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Fallende Vorräte unterstützen Preise

14.11.2011  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
Die Terminkurve von WTI weist erstmals seit drei Jahren wieder eine fallende Struktur auf. Die Preisdifferenz zwischen Brent und WTI hat sich um mehr als zehn US-Dollar eingeengt. Fallende US Rohöllagerbestände dürften ein Grund gewesen sein. Angesichts der Nachfrageschwäche in den USA erachten wir eine nachhaltige Verknappung am Markt aber eher als unwahrscheinlich. Am Markt für Mineralölprodukte zeigt sich in den Industrieländern eine Nachfrageverschiebung von Benzin zu Diesel, so dass hier der Gasölmarkt insgesamt trotz fallender Heizölnachfrage schleichend an Bedeutung gewinnt. Am aktuellen Rand signalisiert die Vorratssituation eine Verknappung am Gasölmarkt. Der Dieselpreis dürfte sich folglich kurzfristig besser entwickeln als der Benzinpreis.

Erstmals seit drei Jahren notiert die Terminkurve von WTI wieder in Backwardation, d.h. die Terminpreise mit späterer Fälligkeit notieren unter den Terminpreisen mit früherer Fälligkeit. Was sind die Gründe für diese Entwicklung? Für gewöhnlich geht eine Backwardation mit einer Angebotsverkappung einher, welche zu höheren Preisen am vorderen Ende der Terminkurve führt. Bei Brent besteht diese Konstellation schon seit dem Frühjahr (Grafik 1).

Hier waren es die Produktionsausfälle in der Nordsee und der Wegfall der libyschen Ölproduktion, welche für eine Verknappung an hochwertigem Rohöl in Europa und damit für die fallende Brent-Terminkurve sorgten. Welche Faktoren haben aber die WTI-Kurve Ende Oktober in Backwardation drehen lassen? In den vergangenen fünf Monaten kam es zu einem kontinuierlichen Rückgang der US-Rohöllagerbestände, welcher als Indiz für eine Markteinengung im wichtigsten Ölverbrauchsland angesehen wird. Besonders deutlich wird dies an der Lagerentwicklung in Cushing, dem Lager- und Auslieferungsort für WTI. Erreichten die dortigen Lagerbestände im Frühjahr ein Rekordniveau von knapp 42 Mio. Barrel, so fielen diese Ende September auf gut 30 Mio. Barrel, was einem Rückgang um 28% innerhalb von knapp sechs Monaten entspricht.

Bemerkenswert ist, dass dieser Lagerabbau vom Markt lange Zeit kaum beachtet wurde. Mitte Oktober notierte der 12-Monatskontrakt von WTI noch zwei US-Dollar über dem nächstfälligen Terminkontrakt. Dies kann möglicherweise mit dem Ausverkauf an den Rohstoffmärkten Anfang Oktober zu tun haben, durch welchen nächstfällige WTI-Terminkontrakte stärker in den Abwärtssog gezogen wurden als das hintere Ende der Terminkurve.

Umso heftiger war die Preisreaktion im Anschluss, als sich die Marktstimmung drehte. Während der Brentpreis in der zweiten Oktoberhälfte um die Marke von 110 USD je Barrel schwankte, konnte der WTI-Preis in diesem Zeitraum um 8% auf 95 USD je Barrel steigen. Die Preisdifferenz zwischen den beiden Ölsorten, welche Anfang Oktober ein Rekordniveau von 28 USD je Barrel erreichte, verringerte sich zum Monatsende auf 16 USD je Barrel, den niedrigsten Wert seit Ende Juni.

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Wird die Backwardation bei WTI von Dauer sein? Um Aufschluss darüber zu bekommen, lohnt ein Blick zurück in die Jahre 2007 und 2008. Interessanterweise befand sich die WTI-Terminkurve bereits seit August 2007 in Backwardation, obwohl zu dieser Zeit noch ein beträchtlicher Lagerüberhang bestanden hatte (Grafik 2). Damals war die Veränderung der Terminkurve quasi ein Vorbote der Angebotseinengung in den darauffolgenden Monaten. D

ie US-Rohöllagerbestände befinden sich aktuell knapp über dem 5-Jahresdurchschnitt. Der im Sommer noch beträchtliche Lagerüberhang wurde in den vergangenen Wochen nahezu vollständig abgebaut. Diesmal folgte die Terminkurve also der Lagerbestandsveränderung. Von daher ist die heutige Situation mit der von Ende 2007 nicht unbedingt zu vergleichen. Die Lagerveränderung seit den Sommermonaten kann lediglich erklären, warum die WTI-Terminkurve nicht länger im Contango handelt, also keine ansteigende Form mehr aufweist.

Um eine länger anhaltende Backwardation bei WTI zu rechtfertigen, müssten die US-Rohöllagerbestände wie in der ersten Jahreshälfte 2008 deutlich und für einen längeren Zeitraum unter den 5-Jahresdurchschnitt absinken. Laut Internationaler Energieagentur ist dies in Europa und Asien bereits seit einigen Monaten der Fall, was die seit März bestehende Backwardation in der Brent-Terminkurve erklären kann. Ist Ähnliches auch bei WTI zu erwarten? Wir denken, dass dies eher unwahrscheinlich ist. In den letzten drei Wochen sind die US-Rohöllagerbestände per saldo wieder gestiegen, so dass sich mittlerweile erneut ein leichter Lagerüberhang gebildet hat.

Der vorherige Rückgang der US-Rohöllagerbestände war in erster Linie auf ungewöhnlich niedrigere Rohölimporte zurückzuführen (Grafik 3). Sobald sich diese normalisieren, dürften die Lagerbestände ebenfalls wieder steigen. Auf der Nachfrageseite gab es dagegen bis zuletzt keine nennenswerte Erholung. Die Raffinerieauslastung ist in den letzten Wochen jahreszeitüblich sogar deutlich zurückgegangen, weil die Raffinerien Wartungsarbeiten durchführten und ihre Produktion auf Winterbetrieb umstellten. Eine nach der Umstellung wieder höhere Raffinerieauslastung dürfte durch höhere Rohölimporte kompensiert werden.

Wie wird es mit der Preisdifferenz zwischen Brent und WTI weitergehen? Wir rechnen mit einem weiteren Rückgang auf 10 USD je Barrel bis Ende 2012. Mit der Rückkehr des Ölangebots aus Libyen sollte die Angebotsknappheit am Brentmarkt im Laufe des kommenden Jahres verschwinden. Eine Einengung der Preisdifferenz auf weniger als 10 USD könnte sich durch die jüngste Verschiebung einer Entscheidung über den Bau der Keystone-Pipeline verzögern, denn erst diese wird es ermöglichen, Rohöl aus Kanada direkt an die US-Golfküste zu transportieren und nach Übersee zu exportieren (siehe auch Rohstoffe kompakt vom 14. Februar 2011).

Bis dahin bleiben die Arbitragemöglichkeiten allerdings eingeschränkt und das Überangebot am US-Ölmarkt voraussichtlich bestehen. Dies gilt umso mehr, da die US-Ölproduktion im Oktober auf den höchsten Stand seit mehr als 8 Jahren gestiegen ist.

Die Ölpreise dürften ihr derzeit hohes Niveau nicht halten. Die nachlassende Konjunktur-dynamik in den wichtigsten Ölverbrauchsländern dürfte sich in einer geringeren Ölnachfrage bemerkbar machen. Dazu dürfte sich die Angebotsseite durch die Rückkehr der Ölproduktion in Libyen in den kommenden Monaten merklich entspannen.




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