Dissens in der OPEC

In den Augen der Öffentlichkeit wird die OPEC meist als mächtige Institution in einem ohnehin schon preisunelastischen Markt wahrgenommen. Wissenschaftliche Studien kommen hingegen zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich ihrer Fähigkeit, den Wettbewerb zu überwinden und die Preise nach ihren Wünschen zu beeinflussen. Almoguera und Herrera (2007) wagen einen Syntheseversuch und konstatieren der OPEC zeitweise wechselndes oligopolistisches und wettbewerbliches Verhalten. Auf Basis einer Regressionsanalyse ermitteln sie, dass sich das Verhalten der OPEC-Mitglieder in den meisten Fällen am besten durch den sog.
Cournot-Wettbewerb beschreiben lässt. Das bedeutet, dass im Rahmen von im Vorhinein festgesetzten Gesamtfördermengen und sich daraus ergebenden Weltmarktpreisen die OPEC-Länder individuell und ohne Rücksicht auf andere OPEC-Mitglieder ihren Gewinn maximieren. Die OPEC tritt somit nicht als ein einzelner Anbieter auf, und ist daher nur graduell zu einer Preisfestsetzung fähig. Der neuerliche Alleingang Saudi Arabiens untermauert das Ergebnis der Studie. Allerdings führt die begrenzte Zahl der OPEC-Mitglieder dazu, dass sich keine vollständige Wettbewerbssituation einstellt und die Weltmarktpreise nach oben hin verzerrtm bleiben.

Vor diesem Hintergrund spielten die Konjunkturrisiken, die die EIA noch im Monat zuvor zu einer Abwärtskorrektur ihrer Prognose bewogen hatten, kaum noch eine Rolle. Dies könnte sich aber ändern, falls der Ölpreis weiter steigt. Von daher ist das Verhalten der Verweigerer einer Quotenanhebung nicht ohne Risiko. Im Jahr 2008 war der fortgesetzte Ölpreisanstieg bis auf knapp 150 USD je Barrel für den darauffolgenden Nachfrageeinbruch und den Absturz der Preise um 75% mit verantwortlich. Zudem setzen sie mit ihrer Haltung die Glaubwürdigkeit des Kartells aufs Spiel.
Wenn sich die Interessen der Kartellmitglieder deutlich unterscheiden, wie dies offensichtlich beim letzten OPEC-Treffen der Fall war, kann dies die Grundlage des Zusammenschlusses in Frage stellen. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass die OPEC auseinanderfällt. Die Mitglieder dürften in Zukunft aber häufiger eigene Wege gehen und nur noch im Krisenfall, d.h. bei kräftig fallenden Preisen, Geschlossenheit demonstrieren. Somit spricht die derzeitige Zerstrittenheit der OPEC mittel- bis langfristig für ein niedrigeres Preisniveau als wenn die Kartellmitglieder Geschlossenheit demonstrieren würden. Zudem klafft bereits jetzt eine Lücke von 1,4 Mio. Barrel pro Tag zwischen der offiziellen Förderquote und dem tatsächlichen Ölangebot, obwohl gut 1 Mio. Barrel pro Tag am libyschen Öl fehlen.
Eine Anpassung der Quote an die Realität hätte diese Diskrepanz beseitigen können. Allerdings hat die OPEC die Möglichkeit, ihren Fehler von letzter Woche wieder zu korrigieren. Zwar wurde die nächste offizielle Sitzung erst für den 14. Dezember anberaumt. Dennoch will man den Markt in den nächsten drei Monaten beobachten und sich gegebenenfalls im September erneut treffen.
Wie wird sich der Ölpreis in den kommenden Monaten entwickeln? Wir denken, dass der Preisanstieg nach der OPEC-Sitzung auf 120 USD je Barrel in erster Linie auf kurzfristig orientierte Finanzanleger zurückzuführen war. Einige von ihnen dürften im Vorfeld der OPEC-Sitzung durch die Kommentare von OPEC-Delegierten, die eine Quotenanhebung in Aussicht gestellt hatten, auf die falsche Fährte gelockt worden sein. Dies legen die jüngsten CFTC-Daten zur Marktpositionierung nahe, welche im Vorfeld der OPEC-Sitzung einen Anstieg der spekulativen Short-Positionen zeigten. Als die Anhebung dann ausblieb, mussten diese Wetten auf fallende Preise wieder eingedeckt werden, um Verluste zu vermeiden.
Genaueren Aufschluss hierüber können die Daten zur Marktpositionierung geben, welche Ende der Woche von der US-Börsenaufsichtsbehörde CFTC veröffentlicht werden. Sobald jedoch klar wird, dass das Ölangebot auch ohne offiziellen Beschluss ausgeweitet wird, dürfte der Ölpreis seine nach der OPEC-Sitzung erzielten Gewinne wieder abgeben. Dass es sich bei der derzeitigen Preisbewegung um eine Übertreibung handelt, zeigt auch die Ausweitung der Preisdifferenz zwischen Bent und WTI, welche auf ein Rekordniveau von mehr als 22 USD je Barrel angestiegen ist.
Auch die Nachfrage dürfte vom dauerhaft hohen Preisniveau in Mitleidenschaft gezogen werden, was sich in einem niedrigeren Ölverbrauch und der Suche nach alternativen Energieträgern niederschlagen dürfte. Wir rechnen weiterhin mit einem Preisrückgang auf 100 USD je Barrel bis zum Jahresende. Dem legt freilich die Annahme zugrunde, dass es zu einer allmählichen Beruhigung der Lage in Libyen und im Nahen Osten und entsprechend zu einem Rückgang der Risikoprämie kommt.
Auf einen Blick



