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Paradigmenwechsel am Ölmarkt

30.10.2014  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
Trotz zahlreicher geopolitischer Unruhen ist der Ölpreis in den letzten vier Monaten fast ununterbrochen gefallen und notiert derzeit nahe einem 4-Jahrestief. Dies könnte auf einen Paradigmenwechsel am Ölmarkt hindeuten. Denn die OPEC-Länder wollen offenbar ihre Marktanteile verteidigen und sind dafür auch bereit, einen Preiskampf zu riskieren. Dies hat zur Folge, dass die Ölpreise langfristig niedriger sein dürften als bislang von uns erwartet. Wir senken daher unsere Prognose für den Brentölpreis im Jahr 2015 auf durchschnittlich 85 US-Dollar je Barrel.

Der Brentölpreis ist in den letzten vier Monaten um 25% gefallen und notiert mit rund 85 USD je Barrel nahe einem 4-Jahrestief (Grafik 1). Im Oktober hat sich der Preisrückgang sogar noch einmal verstärkt. Brent verbilligte sich seit Monatsbeginn zwischenzeitlich um bis zu 15 USD je Barrel. Wir sehen für die jüngsten Ereignisse vor allem fundamentale Gründe.

Zum einen hat sich die Weltölnachfrage zuletzt deutlich verlangsamt. Weil die Wirtschaft im Euroraum stagniert und in den Schwellenländern deutlich langsamer wächst, hat die Internationale Energieagentur (IEA) ihre Prognose für das Nachfragewachstum für dieses Jahr auf 0,65 Mio. Barrel pro Tag gesenkt. Das ist der geringste Zuwachs seit der Wirtschaftskrise 2009. Zum anderen ist die weltweite Ölproduktion in den letzten Monaten trotz vielerlei Risiken kräftig gestiegen. Dazu hat die Rückkehr Libyens beigetragen und vor allem die massiv steigende (Schiefer-) Ölproduktion in den USA.

Laut US-Energiebehörde EIA soll die US-Rohölproduktion in diesem und im nächsten Jahr jeweils um etwa 1 Mio. Barrel pro Tag steigen. Dies allein reicht aus, um den erwarteten Anstieg der globalen Ölnachfrage mehr als auszugleichen. Im Jahr 2015 soll die US-Rohölproduktion mit durchschnittlich 9,5 Mio. Barrel pro Tag das höchste Niveau seit 1970 erreichen.

Der Produktionsanstieg seit dem Jahr 2010 um 4 Mio. Barrel pro Tag entspräche dem Auftauchen eines neuen Ölproduzenten in der Größe von Irak und Katar zusammengenommen. Trotz der besseren Nachfrageaussichten für das nächste Jahr sieht die IEA deshalb den täglichen Bedarf an OPEC-Öl 2015 auf nur noch 29,3 Mio. Barrel sinken, was deutlich unter dem jetzigen Produktionsniveau der OPEC von täglich knapp 31 Mio. Barrel liegt (Grafik 2).

Weil die Ölnachfrage wenig preiselastisch ist, reagiert der Ölpreis selbst auf geringe Produktionsüberschüsse häufig mit Verlusten. Ohne eine deutliche Kürzung der OPEC-Fördermenge droht dem Ölmarkt im nächsten Jahr ein beträchtliches Überangebot. In der Vergangenheit hat die OPEC den Markt durch Produktionskürzungen häufig wieder ins Gleichgewicht gebracht und dadurch bestimmte Ölpreisniveaus "verteidigt" (OPEC-Put).

Open in new window

Bislang blieb eine solche Reaktion zur Überraschung der meisten Marktteilnehmer jedoch aus, was den Ölpreis zusätzlich unter Druck gesetzt hat. Die wichtigsten OPEC-Länder haben ihren Kunden für die Öllieferungen im November teilweise sogar die höchsten Abschläge zu den internationalen Benchmarks seit dem Beginn der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 geboten.

Den Anfang in dieser Preissenkungsrunde machte Anfang Oktober Saudi-Arabien, als der Brentölpreis bereits unter der Marke zuvor als kritisch erachteten Mark von 100 USD je Barrel notierte. Der Iran und der Irak sind diesem Beispiel seither gefolgt. Offensichtlich wollen die OPEC-Mitglieder anders als in der Vergangenheit vor allem die Marktanteile verteidigen. Der Preis steht dagegen nicht mehr so stark im Fokus.

Noch ist nicht klar, welche Motive vor allem Saudi-Arabien damit verfolgt - ob es die anderen Kartellmitglieder disziplinieren oder die US-Schieferölproduzenten und andere Nicht-OPECProduzenten schwächen will. Möglicherweise will Saudi-Arabien die anderen OPEC-Mitglieder unter Druck setzen, sich an einer Produktionskürzung zu beteiligen. Libyen hat bislang als einziges Land offen von der OPEC eine Produktionskürzung gefordert. Für sich selber verlangt Libyen aber eine Ausnahme. Diese Haltung ist zwar aus der Sicht Libyens nachvollziehbar, da die libysche Ölproduktion aufgrund von Kämpfen und Protesten für ein Jahr weitgehend lahmgelegt war und noch immer unter dem Vorkrisenniveau liegt.

Noch hat sich aber kein anderes OPEC-Land bereit erklärt, sein Angebot freiwillig zu reduzieren und damit zumindest kurzfristig Einnahmeeinbußen hinzunehmen. Der kuwaitische Ölminister meldete unlängst sogar Zweifel an, ob eine Produktionskürzung überhaupt zu einem höheren Ölpreise führt. Wenn aber keines der OPEC-Länder bereit ist, zur Produktionskürzung beizutragen, dürfte es der OPEC schwer fallen, das Überangebot vom Markt zu nehmen. Stattdessen sind Länder wie der Iran und der Irak eher bestrebt, ihr Angebot zu steigern. Auch Libyen dürfte bestrebt sein, die Ölproduktion weiter zu erhöhen, sofern es die politischen Umstände im Land erlauben.

Leiten die jüngsten Ereignisse womöglich das Ende des Ölkartells ein? Antworten werden wir womöglich schon bei der nächsten OPEC-Sitzung am 27. November in Wien erfahren. Die OPEC könnte dann ein Déjà-vu aus dem Frühsommer 2011 erleben, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Saudi-Arabien und die mit ihm verbündeten arabischen Golfanrainerstaaten wollten damals zur Eindämmung des hohen Ölpreises eine Produktionsausweitung durchsetzen, was aber am Widerstand der anderen OPEC-Mitglieder scheiterte.

Die OPEC-Sitzung endete daraufhin ohne eine gemeinsame Erklärung. Saudi-Arabien sprach im Anschluss von der schlechtesten OPEC-Sitzung aller Zeiten. Die Internationale Energieagentur sah sich wenig später zur Freigabe der strategischen Reserven veranlasst. Möglicherweise wollen Saudi-Arabien und die anderen arabischen Golfanrainerstaaten die damaligen Verweigerer nun "bestrafen". Bei einem Ölpreis von unter 90 USD je Barrel dürften die meisten dieser OPEC-Länder in Schwierigkeiten geraten, ihre Staatsausgaben durch die laufenden Einnahmen aus den Ölexporten zu finanzieren (Grafik 3).




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