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Fallende Vorräte unterstützen Preise

14.11.2011  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
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Wir rechnen daher weiter mit einem Rückgang des Brentölpreises in Richtung 100 USD je Barrel in den kommenden drei Monaten. Allerdings sind zuletzt die Risiken gestiegen, dass der Ölpreisrückgang geringer ausfällt. So haben die wichtigsten Notenbanken der Welt ihre Geldpolitik weiter gelockert bzw. dies in Aussicht gestellt, was sich unterstützend auf die Ölpreise auswirken sollte.

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Produktmärkte: OECD-Länder wechseln von Benzin zu Diesel

Die Preise für die Mineralölprodukte werden überwiegend am globalen Rohölmarkt bestimmt. Denn während es für die Rohölnachfrage eher unbedeutend ist, in welche Mineralölprodukte das Rohöl verarbeitet wird, stellt der Inputfaktor Rohöl den Hauptkostenblock im Raffinerieprozess dar. Darüber hinaus sind die Raffineriebetreiber in der Lage, durch Quersubventionierung Preisdifferenzen an den unterschiedlichen Produktmärkten abzufedern. Doch wie verhalten sich die Preise in den wichtigsten Produktkategorien Benzin und Gasöl, die zusammen in den Industrieländern knapp 60% der Nachfrage ausmachen? Welche langfristigen Trends sind auszumachen? Und hatte der im Vergleich zu Brentöl niedrige Spotpreis für amerikanisches Leichtöl der Sorte WTI eine Auswirkung am Markt für Mineralölprodukte? Das sind die Fragen, denen wir im Folgenden nachgehen werden.

Richten wir den Blick zunächst auf den Gasölmarkt, der als Übergriff im Folgenden sowohl den Diesel- als auch den Heizölmarkt umfasst und dem weltweit wichtigsten Marktsegment, den Mitteldestillaten, zugerechnet wird. Der Gasölmarkt hat in den Industrieländern bis zum Jahr 2008 im Vergleich zum Benzinmarkt an Bedeutung gewonnen, wobei der Trend durch den Absatzeinbruch in der Wirtschaftskrise 2009 unterbrochen wurde. Der Bedeutungszuwachs ist umso bemerkenswerter, als dass der Bedarf zu Heizzwecken stetig sinkt, weil Heizöl sowohl in Europa, aber vor allem in den USA verstärkt durch Erdgas substituiert wird (Grafik 4).

Diese Tendenz dürfte sich fortsetzen; für Deutschland beispielsweise prognostiziert der Mineralölwirtschaftsverband eine bis zum Jahr 2020 um weitere 20% schrumpfende Heizölnachfrage. Dass das Marktsegment Gasöl dennoch immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist vor allem der in Europa in den letzten Jahren stark gestiegenen Dieselpenetration des Kfz-Bestandes zuzurechnen. Mittlerweile wird in Europa doppelt soviel Diesel wie Benzin abgesetzt. Deutschland hat Frankreich als wichtigsten Dieselabsatzmarkt mittlerweile fast eingeholt. Infolge der Nachfrageverschiebung in Europa hat sich in den Industrieländern das Verhältnis von Benzin- zu Dieselnachfrage von 2 im Jahr 2000 auf gut 1,5 im Jahr 2010 verringert.

Die Dieselnachfrage ist zyklisch (Grafik 5). In einer einfachen Regression lassen sich immerhin 66% der jährlichen Veränderungen der Dieselnachfrage in den Industrieländern durch das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Leistung erklären. Das erklärt sich unter anderem mit dem im Konjunkturzyklus atmenden logistischen Bedarf einer Volkswirtschaft, denn der Lkw-Fuhrpark ist überwiegend dieselbetrieben. In Deutschland beispielsweise entfällt knapp 60% der Dieselkraftstoffnachfrage auf den Lkw-Sektor.

Aufgrund der Verschiebung der Nachfragestruktur hin zu mehr Dieselbedarf ist Europa auf Gasöl-Importe angewiesen. Die Nettoimporte belaufen sich auf rund 25 Mio. Tonnen pro Jahr und kommen bisher zu fast 80% aus den ehemaligen Ländern der Sowjetunion.

Spiegelbildlich verlaufen die langfristigen Tendenzen am Benzinmarkt: in Europa fällt die Benzinnachfrage nun im Trend seit dem Jahr 2000. Mit rund 90 Mio. Tonnen pro Jahr ist diese mittlerweile 30% niedriger als vor zehn Jahren. Das Beratungsunternehmen PFC prognostiziert, dass die Benzinnachfrage in der EU bis 2020 zusätzlich um rund 2,5% p.a. schrumpfen wird.

Warum sich der niedrige WTI Preis nicht auf die (amerikanischen) Produktpreise
auswirkt Die Ausweitung der Preisspanne zwischen WTI und Brent hat sich auf die amerikanische Produktpreise nicht ausgewirkt. Die Spanne zwischen dem in den USA an der NYMEX gehandeltem Heizöl (heating oil) und dem in Europa an der ICE gehandeltem Gasöl lag in diesem Jahr durchschnittlich bei knapp 6 USD je Tonne und damit gleichauf mit dem Fünf-Jahresdurchschnitt. Die Erklärung liegt in der Tatsache, dass das günstige WTI nur für einen kleinen Teil der amerikanischen Raffinerien zugänglich ist.

Oklahoma selber hat nur 5 Raffinerien, die zusammen lediglich 3% der US-Kapazität stellen. Und selbst wenn man den Blick auf alle Raffinerien im gesamten Distrikt Midwest (PADD II) wirft, so stellen diese gerade mal ein Fünftel der Gesamtkapazität. Über die Hälfte der US-Raffineriekapazitäten befindet sich dagegen im Golfküstendistrikt (PADD III). Dort, an der Ost- als auch der Westküste sind die Preise des seewärtsgehandelten Öls sowie der heimischen Sorten wie Louisiana Light relevant, die nur geringfügig unter dem Preis für Brentöl liegen. Von den niedrigen WTI-Preisen profitiert also nur ein geringer Teil der US-Raffinerien.

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In der Vergangenheit passten die Tendenzen am europäischen Markt sehr gut zu denen des US-amerikanischen Marktes: der europäische Angebotsüberschuss an Benzin wurde nach Amerika exportiert und dort abgesetzt. Doch der Benzinbedarf am US-Markt schrumpft: mit 8,8 Mio. Barrel pro Tag lag die implizite Benzinnachfrage im Oktober rund 5% niedriger als vor der Krise im Herbst 2007. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass dem Benzin in den USA mittlerweile 10% Ethanol beigemischt werden. Der Bedarf an herkömmlichem Benzin ist somit noch niedriger.

Ein Grund für die schwache Nachfrage ist die geringere Fahraktivität. Gemäß dem amerikanischen Transportministerium lag die Zahl der in den letzten 12 Monaten gefahrenen Meilen im August 2% unter der im Rekordmonat August 2007. Ausschlaggebend waren zum einen die flaue Einkommensentwicklung, zum anderen die hohen Benzinpreise. Diese lagen in den Sommermonaten durchschnittlich 36% über dem Vorjahr und erreichten im Mai ein Rekordniveau von gut 4 USD je Gallone. Nicht zuletzt deshalb war die diesjährige Sommerfahrsaison mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 9,2 Mio. Barrel pro Tag eine der schwächsten seit Jahren.

Dass die Benzinnachfrage sogar noch stärker gefallen ist als es die Fahrtätigkeit indiziert, ist mit einer spürbaren Reduzierung des Spritverbrauchs des amerikanischen Fuhrparks zu erklären. Denn die hohen Preise und neue gesetzliche Auflagen zwangen zur Suche nach Effizienzgewinnen beim Kraftstoffverbrauch.

Der amerikanische Benzinverbrauch enttäuschte nicht nur in den letzten drei Jahren: auch langfristig rechnet die US-Energiebehörde EIA mit einem tendenziell stagnierenden bis leicht sinkenden Benzinverbrauch. Hinzu kommt, dass mit einer möglichen flächenweiten Einführung von E15, also Benzin, dem 15% Ethanol beigemischt sind, immer mehr herkömmliches Benzin durch Biokraftstoffe ersetzt werden dürfte. Dafür spricht auch die steigende Anzahl sogenannter Flexi-fueler, also Autos, die sowohl mit herkömmlichem Benzin als auch mit Ethanol betrieben werden können.

Und wie sieht es am aktuellen Rand aus? Eine Indikation geben die Lagerbestände, die zurzeit ein zu den oben geschilderten langfristigen Tendenzen passendes Bild zeigen. Die aktuelle Vorratssituation bei den Mitteldestillaten ist als knapp zu bezeichnen. Gemäß Daten der IEA waren diese in den OECD-Ländern bereits im August unter dem Fünf-Jahresdurchschnitt gerutscht und verharrten dort auch im September (Grafik 6).




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