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Industriemetalle: Übertriebener Preisrückgang

13.08.2015  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
Die meisten Metallpreise sind derzeit so günstig wie zuletzt während der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09. Dies ist in erster Linie wachsenden Sorgen über die chinesische Konjunktur und einem Überangebot an vielen Metallmärkten geschuldet. Der Preisrückgang wurde aber auch durch die spekulativen Finanzanleger verstärkt und ist unseres Erachtens mittlerweile übertrieben. Wir erwarten in den nächsten Monaten eine deutliche Preiserholung.

Im Zuge der allgemein negativen Stimmung gegenüber Rohstoffen wurden auch die Industriemetalle in Mitleidenschaft gezogen. Der LME-Industriemetallindex fiel jüngst deutlich unter 2.400 Punkte und markierte damit den tiefsten Stand seit über sechs Jahren (Grafik 1). Von seinem Zwischenhoch Anfang Mai hat der Index 21% verloren. Aluminium, Kupfer, Nickel und Zinn sind oder waren vorübergehend wieder so günstig wie zuletzt in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09.

Blei erreichte ein 5-Jahrestief, Zink fiel auf das niedrigste Niveau seit Oktober 2011. Auslöser für den Preisrückgang waren zunächst schwache Wirtschaftsdaten aus China. Ab Mitte Juni kam der Einbruch der chinesischen Aktienmärkte hinzu, der zu Nervosität und hoher Risikoaversion unter den Marktteilnehmern führte. Der Shanghai Composite Index verzeichnete Ende Juli mit -8,5% den stärksten Tagesrückgang seit acht Jahren. Dies hat die Probleme Chinas wieder in Erinnerung gerufen. Denn dort hat sich das Wachstum deutlich abgeschwächt.

Mittlerweile kämpft China wie auch viele andere Schwellen-länder mit den Folgen einer über lange Zeit sehr expansiven Geldpolitik. Dadurch ist auch die Verschuldung des privaten Sektors kräftig gestiegen. Die Regierung und die Zentralbank versuchen, die Situation durch eine weitere Lockerung der Geldpolitik zu stabilisieren und der Wirtschaft hierdurch sowie durch Infrastrukturmaßnahmen neue Impulse zu geben.

Die Abwertung der chinesischen Währung durch die Zentralbank führte zu einem weiteren Abverkauf an den Metallmärkten, welchen wir für überzogen halten. Denn der Effekt des schwächeren Yuan auf die Rohstoffimporte dürfte relativ gering sein, da die Preise selbst deutlich stärker gefallen sind und die Rohstoffnachfrage wenig preiselastisch ist. Der positive Stützungseffekt für die Konjunktur und die Exporte dürfte die Abwertung der Währung mehr als kompensieren.

Da durch diverse Maßnahmen der chinesischen Regierung der Verkauf von Aktien im Land erschwert oder gar unmöglich gemacht wurde, mussten institutionelle Investoren offenbar auch Metalle verkaufen, um sog. Margin Calls zu bedienen. Dies hat den Abwärtsdruck der Preise noch verstärkt, zumal die Zwangsverkäufe ohne Rücksicht auf Fundamentaldaten erfolgten.

Ebenso sind die spekulativen Finanzinvestoren auf den Zug aufgesprungen und haben sich im großen Umfang von Long-Positionen getrennt bzw. Short-Positionen aufgebaut. So bestanden an der COMEX in New York in der Woche zum 4. August bei Kupfer die höchsten Netto-Short-Positionen seit April 2013. An der LME wiederum lagen bei Kupfer per Mitte Juli die Netto-Long-Positionen auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Datenreihe vor etwa einem Jahr (Grafik 2).

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Es gibt aber auch fundamentale Gründe für die Preisschwäche. Gemäß Daten des World Bureau of Metal Statistics (WBMS) übertraf an den einzelnen Metallmärkten in den ersten fünf Monaten des Jahres zumeist das Angebot die Nachfrage. Ausnahmen bildeten demnach Aluminium und Zinn. Gerade bei Aluminium dürfte das Angebot unseres Erachtens aber zu niedrig angesetzt sein. Denn so wies zum Beispiel das International Aluminium Institute (IAI) schon im letzten Jahr im Vergleich zu WBMS eine um etwa 3 Mio. Tonnen höhere globale Produktion aus. In diesem Jahr ist die Diskrepanz bislang etwas geringer.

Daten des IAI zufolge eilt die weltweite Aluminiumherstellung von Rekord zu Rekord. Im Juni waren es demzufolge 4,902 Mio. Tonnen insgesamt bzw. 163,4 Tsd. Tonnen täglich. Vor allem China trug zur Produktionsausweitung bei. Dort lag die Aluminiumproduktion im Juni bei rekordhohen 2,756 Mio. Tonnen, womit das Land für 56% der weltweiten Produktion stand. Industriekreisen zufolge wurden in China im ersten Halbjahr mehr als 2 Mio. Tonnen pro Jahr an neuen Produktionskapazitäten in Betrieb genommen. Im zweiten Halbjahr sollen nochmal 3 Mio. Tonnen p.a. hinzukommen.

Die chinesischen Produzenten profitieren von niedrigen Stromkosten, die teilweise subventioniert sind, von deutlich gefallenen Rohmaterialkosten wie Aluminiumoxid/Tonerde und von einem Anreizsystem für Exporte. (Die Regierung gewährt Rückvergütungen für manche Aluminiumexporte und hat bei anderen Aluminiumprodukten im April die Exportsteuer abgeschafft.) Letzteres dürfte dazu beitragen, dass China auch in den nächsten Monaten große Mengen Aluminium exportiert.

Bereits in den ersten sieben Monaten des Jahres hat China gemäß Daten der Zollbehörde 2,87 Mio. Tonnen Aluminium ausgeführt, 28% mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum (Grafik 3). Mittlerweile werden Rufe westlicher Produzenten nach Gegenmaßnahmen zur Eindämmung der chinesischen Exporte immer lauter.

Damit der globale Aluminiummarkt wieder mehr ins Gleichgewicht kommt, bedarf es unserer Meinung nach gerade in China umfangreicher Produktionskürzungen. Lokale Schmelzer, Händler und Verarbeiter sind sich darüber auch einig, dass es zu solchen kommen wird, sollten die Preise länger niedrig bleiben. Als kritische Marke wird ein Niveau von 12.000 CNY je Tonne genannt. Anfang August fiel der Kassapreis in Shanghai erstmals seit Februar 2009 unter diese Marke, was die Verluste bei den Produzenten ausweitete. Laut Angaben des chinesischen Research-Instituts SMM machten die von SMM befragten Aluminiumschmelzen Anfang August einen Verlust von durchschnittlich 700-750 RMB je Tonne (etwa 110-120 USD je Tonne).

Industriekreisen zufolge liegen die Produktionskosten in China zwischen 12.000 CNY und 14.000 CNY je Tonne (etwa 1.930-2.250 USD je Tonne). Sollte es zu deutlichen Produktionskürzungen kommen, dürfte dies zu steigenden Preisen beitragen. Angesichts des aktuell niedrigen Preisniveaus revidieren wir allerdings unsere Prognose nach unten und erwarten nun am Jahresende einen Aluminiumpreis von 1.700 USD je Tonne.

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Ein Angebotsüberschuss dagegen war bislang am globalen Nickelmarkt zu verzeichnen, womit das lange erwartete Defizit nach wie vor auf sich warten lässt. Gemäß WBMS übertraf in den ersten fünf Monaten des Jahres das Angebot die Nachfrage um 16 Tsd. Tonnen.

Beim aktuellen Nickelpreis von unter 11.000 USD je Tonne sind allerdings viele Produzenten nicht mehr profitabel. Dies trifft vor allem auf die Nickelroheisen-Produzenten (Nickel Pig iron, NPI) in China zu. Laut Einschätzung von SMM machen diese bei umgerechnet unter 12.000 USD je Tonne kaum noch Gewinn. Und dies trifft auch nur auf die sog. RKEF-Produktionstechnologie zu, die besonders günstig ist. NPI-Produzenten, die mit der klassischen Elektroofen-Technologie arbeiten, benötigen demnach schon Preise von rund 13.000 USD je Tonne.

Produktionskürzungen scheinen daher unausweichlich. Schon jetzt wird offensichtlich nicht mehr so viel NPI in China hergestellt. Laut Aussagen des staatlichen chinesischen Research-Instituts Antaike lag die NPI-Produktion im Mai 6% unter dem Vorjahresniveau und dürfte im Juni nicht ausgeweitet worden sein. Die chinesische NPI-Produktion stand im letzten Jahr für rund ein Viertel der weltweiten Nickelproduktion. Produktionsstilllegungen sollten dazu beitragen, dass der globale Nickelmarkt in absehbarer Zeit in ein Angebotsdefizit rutscht.


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