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Unterschiedliche Tendenzen bei Angebot und Preisen

16.11.2011  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
ie Preise für Weizen, Mais, Sojabohnen und Baumwolle konnten sich der Stimmungseintrübung an den Finanzmärkten nicht entziehen und sind seit den Sommermonaten unter Druck geraten. Für die weitere Preisentwicklung ist die jeweilige Angebots- und Nachfragesituation ausschlaggebend. Das größte Erholungspotenzial sehen wir aufgrund des relativ knappen Angebots bei Mais und Sojabohnen. Weizen und Baumwolle dürften dagegen hinterherhinken.


Weizen

Die recht üppige Versorgungslage drückt auf die Preisentwicklung bei Weizen. Zwar konnten sich die Preise von ihrem Jahrestief Anfang Juli von 5,85 USD je Scheffel zwischenzeitlich deutlich erholen, doch liegen sie mit rund 6,40 USD je Scheffel weit unter dem Durchschnitt der ersten Jahreshälfte. Mit einem Minus von 25% gehört Weizen zu den Rohstoffen mir der schwächsten Preisentwicklung in diesem Jahr.

Lange Zeit hatten die Nachwirkungen der Jahrhundertdürre in Russland, später auch die schlechten Bewertungen der Winterweizenqualität in den USA die Preise auf hohem Niveau gehalten. Langsam setzte sich aber die Erkenntnis durch, dass sich die Angebotssituation trotz der unbefriedigenden US-Ernte verglichen mit dem Vorjahr deutlich entspannter darstellt.

Schlüsselgröße dabei ist die schneller als erwartete Normalisierung der Produktion im Schwarzmeerraum. Allein die Getreideernte Russlands soll in diesem Jahr bei 90-92 Mio. Tonnen liegen, was zwar weniger als die 97 Mio. Tonnen aus 2009 ist, aber deutlich über den 61 Mio. Tonnen aus 2010 liegt. Hinzu kommt eine inzwischen wieder bessere Einschätzung für Kanada und Australien, nachdem dort zwischenzeitlich die Erwartungen nach unten geschraubt worden waren.

Insgesamt rechnen sowohl der International Grains Council als auch das USDA, die jeweils lange von einem defizitären oder allenfalls ausgeglichenen Markt in 2011/12 ausgingen, inzwischen mit einem Überschuss in Höhe von sechs bis sieben Mio. Tonnen. Gegenüber Schätzungen vom Frühsommer wird das weltweite Angebot nun mit 684 Mio. Tonnen (IGC) bzw. 683 Mio. Tonnen (USDA) um etwa 20 Mio. Tonnen höher geschätzt. Nach dem stark defizitären Vorjahr kann so der Lagerbestand wieder aufgebaut werden und mit mehr als 200 Mio. Tonnen ein komfortables Niveau erreichen.

Weltweit sind mit 25% des Verbrauchs die Lagerbestände an Weizen auf einem Niveau zu erwarten, das keine angespannte Lage signalisiert. Auch in den USA wurden die erwarteten Endbestände mehrfach nach oben korrigiert, mit knapp 40% des Verbrauchs liegen die Lagerbestände deutlich höher als im Jahr 2007/08. Allerdings hat die Dürre in den südlichen Great Plains zu einer angespannten Lage bei hartem rotem Winterweizen geführt, was die relativ bessere Preisentwicklung dieser Weizensorte erklärt, die an der Börse in Kansas City gehandelt wird.

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Gegenüber der Preisentwicklung bei Mais bleibt Weizen deutlich zurück. Bereits seit dem Frühjahr liegen die Weizenpreise nicht mehr wie sonst üblich über den Preisen für Mais, sondern allenfalls in etwa gleichauf (Grafik 2). Phasenweise bleiben sie auch dahinter zurück, eine Situation, die auch in Zukunft nicht ungewöhnlich sein dürfte.

Interessant wird sein, wie sehr sich diese verschlechterte relative Position auch in einer Anpassung der Anbauflächen niederschlagen wird. Offizielle Daten zum Umfang der US-Winterweizenaussaat werden vom USDA erst im Januar bekannt gegeben. In seinem Basis-Szenario zur Entwicklung auf dem US-Weizenmarkt bis 2020 geht das USDA von einer Wiederaufnahme des nach unten gerichteten Trends bei der Weizenanbaufläche aus, der im letzten Jahr aufgrund der hohen Preise kurzzeitig unterbrochen worden war.

Für den langfristigen Rückgang waren allerdings zum teil auch politisch unterstützte Flächenstilllegungen verantwortlich gewesen. Gerade für viele Staaten, die traditionell stark in der Weizenproduktion engagiert sind, wie Kansas und North Dakota ist der Anteil von Weizen an der insgesamt mit Weizen, Mais und Sojabohnen bebauten Fläche von 80-90% in den 1980er Jahren auf um die 50% in den letzten Jahren gefallen. Während im Jahr 2011 54 Mio. Morgen mit Weizen bebaut wurden, erwartet das USDA bis 2020 ein Absinken auf 51 Mio. Morgen.

Seit Anfang Oktober bewegen sich auch die Notierungen für Weizen an der Pariser Börse mit um die 185 EUR je Tonne auf einem so niedrigen Niveau wie zuletzt im Juli 2010. Gegenüber der Preisspitze vom Februar haben die Preise inzwischen um 33% und damit ähnlich stark wie in Chicago nachgegeben. Zum einen ist die Anbindung an den US-Markt stark, zum anderen macht sich hierin auch die wieder erstarkte Konkurrenz aus dem Schwarzmeerraum bemerkbar. Alleine aus Russland wurde in den ersten vier Monaten der Saison seit Juli mit 12 Mio. Tonnen eine Rekordmenge exportiert.

Die Nachfrage nach EU-Weizen bleibt dagegen erheblich hinter dem Vorjahr zurück. Grafik 3 zeigt, dass die Gesamtexporte seit Juli um fast 40% unter dem Niveau der Vorjahresperiode liegen. Gleichzeitig stellte sich die EU-Produktion letztlich doch nicht so negativ dar, wie nach dem viel zu trockenen Frühjahr zunächst befürchtet worden war. Befriedigend war die EU-Ernte deshalb aber nicht. Der Anstieg der Produktionsmenge gegenüber dem bereits enttäuschenden Vorjahr ist nur marginal. Für Deutschland ergab sich sogar ein Rückgang gegenüber 2010 um 2 Mio. Tonnen auf 21 Mio. Tonnen.

Aus unserer Sicht werden die Preise derzeit auch durch die Unsicherheit über die weitere weltwirtschaftliche Entwicklung geprägt. Die Staatsschuldenkrise in der Eurozone dürfte auch weiterhin für Preisschwankungen nicht nur bei Weizen, sondern auch bei anderen (Agrar-) Rohstoffen sorgen. Ausgehend von der aktuellen Situation erwarten wir allerdings, dass sich die Weizenpreise im Schlepptau von Mais von ihrem derzeitigen Niveau aus leicht nach oben bewegen können.

Dafür spricht auch die negative Stimmung unter den spekulativen Finanzanlegern. Diese haben ihre Netto-Short-Positionen inzwischen auf ein Niveau ausgedehnt, das nicht sehr weit von dem im ersten Halbjahr 2010 liegt (Grafik 14, Seite 8). Die verbesserten Angebotsaussichten sind also bereits weitgehend im Preis berücksichtigt. Wir rechnen daher mit einem Preisanstieg auf durchschnittlich 720 US-Cents je Scheffel für CBOT-Weizen bzw. 210 EUR je Tonne für LIFFE-Weizen im kommenden Jahr.

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