Dissens in der OPEC


Die OPEC gab dem starken Drängen der Nachfrageländer entgegen vorheriger Verlautbarungen einiger Teilnehmer nicht nach und ließ die Förderquoten unverändert. Damit verbleibt die offizielle Fördermenge bei den seit zweieinhalb Jahren geltenden 24,85 Mio. Barrel pro Tag. Während sich Saudi-Arabien, Katar, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate für eine Erhöhung ausgesprochen hatten und Nigeria sich der Stimme enthielt, stemmten sich die übrigen sechs quotengebundenen Mitgliedsländer aus Furcht vor einem Preiseinbruch dagegen.
Neu ist dabei weniger, dass es eine Meinungsverschiedenheit gibt. Auch in der Vergangenheit hatten sich einige Länder als “Falken“ gezeigt. Venezuela, Iran, Ekuador und Algerien hatten immer wieder gegen Produktionserhöhungen argumentiert. Als Faustformel könnte man sagen: je stärker die Länder auf die Öleinnahmen angewiesen sind, desto zögerlicher zeigten sie sich in der Vergangenheit bei Quotenanhebungen. Neu ist aber, dass sich die arabischen Produzenten - und allen voran Saudi-Arabien als mit Abstand größter Produzent - mit ihrer Meinung nicht haben durchsetzen können.
Auf den ersten Blick mag der zunehmende Einfluss der Falken den Preis unterstützen. Und tatsächlich ist der Ölpreis in den Tagen nach der Bekanntgabe der “Entscheidung“ um bis zu 6 USD je Barrel gestiegen. Darüber hinaus könnte sich der stärkere Einfluss der Falken angesichts der “neuen“ Zusammensetzung der OPEC als dauerhaft erweisen. Denn schließlich hat mit Indonesien im Jahr 2008 eine Taube das Kartell verlassen, während im Jahr zuvor mit Angola ein starker Nettoexporteur als potentieller Falke hinzugekommen ist. Nicht zuletzt ist zu beachten, dass die meisten OPEC Länder stärker als je zuvor auf hohe Öleinnahmen angewiesen sind, weil die Staatsausgaben teilweise zusätzlich bedingt durch die politischen Unruhen stark gestiegen sind.
Mittelfristig könnte sich hier eine Schwachstelle auftun: Denn ein Kartell ist nur dann stark, wenn es in der Lage ist, einen Konsens zu finden. Dies gilt umso mehr, als dass Saudi-Arabien angekündigt hat, unilateral die Produktion anzuheben. Diese Alleingänge haben sich auch in der Vergangenheit nicht immer als erfolgreich erwiesen (siehe Kasten).
Saudi-Arabiens Alleingänge waren nicht immer erfolgreich Sie sind zwar nicht die Regel, aber auch in der Vergangenheit gab es einige offene Konfliktsituationen in der OPEC. So war beispielsweise Mitte der 80er Jahre die Stimmung stark angespannt. Denn nachdem die Preise Anfang des Jahrzehnts stark unter Druck geraten waren, hatte sich Saudi-Arabien angeboten, als „Swing Producer“ die Preise über Produktionskürzungen zu stabilisieren. Doch die Strategie ging trotz starker Produktionskürzungen nicht auf. Saudi-Arabien beschloss daraufhin die Produktion wieder zu erhöhen, um durch höhere Absatzmengen die sich verschlechternden Staatsfinanzen zu sanieren. Der Ölpreis geriet daraufhin noch weiter unter Druck. Binnen eines Jahres fiel er von 30 USD auf 10 USD je Barrel. Erst als sich im Oktober 1986 die Mitglieder auf eine gemeinsame Kürzung der Produktionsquoten einigten, konnte der Ölpreisverfall gestoppt werden und die Preise erholten sich wieder.
Auch Ende der 90er Jahre war das Handeln der OPEC nur begrenzt abgestimmt. Damals war der Ölpreis ebenfalls stark unter Druck geraten. Das Kartell konnte sich zwar offiziell auf Quotenkürzungen einigen, allerdings hielten sich die einzelnen Länder nicht daran und produzierten über Quote. Hinzu kam, dass der Irak seit 1998 von der Quote ausgenommen war und seine Förderung massiv erhöhte. Einen offenen Dissens zwischen den Mitgliedern gab es dann im Jahr 2000, als sich die Preise bereits wieder deutlich erholt hatten. Iran votierte gegen die nun anstehenden Produktionserhöhungen, weil primär Saudi-Arabien in der Lage war, mehr Öl zu produzieren und die anderen Produzenten Marktanteile verlieren würden. Abgesetzt von den offiziellen Haltung der OPEC hatte sich Saudi-Arabien im übrigen auch im September 2008.
Nach der ersten starken Preiskorrektur am Ölmarkt hatten sich die Mitgliedsländer eigentlich darauf verständigt, die Produktionsquoten strikt einzuhalten. M.a.W. die Produktion zu senken. Saudi-Arabien erklärte jedoch im Nachgang das erhöhte Produktionsniveau zunächst beizubehalten. Der Preis brach daraufhin weiter ein, was die heutige Skepsis der OPEC-Mitglieder teilweise erklären kann.

Letztlich ist die Quote ohnehin nur ein Mosaikstein für das tatsächliche Angebot der OPEC, die derzeit einschließlich der sogenannten Erdgaskondensate („NGLs“) knapp 40% des weltweiten Ölangebots stellt. Saudi-Arabien hat bereits angekündigt, auch ohne offiziellen Beschluss das Angebot auszuweiten, falls die Nachfrage dies erforderlich macht. Zusammen mit seinen arabischen Verbündeten wollte Saudi-Arabien die offizielle Förderquote um 1,5 Mio. Barrel pro Tag anheben. Dies dürfte auch die Richtschnur für die zu erwartende Angebotsausweitung sein. Zwei Drittel dieser Produktionssteigerung wurden dabei bereits vor der OPEC-Sitzung umgesetzt. Im Juni soll die Ölproduktion Saudi-Arabiens aktuellen Angaben zufolge sogar auf knapp 10 Mio. Barrel pro Tag ausgeweitet werden.
Saudi-Arabien ist damit der Internationalen Energieagentur IEA entgegen gekommen, die nach ihrer letzten Direktoriumssitzung ungewöhnlich laut eine Anhebung des Outputs gefordert hatte. In die Hände der Befürworter einer Quotenanhebung spielte auch die jüngste Prognoseanhebung der globalen Ölnachfrage seitens der amerikanischen Energieagentur EIA. Sie rechnet nun mit einem Anstieg um 1,7 Mio. Barrel pro Tag.
Zum Vergleich: von 2000 bis 2010 ist die globale Ölnachfrage jährlich nur um gut 1 Mio. Barrel pro Tag gestiegen. Maßgeblich für die Aufwärtsrevision um 300 Tsd. Barrel pro Tag sei der steigende Ölbedarf zur Elektrizitätserzeugung in China (+120 Tsd.), Japan (+80 Tsd.) und im Nahen Osten (+110 Tsd.). Zudem wies die EIA in ihrem Monatsbericht auf die stark schrumpfenden Lagerbestände auf See hin. Selbst die OPEC sieht in ihrem aktuellen Monatsbericht für dieses Jahr eine Angebotslücke von 1 Mio. Barrel pro Tag, was die Entscheidung gegen eine Anhebung der Förderquoten noch dubioser macht.