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Einbruch der Rohstoffpreise - Was steckt dahinter?

10.08.2015  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
Der seit vier Jahren andauernde Rückgang der Rohstoffpreise hat zuletzt spürbar an Dynamik gewonnen. Viele Industrierohstoffe sind derzeit so billig wie zuletzt vor sechs Jahren. Wir führen die Preisschwäche auf eine Kombination mehrerer Faktoren wie US-Dollarstärke, China-Sorgen und spekulativen Verkäufen zurück. Dazu sind die meisten Rohstoffmärkte aufgrund eines steigenden Angebots überversorgt.

Aktuell sehen wir bereits Anzeichen einer Übertreibung. Denn die Rohstoffnachfrage in China ist keineswegs eingebrochen, sondern wächst nur etwas langsamer. Zudem ist die Produktion vieler Rohstoffe bei gegenwärtigen Preisen nicht mehr profitabel, was zu einer Einschränkung des Angebots führen sollte. Wir rechnen daher mit einer Preiserholung bis zum Jahresende.

Seit Anfang Juli hat der bereits seit 2011 anhaltende Preisrückgang an den Rohstoffmärkten an Dynamik gewonnen. Mittlerweile sind die meisten Industrierohstoffe so günstig wie zuletzt in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09. Der CRB-Rohstoffindex liegt inzwischen sogar auf dem niedrigsten Stand seit 12½ Jahren (Grafik 1).

Seit Jahresbeginn liegen die Rohstoffpreise gemessen am CRB-Index mit 13% im Minus. Davon entfallen allein 11 Prozentpunkte des Rückgangs auf den Monat Juli. So stark fiel der Index zuletzt im September 2011. Der Preisschwäche im Juli konnte sich so gut wie kein Rohstoff entziehen. Brentöl hat sich um 18% verbilligt, WTI sogar um 21%. Bei WTI entsprach dies dem stärksten Monatsrückgang seit Oktober 2008. Kupfer verzeichnete im Juli einen Abschlag von 9%, ebenso Platin und Palladium. Gold gab im letzten Monat um 6,5% nach. Die Preise von Agrarrohstoffen sind laut S&P GSCI Agricultural Spot Index im Juli um mehr als 10% gefallen.

Gleich mehrere Faktoren sind für die aktuelle Preisschwäche bei den Rohstoffen verantwortlich. Als erstes ist der deutlich aufwertende US-Dollar zu nennen. Denn zwischen US-Dollar und Rohstoffpreisen besteht seit Jahren eine recht stabile negative Korrelation (siehe Rohstoffe kompakt "Was hat der US-Dollar mit den Rohstoffpreisen zu tun?" vom 23. Juli).

Der starke US-Dollar kann die Schwäche der Rohstoffpreise aber nicht allein erklären. Denn auch in Euro gerechnet liegen die Rohstoffindizes seit Jahresbeginn inzwischen im Minus. Als weiterer Belastungsfaktor kam der Aktiencrash in China hinzu. Seite Mitte Juni haben die wichtigsten Aktienindizes im Reich der Mitte knapp 30% verloren. Ende Juli erlitten die chinesischen Aktienmärkte sogar den stärksten Tageseinbruch seit acht Jahren.

Chinesische Anleger, welche am Ende des vorherigen Booms Aktien auf Kredit gekauft hatten, dürften empfindliche Verluste erlitten haben. In der Folge könnte es zu Zwangsverkäufen auch bei Rohstoffen gekommen sein, um diese Verluste auszugleichen.

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Zudem hat der Absturz der chinesischen Aktienmärkte die Sorgen vor einer harten Landung der chinesischen Wirtschaft verstärkt. So bestand zuletzt ein enger Zusammenhang zwischen den Bewegungen am chinesischen Aktienmarkt und den Preisveränderungen bei Kupfer und Rohöl. Die vom jüngsten Aktiencrash ausgehenden Nachfragesorgen erachten wir allerdings als übertrieben. Denn der Zusammenhang zwischen Aktienmarkt- und Konjunkturentwicklung ist in China nur sehr gering. Der rasante Anstieg der Aktienkurse um mehr als das Doppelte in den 12 Monaten zuvor erfolgte trotz einer stetigen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums.

Einen die Konsumausgaben stimulierenden Vermögenseffekt hat es auch nicht gegeben. Die Nachfrage nach Gold ging sogar zurück, weil stattdessen in Aktien investiert wurde. Schwerer wiegt da schon, dass auch die jüngsten Konjunkturdaten aus China alles andere als überzeugend ausfielen. Der von Caixin erhobene Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe fiel im Juli unerwartet kräftig auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren und deutet damit auf eine merkliche Abkühlung in der chinesischen Industrie hin.

Das Wachstum in China dürfte sich dank der Stützungsmaßnahmen der Regierung und der Zentralbank im zweiten Halbjahr stabilisieren. Falls dies zur Unterstützung der Wirtschaft erforderlich ist, dürften von staatlicher Seite weitere Stimulierungsmaßnahmen beschlossen und umgesetzt werden.

Für die Rohstoffnachfrage wäre eine harte Landung der chinesischen Wirtschaft schwerwiegend, da China bei vielen Industrierohstoffen der mit Abstand wichtigste Nachfrager ist. So stellt China bei den meisten Metallen etwa die Hälfte der weltweiten Nachfrage. Bei Rohöl war China in den letzten Jahren für etwa ein Drittel des Anstiegs der weltweiten Ölnachfrage verantwortlich. Von einem Einbruch der Rohstoffnachfrage, der den jüngsten Preisverfall rechtfertigen könnte, kann aber keine Rede sein.

So hat sich der Baltic Dry Index, welcher die Frachtraten für Schüttguttransporte auf den seewärtigen Haupthandelsrouten misst, seit Anfang Juni mehr als verdoppelt. China importierte im ersten Halbjahr zudem weiterhin große Mengen an Rohstoffen. So lagen die Rohölimporte in den ersten sechs Monaten des Jahres 7,5% höher als im entsprechenden Vorjahreszeitraum und auf einem Rekordniveau (Grafik 2).

Bei Nickel haben sich die Importe zwischen April und Juni gegenüber dem Vorquartal sogar mehr als verdreifacht. Die Eisenerzimporte blieben im ersten Halbjahr in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Einzig bei Kupfer und Gold waren die Einfuhren im ersten Halbjahr deutlich rückläufig. Bei Kupfer lagen sie 11% niedriger als im Vorjahr, bei Gold sogar 17% darunter.

Der Preisrückgang in den letzten Wochen war daher vor allem der Sorge vor einem Einbruch der chinesischen Nachfrage geschuldet und zudem stark spekulativ getrieben. So halten die Hedge-Fonds und anderen Großanleger bei vielen Rohstoffen bereits sehr große (Netto-) Short Positionen, setzen also auf weiter fallende Preise. Bei WTI bestehen mittlerweile die niedrigsten Netto-Long-Positionen seit Ende 2012, bei Kupfer die höchsten Netto-Short-Positionen seit Mitte 2013 (Grafik 3).

Bei Gold und Silber bestehen die höchsten Netto-Short-Positionen seit Beginn der Datenreihe im Jahr 2006, bei Gold sogar zum ersten Mal überhaupt. In der Vergangenheit haben sich diese Anleger allerdings oft sehr prozyklisch verhalten: Nahe den Preistiefs waren sie oft zu pessimistisch, nahe den Hochs zu optimistisch. Ihre Positionierung könnte also auf eine kurzfristige Gegenbewegung bei den Preisen hindeuten.

Einen kräftigen Aderlass gab es auch bei den börsengehandelten Rohstofffonds und hier insbesondere bei den Gold-ETFs. Deren Bestände sind im Juli um gut 70 Tonnen gesunken, was dem stärksten Rückgang innerhalb eines Monats seit Dezember 2013 entsprach.

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