Energie - Ausblick 2016: Angebotsflut geht zurück

Das Recht zur Emission einer Tonne CO2 ist mit gut 8,5 Euro so teuer wie zuletzt im November 2012. Seit nunmehr zweieinhalb Jahren steigen die Preise fast kontinuierlich und sind damit nun fast dreimal so hoch wie im Tief im Frühjahr 2013 (Grafik 12). Zwei politische Eingriffe ins System begünstigten die nachhaltige Trendwende: zum einen das Anfang 2014 beschlossene "Backloading", demzufolge sich die Volumina in den Auktionen von 2014 bis 2016 reduzieren; zum anderen die im laufenden Jahr beschlossene Marktstabilitätsreserve, ein ab 2019 geltender regelbasierter Steuerungsmechanismus für das jährliche Angebot an Zertifikaten in den Versteigerungen.
So wird beispielsweise das Angebot reduziert, wenn der kumulierte Überschuss eine bestimmte Menge übersteigt. Die Marktstabilitätsreserve übernimmt zudem die insgesamt 900 Mio. Zertifikate, die momentan im "Backloading" zurückgehalten werden, sowie Zertifikate, die nicht zugeteilt wurden, weil Anlagen beispielsweise geschlossen wurden. Damit wird also das Angebot am Markt auf lange Sicht deutlich verknappt (Grafik 13).
Das ist insofern auch dringend notwendig, als dass die Nachfrage nach Emissionsberechtigungen in den letzten Jahren geschrumpft war und zusätzlich bedingt durch den bis vor kurzem möglichen Einsatz von Gutschriften für Emissionsminderung in Drittländern der kumulierte Überschuss auf bei 2 Mrd. Zertifikate bzw. 125% des jährlichen Budgets gestiegen war. Unter anderem bedingt durch einen milden Winter waren die verifizierten Emissionen 2014 in den EU-weit rund 12.000 erfassten Anlangen deutlich gegenüber Vorjahr geschrumpft.
Einiges deutet jedoch momentan auf eine steigende Nachfrage hin: in Deutschland beispielsweise rechnet die AG Energiebilanzen mit einem Anstieg des Energieverbrauchs. Zwar leisteten wie in den Vorjahren vor allem die Erneuerbaren Energien einen größeren Beitrag in der Energieerzeugung, aber auch der emissionsintensive Einsatz von Kohle stieg. Auch in anderen EU-Ländern stieg in der ersten Jahreshälfte die Bruttostromerzeugung. Das weiterhin moderate Wachstum in Europa, aber auch der Verfall der Energiepreise lassen eine Fortsetzung der Tendenz erwarten.
Entscheidend für die Preisentwicklung sind auch die langfristigen Aussichten. Die EU-Kommission hat bereits Strukturreformen für die vierte Handelsperiode vorgestellt. Vor allem die schnellere Herabsetzung der Obergrenze für die Emissionen und eine strengere freie Zuteilung (Benchmark-Verfahren) dürften die Nachfrage anschieben.
Etwas Rückenwind gibt nicht zuletzt das internationale Umfeld, denn am Rande der Weltklimagipfel hat sich eine Koalition mehrerer Länder gebildet, die für den Emissionshandel bzw. die Besteuerung von CO2 werben will. Damit dürften die Preise auch im elften Jahr des Emissionshandels weiter anziehen, allerdings dürfte das Tempo etwas nachlassen. Ende 2016 erwarten wir einen Preis von 9,5 Euro je Tonne. Mit der Erwartung einer Preiserholung liegen wir in einer Linie mit der Einschätzung vieler Unternehmen in Deutschland. Laut dem CO2-Barometer von KfW und ZEW erwarten deutsche Unternehmen im Durchschnitt bis 2020 einen Anstieg des CO2-Preis auf knapp 16 Euro.
Die Umfrage bestätigt auch, dass die Preise weiter steigen müssen, damit sie einen Anreiz für emissionsmindernde Investitionen geben. Nur 10% der befragten deutschen Unternehmen gaben an, Investitionen primär mit dem Ziel der Vermeidung von Emissionen bzw. von deren Kosten getätigt zu haben. Vielmehr waren die Ziele Prozessoptimierung und Verbesserung der Energieeffizienz. Der Verfall der Energiepreise wirkt diesbezüglich sogar kontraproduktiv.

Strompreis an der Leipziger Börse im tiefen Tal
Der Preis an der Leipziger Strombörse hat seine Talfahrt im laufenden Jahr fortgesetzt. Der Preis für Grundlast im nächsten Kalenderjahr ist unter 30 Euro je MWh gefallen; für das Kalenderjahr 2017 notiert er momentan sogar unter 28 Euro je MWh. Hauptgrund ist der Preisverfall am Kohlemarkt, zumal vor allem die für den Strompreis relevanten Kontraktpreise für Kohle mit längerfristiger Fälligkeit stark unter Druck geraten waren (Grafik 14).
Selbst in Euro verbilligt sich der Kohlekontrakt mit der Fälligkeit im Jahresverlauf um knapp 25%. Der Kohlepreis ist deshalb eine wesentliche Preisdeterminante für Strom, weil Kohlekraftwerke zum Lastenausgleich eingesetzt werden und somit die Grenzkosten der Stromproduktion bestimmen. Die anhaltende Verteuerung der Emissionsrechte sowie der wohl über dem Vorjahr liegende deutsche Stromverbrauch konnten dem wenig entgegensetzen, zumal immer mehr Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wurde.
Zwar hat sich der Zubau an Solarkraft und Onshore-Windkraft spürbar verlangsamt. So wurden im laufenden Jahr in Deutschland nur noch Photovoltaik-Anlagen mit einer Kapazität von 1,2 GW zugebaut, verglichen mit 7,6 GW im Boomjahr 2012. Aber die Inbetriebnahme neuer Off-Shore-Windparks in der Nord- und Ostsee mit einer Kapazität von 1,8 GW sowie gute Windverhältnisse führten dazu, dass die Windenergie im ersten Halbjahr knapp 40% über Vorjahr lag und damit allein 15% der deutschen Nettostromerzeugung stellte (Grafik 15).
Für die künftige Entwicklung der Strompreise bleibt der Kohlepreis von hoher Relevanz. Gas bleibt deutlich teurer für die Stromproduktion, auch wenn in der Tendenz die Gaspreise am Kassamarkt bzw. der deutsche Grenzübergangspreis für Gas sinken. Der Kohlepreis dürfte allerdings vorerst im tiefen Tal verharren und damit den Strompreis nicht anschieben. Für die Preise im Emissionshandel sind wir zwar optimistischer. Allerdings hat sich auch die Verteuerung der letzten Monate allenfalls bremsend auf den Strompreisverfall ausgewirkt.
Alles in allem dürfte sich der Preis für Grundlast im nächsten Kalenderjahr vorerst bei 28 Euro je MWh einpendeln. Erst die in der zweiten Jahreshälfte 2016 erwartete leichte Erholung der Kohlepreise dürfte auch den Strompreis etwas anschieben.

Auf einen Blick



