 60 USD je Barrel bis Ende 2016. Ein stärkerer Preisanstieg würde die US-Schieferölproduktion wieder lukrativ machen und hätte somit einen Anstieg des Ölangebots zur Folge. Er wäre somit nicht dauerhaft.

Eine große Unbekannte im kommenden Jahr ist, wie schnell der Iran nach einer Aufhebung der Sanktionen sein Ölangebot ausweiten wird (Grafik 4). Eine für uns realistische Steigerung der iranischen Ölexporte um 500 Tsd. Barrel pro Tag dürfte bereits eingepreist sein. Schließlich geriet der Ölpreis nach der Einigung auf ein Atomabkommen im Juli stark unter Druck. Bei einer stärkeren Angebotsausweitung würde das Überangebot für längere Zeit bestehen bleiben und sich damit die Preiserholung weiter verzögern. Denn es ist unwahrscheinlich, dass die anderen OPEC-Länder freiwillig ihre Produktion zugunsten des Iran reduzieren.

Die Lagerbestände von Rohöl und Ölprodukten in den OECD-Ländern waren laut IEA Ende September auf ein Rekordniveau von nahezu 3 Mrd. Barrel an gestiegen (Grafik 5). Das deckt den Ölbedarf in den OECD-Ländern für mehr als zwei Monate und stellt einen Puffer im Falle von unplanmäßigen Angebotsausfällen dar. Die unsichere Lage in Nordafrika und im Nahen Osten kann jederzeit dazu führen, dass es zu Lieferunterbrechungen kommt. Ein Paradebeispiel hierfür ist Libyen, wo die Ölproduktion aufgrund der angespannten Sicherheitslage seit nunmehr zwei Jahren stark beeinträchtigt ist. Insbesondere die Ölproduktion im Irak muss wegen der Präsenz der Terrormiliz IS in weiten Landesteilen nach wie vor als risikobehaftet gelten.

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Ölprodukte - Diesel im Überfluss, Benzin stark gefragt

Das Angebot an Mitteldestillaten ist zu Winterbeginn mehr als reichlich. Zwischen Februar und August stiegen die Vorräte in den OECD-Ländern laut IEA um mehr als 84 Mio. Barrel und erreichten Ende August mit knapp 600 Mio. Barrel das höchste Niveau seit dem Jahr 2010. Ende September lagen sie trotz eines leichten Rückgangs 36 Mio. Barrel über dem jahreszeitüblichen Niveau (Grafik 6). Daran hat sich bis zuletzt nichts geändert. Die ARA-Gasölbestände liegen aktuell nicht weit vom Anfang Oktober erreichten Rekordniveau. Das Überangebot an Mitteldestillaten wird durch hohe Netto-Exporte aus den USA und China gespeist (Grafik 7).

Diese beiden Länder haben ihre Rohölverarbeitung deutlich ausgeweitet, um die steigende Benzinnachfrage zu befriedigen. Da die Destillatenachfrage deutlich verhaltener ist, steht entsprechend mehr Diesel für den Export zur Verfügung. An dieser Situation dürfte sich 2016 wenig ändern. Denn die Automärkte in den USA und China sind stark benzinlastig. Es wird also weiterhin viel Benzin produziert und das überschüssige Diesel exportiert. Darüber hinaus wird die Dieselnachfrage in China von der nachlassenden Dynamik der Industrieproduktion belastet.

Aufgrund von El Niño sagen Meteorologen zudem einen vergleichsweise milden Winter auf der Nordhalbkugel voraus, was den Heizölbedarf in den USA und Europa geringer ausfallen lassen dürfte als normalerweise üblich. In Europa ist dagegen fast jedes zweite Auto dieselbetrieben. Der VW-Abgasskandal könnte das Interesse an Dieselautos bremsen. Eine Abschaffung des Steuervorteils für Diesel hätte erhebliche negative Auswirkungen auf die zukünftige Nachfrage nach Dieselautos in Europa.

Bis die Dieselnachfrage darauf reagiert, würden allerdings einige Jahre vergehen. Deutlich robuster stellt sich die Nachfragesituation bei Benzin dar. Das dritte Quartal 2015 sah die stärkste Benzinnachfrage in den OECD-Ländern seit mehr als 10 Jahren, wofür insbesondere die USA verantwortlich zeichneten. Die US-Benzinnachfrage profitiert dabei von den deutlich niedrigeren Benzinpreisen und der verbesserten Lage am Arbeitsmarkt. Dadurch begünstigt ziehen auch die Fahrzeugabsätze massiv an. Dies gilt insbesondere für Fahrzeuge mit einem hohen Benzinverbrauch wie SUVs. Daran dürfte sich auch 2016 kaum etwas ändern, zumal die Finanzierungsbedingungen trotz steigender US-Leitzinsen günstig bleiben werden.

Folglich sollte die Benzinnachfrage in den USA ihren Aufwärtstrend fortsetzen, wenn auch mit gemäßigterem Tempo, da die Benzinpreise im nächsten Jahr wieder steigen dürften. In China hat die Dynamik bei den Autoverkäufen in diesem Jahr spürbar nachgelassen, was sich bremsend auf die Benzinnachfrage auswirken dürfte. Die Benzinnachfrage in China sollte angesichts der wachsenden Fahrzeugflotte und steigender Einkommen dennoch weiter steigen. Trotz der robusten inländischen Nachfrage treten sowohl die USA als auch China als Netto-Exporteure von Benzin auf.

In China sind die Verarbeitungskapazitäten stärker gestiegen als die Nachfrage. In den USA können die Raffinerien mit dem Export von Benzin die Beschränkungen für den Export von Rohöl umgehen. Dadurch steigt das Benzinangebot auf dem Weltmarkt, worunter insbesondere die Raffinerien in Europa zu leiden haben. Aufgrund des von uns erwarteten Ölpreisanstiegs prognostizieren wir einen Anstieg des Dieselpreises auf 580 USD je Tonne bis Ende 2016. Bei Benzin sehen wir aufgrund der stärkeren Fundamentaldaten etwas mehr Aufwärtspotenzial und auf Sicht von 12 Monaten einen Preis von 620 USD je Tonne.

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Überversorgung am US-Gasmarkt baut sich nur allmählich ab

Das Jahr 2015 verlief am US-Gasmarkt bis zum Herbst sehr ruhig: der Preis schwankte überwiegend in der Spanne zwischen 2,5 USD bis 3 USD je mmBtu. Anfang Oktober geriet der US-Gaspreis dann aber stark unter Druck und mit 2,1 USD je mmBtu ist Gas zu Beginn des Winters so günstig wie zuletzt im Frühjahr 2012. Ausschlaggebend sind rekordhohe US-Lagerbestände. Denn in diesem Jahr waren die Vorräte zu Jahresbeginn aufgrund milder Temperaturen nur unterdurchschnittlich abgebaut worden. Zudem blieb der turnusmäßige Aufbau zwischen April und November nur knapp hinter dem Rekordaufbau des Vorjahres zurück (Grafik 8).

Maßgeblich war eine überraschend hohe Produktion, die trotz stark gefallener Bohraktivität bis zuletzt immer mehrere Mrd. Kubikfuß über dem Vorjahresniveau lag. Das nun von der US-Energiebehörde EIA geschätzte Produktionsplus im laufenden Jahr von 6,3% fällt somit mehr als doppelt so hoch aus wie Ende letzten Jahres erwartet. Insbesondere die Schiefergasproduktion erweist sich als sehr robust. Im Juni wurde ein neues Rekordhoch erreicht. Seitdem sind dank noch immer hoher Produktivitätsfortschritte nur leichte Ermüdungserscheinungen zu erkennen (Grafik 9). Damit konnte auch eine sehr kräftige Nachfrage der Stromerzeuger gut bedient werden.

Hohe Temperaturen im Sommer und ein entsprechender Klimatisierungsbedarf sowie die Schließung einiger Kohlekraftwerke ließen den Bedarf der Versorger, auf die knapp ein Drittel des US-Gasverbrauchs entfällt, um 17% steigen. Der nationale Wetterdienst NOAA rechnet aufgrund des Wetter-Phänomens El Niño mit überdurchschnittlichen Temperaturen in diesem Winter und entsprechend geringerem Heizbedarf.

Auch der Bedarf der Stromerzeuger dürfte 2016 kaum mehr so hoch ausfallen wie im Vorjahr. Nur in der Industrie rechnet die EIA mit einem Nachfragezuwachs von gut 4%, weil vor allem in der Chemischen Industrie einige neue Anlagen in Betrieb genommen werden. Der Abbau der Vorräte sollte entsprechend geringer ausfallen als üblich.

Und die Nachfrageperspektiven sind nicht nur im Inland verhalten, auch das internationale Umfeld belastet. Denn das neue Absatzpotenzial für US-Gas, das sich mit der für Ende des Jahres geplanten Inbetriebnahme der ersten Trasse des Sabine Pass LNGVerflüssigungsterminal öffnet, ist momentan wenig verheißungsvoll. Die Verträge sind für zwar für 80% des LNG-Exportvolumens bereits geschlossen und basieren überwiegend auf einer Formel für Henry Hub.

Aber zusätzliche Perspektiven bieten sich angesichts des Preisverfalls am asiatischen LNG-Markt wenig: zum einen lastet der Ölpreisverfall auf den überwiegend Ölpreis-indexierten LNG-Preisen in Asien und zum anderen werden die Kapazitäten für Verflüssigung nicht nur in den USA, sondern vor allem auch in Australien massiv ausgebaut, wobei die US-Produzenten aufgrund des starken US-Dollar preislich weniger wettbewerbsfähig sind.

Alles in allem haben wir deshalb unsere Preisprognose deutlich nach unten revidiert. Ein neues Tief bei den Gaspreisen unterhalb von 2 USD je mmBtu ist kurzfristig nicht auszuschließen, sollte der Winter tatsächlich mild ausfallen. Im Jahresverlauf rechnen wir gleichwohl mit einer Preiserholung. Denn die geringere Bohraktivität wird zunehmend Bremsspuren bei der USGasproduktion hinterlassen. Wir sehen den Preis für Gas der Sorte Henry Hub im Herbst bei und in der zweiten Jahreshälfte auf Ende 2016 auf 3 USD je mmBtu.

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Schwache Glut am Kohlemarkt

Das fünfte Jahr in Folge standen die Kohlepreise 2015 unter Druck. Mit knapp 47 USD je Tonne notiert der nächstfällige Kohlekontrakt 30% niedriger als zu Jahresbeginn bzw. 65% niedriger als im Hoch Anfang 2010. Mehr noch: die Terminkurve fällt bis zum Jahr 2018. Der Markt rechnet also auch langfristig mit fallenden Kohlepreisen.

Zumindest auf kurze Sicht ist dieser "Pessimismus" gerechtfertigt. Denn ein schwacher Bedarf großer Importländer bei noch immer hohen Exporten wird die Kohlepreise wohl vorerst in Schach halten. Vor allem in China ist die Importnachfrage weggebrochen. In den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres waren die Nettoimporte des zuletzt größten Kohleimporteurs der Welt 30% niedriger als im Vorjahr (Grafik 10).

Der geringe Kohlebedarf war zwar teilweise einem Einmaleffekt zuzuschreiben, denn dank außergewöhnlich starker Regenfälle konnte deutlich mehr Elektrizität aus Wasserkraft gewonnen werden. Eine Normalisierung der Wetterverhältnisse spräche ebenso für eine Erholung der Nachfrage wie die Tatsache, dass Kohlekraft in China wichtigste Energiequelle bleibt und Kraftwerkskapazitäten von knapp 125 Gigawatt im Bau oder genehmigt sind. Viel mehr als eine leichte Erholung der Importnachfrage ist kurzfristig aber nicht zu erwarten. Denn die Abschwächung der chinesischen Wirtschaftsdynamik und Chinas Ambitionen, der Luftverschmutzung entgegenzuwirken, dämpfen die Erholung der Kohlenachfrage.

In Indien wächst die Kohlenachfrage zwar kräftig. Um die Elektrifizierung des Landes voranzutreiben und den 300 Mio. noch unzureichend mit Strom versorgten Menschen stabilen Zugang zu Elektrizität zu verschaffen, sind 114 Gigawatt an neuen Kohlekraftwerkskapazitäten im Bau oder genehmigt. Kurzfristig bleiben aber auch hier die Einfuhren hinter den Erwartungen zurück, weil in Indien momentan deutlich Produktion steigt. Die enttäuschenden Kohleeinfuhren in den Schwellenländern können auch nicht durch ein Plus in den Industrieländern ausgeglichen werden, schließlich schreitet in Europa der Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter voran, während in Japan die Inbetriebnahme von Atomkraftwerken dämpft.

Gleichzeitig steht der schwachen Importnachfrage ein trotz massiven Preisverfalls robustes Exportangebot gegenüber. Denn in vielen wichtigen Produzentenländern wurde der Preiseinbruch durch die Abwertung der heimischen Währung abgefedert (Grafik 11). In Australien beispielsweise fiel der Preisrückgang in heimischer Landeswährung nur halb so hoch aus. Australiens Kohlexporte erweisen sich deshalb als robust, ebenso wie die aus Kolumbien, Südafrika und Russland.

Im wichtigsten Exportland der Welt, Indonesien, schrumpfen die Exporte leicht, weil der heimische Bedarf steigt und im wichtigsten Absatzmarkt China die Qualitätsanforderungen an die importierte Kohle steigen. Nur in den USA fällt die Produktion mit -9% deutlich. Der rückläufige Kohlebedarf der heimischen Stromerzeuger und der wechselkursbedingte Verlust an Wettbewerbsfähigkeit bei den Exporten sind dafür maßgeblich.

Die Aussichten für den Kohlemarkt bleiben zunächst trüb. Wir sehen den Kohlepreis in der ersten Jahreshälfte unter 50 USD je Tonne verharren. Aber vor allem für China gilt, dass die niedrigen Weltmarktpreise Importkohle attraktiver machen bzw. heimische Produzenten zu Förderkürzung zwingen. Sobald sich Chinas Importnachfrage etwas erholt und Indiens Nachfrage schneller wächst als die heimischen Kapazitäten ausgebaut werden können, dürften sich die Preise erholen. Ende des Jahres dürfte Kohle wieder 55 USD je Tonne kosten.

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CO2-Preis hat weiterhin Auftrieb

Das Recht zur Emission einer Tonne CO2 ist mit gut 8,5 Euro so teuer wie zuletzt im November 2012. Seit nunmehr zweieinhalb Jahren steigen die Preise fast kontinuierlich und sind damit nun fast dreimal so hoch wie im Tief im Frühjahr 2013 (Grafik 12). Zwei politische Eingriffe ins System begünstigten die nachhaltige Trendwende: zum einen das Anfang 2014 beschlossene "Backloading", demzufolge sich die Volumina in den Auktionen von 2014 bis 2016 reduzieren; zum anderen die im laufenden Jahr beschlossene Marktstabilitätsreserve, ein ab 2019 geltender regelbasierter Steuerungsmechanismus für das jährliche Angebot an Zertifikaten in den Versteigerungen.

So wird beispielsweise das Angebot reduziert, wenn der kumulierte Überschuss eine bestimmte Menge übersteigt. Die Marktstabilitätsreserve übernimmt zudem die insgesamt 900 Mio. Zertifikate, die momentan im "Backloading" zurückgehalten werden, sowie Zertifikate, die nicht zugeteilt wurden, weil Anlagen beispielsweise geschlossen wurden. Damit wird also das Angebot am Markt auf lange Sicht deutlich verknappt (Grafik 13).

Das ist insofern auch dringend notwendig, als dass die Nachfrage nach Emissionsberechtigungen in den letzten Jahren geschrumpft war und zusätzlich bedingt durch den bis vor kurzem möglichen Einsatz von Gutschriften für Emissionsminderung in Drittländern der kumulierte Überschuss auf bei 2 Mrd. Zertifikate bzw. 125% des jährlichen Budgets gestiegen war. Unter anderem bedingt durch einen milden Winter waren die verifizierten Emissionen 2014 in den EU-weit rund 12.000 erfassten Anlangen deutlich gegenüber Vorjahr geschrumpft.

Einiges deutet jedoch momentan auf eine steigende Nachfrage hin: in Deutschland beispielsweise rechnet die AG Energiebilanzen mit einem Anstieg des Energieverbrauchs. Zwar leisteten wie in den Vorjahren vor allem die Erneuerbaren Energien einen größeren Beitrag in der Energieerzeugung, aber auch der emissionsintensive Einsatz von Kohle stieg. Auch in anderen EU-Ländern stieg in der ersten Jahreshälfte die Bruttostromerzeugung. Das weiterhin moderate Wachstum in Europa, aber auch der Verfall der Energiepreise lassen eine Fortsetzung der Tendenz erwarten.

Entscheidend für die Preisentwicklung sind auch die langfristigen Aussichten. Die EU-Kommission hat bereits Strukturreformen für die vierte Handelsperiode vorgestellt. Vor allem die schnellere Herabsetzung der Obergrenze für die Emissionen und eine strengere freie Zuteilung (Benchmark-Verfahren) dürften die Nachfrage anschieben.

Etwas Rückenwind gibt nicht zuletzt das internationale Umfeld, denn am Rande der Weltklimagipfel hat sich eine Koalition mehrerer Länder gebildet, die für den Emissionshandel bzw. die Besteuerung von CO2 werben will. Damit dürften die Preise auch im elften Jahr des Emissionshandels weiter anziehen, allerdings dürfte das Tempo etwas nachlassen. Ende 2016 erwarten wir einen Preis von 9,5 Euro je Tonne. Mit der Erwartung einer Preiserholung liegen wir in einer Linie mit der Einschätzung vieler Unternehmen in Deutschland. Laut dem CO2-Barometer von KfW und ZEW erwarten deutsche Unternehmen im Durchschnitt bis 2020 einen Anstieg des CO2-Preis auf knapp 16 Euro.

Die Umfrage bestätigt auch, dass die Preise weiter steigen müssen, damit sie einen Anreiz für emissionsmindernde Investitionen geben. Nur 10% der befragten deutschen Unternehmen gaben an, Investitionen primär mit dem Ziel der Vermeidung von Emissionen bzw. von deren Kosten getätigt zu haben. Vielmehr waren die Ziele Prozessoptimierung und Verbesserung der Energieeffizienz. Der Verfall der Energiepreise wirkt diesbezüglich sogar kontraproduktiv.

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Strompreis an der Leipziger Börse im tiefen Tal

Der Preis an der Leipziger Strombörse hat seine Talfahrt im laufenden Jahr fortgesetzt. Der Preis für Grundlast im nächsten Kalenderjahr ist unter 30 Euro je MWh gefallen; für das Kalenderjahr 2017 notiert er momentan sogar unter 28 Euro je MWh. Hauptgrund ist der Preisverfall am Kohlemarkt, zumal vor allem die für den Strompreis relevanten Kontraktpreise für Kohle mit längerfristiger Fälligkeit stark unter Druck geraten waren (Grafik 14).

Selbst in Euro verbilligt sich der Kohlekontrakt mit der Fälligkeit im Jahresverlauf um knapp 25%. Der Kohlepreis ist deshalb eine wesentliche Preisdeterminante für Strom, weil Kohlekraftwerke zum Lastenausgleich eingesetzt werden und somit die Grenzkosten der Stromproduktion bestimmen. Die anhaltende Verteuerung der Emissionsrechte sowie der wohl über dem Vorjahr liegende deutsche Stromverbrauch konnten dem wenig entgegensetzen, zumal immer mehr Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wurde.

Zwar hat sich der Zubau an Solarkraft und Onshore-Windkraft spürbar verlangsamt. So wurden im laufenden Jahr in Deutschland nur noch Photovoltaik-Anlagen mit einer Kapazität von 1,2 GW zugebaut, verglichen mit 7,6 GW im Boomjahr 2012. Aber die Inbetriebnahme neuer Off-Shore-Windparks in der Nord- und Ostsee mit einer Kapazität von 1,8 GW sowie gute Windverhältnisse führten dazu, dass die Windenergie im ersten Halbjahr knapp 40% über Vorjahr lag und damit allein 15% der deutschen Nettostromerzeugung stellte (Grafik 15).

Für die künftige Entwicklung der Strompreise bleibt der Kohlepreis von hoher Relevanz. Gas bleibt deutlich teurer für die Stromproduktion, auch wenn in der Tendenz die Gaspreise am Kassamarkt bzw. der deutsche Grenzübergangspreis für Gas sinken. Der Kohlepreis dürfte allerdings vorerst im tiefen Tal verharren und damit den Strompreis nicht anschieben. Für die Preise im Emissionshandel sind wir zwar optimistischer. Allerdings hat sich auch die Verteuerung der letzten Monate allenfalls bremsend auf den Strompreisverfall ausgewirkt.

Alles in allem dürfte sich der Preis für Grundlast im nächsten Kalenderjahr vorerst bei 28 Euro je MWh einpendeln. Erst die in der zweiten Jahreshälfte 2016 erwartete leichte Erholung der Kohlepreise dürfte auch den Strompreis etwas anschieben.

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Auf einen Blick

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: 'Rohstoffe kompakt', Commerzbank AG



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