Unruhen sprechen für langfristig höheren Ölpreis


Der Ölpreis ist in der vergangenen Woche um knapp 17 USD gefallen, was dem größten absoluten Wochenrückgang aller Zeiten entspricht. Der Preissturz ist nicht auf eine fundamentale Neubewertung zurückzuführen, sondern auf einen kurzzeitigen Ausverkauf, welcher nahezu unterschiedslos alle Rohstoffe erfasste. Die Angebots-Nachfrage-Relation bei Öl hat sich seit letzter Woche nicht verändert. Die Kämpfe in Libyen und die Proteste im Nahen Oste, welche seit Jahresbeginn zu einem deutlichen Anstieg der Risikoprämie geführt haben (Grafik 1), dauern an.
Eine baldige Wiederaufnahme der Öllieferungen aus Libyen ist illusorisch. Zudem besteht nach wie vor das Risiko, dass auch andere wichtige ölproduzierende Länder der Region von den Unruhen erfasst werden könnten. So gibt es weiterhin Proteste in Jemen, Bahrain und zuletzt verstärkt auch in Syrien. Diese Länder sind zwar für die weltweite Ölproduktion unerheblich, spielen aber für die Stabilität in dieser ölreichen Region eine wichtige Rolle, zumal sie in unmittelbarer Nachbarschaft zum weltgrößten Ölexporteur Saudi-Arabien liegen. Solange die Unruhen in diesen Ländern anhalten, ist ein Rückgang der Risikoprämie unwahrscheinlich. Der Ölpreis bleibt damit zunächst nach unten gut unterstützt.
Wir erwarten daher, dass der Ölpreis zumindest bis Mitte des Jahres noch einmal steigen kann. Einen Preisanstieg deutlich über das letzte Woche bei 127 USD erreichte Niveau hinaus sehen wir jedoch nicht. Denn es gibt bereits sichtbare Anzeichen dafür, dass das hohe Preisniveau die Ölnachfrage zu beeinträchtigen beginnt. In den USA erholt sich die Benzinnachfrage aufgrund der hohen Benzinpreise deutlich schleppender als zu dieser Jahreszeit üblich. Saudi-Arabien hat bereits sein Missfallen gegenüber dem hohen Ölpreisniveau zum Ausdruck gebracht, was als Vorstufe einer Angebotsausweitung gelten kann. Angesichts freier Förderkapazitäten von gut 4 Mio. Barrel pro Tag besteht dafür reichlich Spielraum.
Doch selbst wenn sich die Lage in Nordafrika und im Nahen Naher Osten einmal beruhigen sollte, dürfte der Ölpreis nicht wieder auf das Niveau zurückfallen, welches vor dem Ausbruch der Unruhen Bestand hatte. Die Risikoprämie dürfte nicht komplett verschwinden, da die Marktteilnehmer das Risiko von Produktionsausfällen nicht vollständig auspreisen werden.

Höhere Staatsausgaben erfordern höheren Ölpreis
Um ein Ausbreiten der Proteste zu verhindern, haben viele arabische Länder eine deutliche Erhöhung der Staatsausgaben in Aussicht gestellt. Dies gilt insbesondere für Saudi-Arabien, wo vom König Ausgabenprogramme in Höhe von knapp 130 Mrd. USD angekündigt wurden. Der Großteil betrifft Ausgaben für die Infrastruktur. Laut dem Analysedienst PIRA sollen davon mindestens 23 Mrd. USD für konsumtive Zwecke ausgegeben werden. Hierzu zählen u.a. die Zahlung von Arbeitslosengeld, Bonuszahlungen in Höhe von zwei Monatsgehältern für die Beschäftigten im öffentlichen Sektor und die Einführung eines Mindestlohnes von umgerechnet 800 USD pro Monat. Diese Ausgaben dürften nur schwer wieder rückgängig zu machen sein, ohne das Risiko erneuter Proteste eraufzubeschwören und dürften daher die Staatsausgaben dauerhaft erhöhen.
PIRA beziffert die zusätzlichen Ausgaben für das laufende Jahr auf 68 Mrd. USD. Zusammen mit den bislang im Haushalt veranschlagten 155 Mrd. USD würde dies eine Ausgabenerhöhung um 40% gegenüber dem Vorjahr bedeuten. Dies muss durch entsprechend höhere Staatseinnahmen finanziert werden, welche zu knapp 90% aus dem Ölgeschäft stammen. Das heißt, steigen die Staatsausgaben um 1 Mrd. USD, müssen die Öleinnahmen um ca. 900 Mio. USD gesteigert werden. Beim derzeitigen Fördervolumen von 8,5 Mio. Barrel pro Tag bringt ein um zehn USD höherer Ölpreis jährliche Zusatzeinnahmen von 31 Mrd. USD.
Unter der Annahme der von PIRA unterstellten zusätzlichen Ausgaben und einer konstanten Fördermenge müsste der Ölpreis also um 20 USD je Barrel höher liegen. Bei durchschnittlichen Ölexporten von 8,3 Mio. Barrel pro Tag kommt PIRA für dieses Jahr auf einen benötigten Ölpreis von 85 USD je Barrel, um den Staatshaushalt im Gleichgewicht zu halten.
In den vergangenen fünf Jahren sind die Staatsausgaben in Saudi-Arabien jährlich um 14% gestiegen. Dies war eine unmittelbare Folge der durch den höheren Ölpreis gestiegenen Staatseinnahmen (Grafiken 2 und 3). Setzt sich dieses Ausgabenwachstum in den kommenden Jahren fort, würde dies laut Schätzung von PIRA im Jahr 2015 einen Ölpreis von 140 USD je Barrel erfordern. Bei einem etwas niedrigeren Ausgabenanstieg um 11% pro Jahr steigt der erforderliche Ölpreis bis 2015 auf 114 USD je Barrel. Dabei wird von PIRA unterstellt, dass sich das Ausgabenverhalten nicht ändert.
Die Anpassung auf der Einnahmenseite erfolgt zudem allein durch Veränderungen des Ölpreises und die Öleinnahmen tragen im selben Ausmaß wie bislang zu den Staatseinnahmen bei. Es ist natürlich möglich, dass auch andere Einnahmequellen aufgetan werden, z.B. Privatisierungen, die Einführung von Steuern oder die Emission von Staatsanleihen. Zudem könnten die Öleinnahmen auch durch eine höhere Fördermenge gesteigert werden, zumal das Land über Förderkapazitäten von 12,5 Mio. Barrel pro Tag verfügt und die weltweite Ölnachfrage laut IEA bis 2015 jährlich um 1,7% steigen soll. Die Zahlen von PIRA dürften daher die Obergrenze darstellen. Dennoch wird deutlich, dass die zum Ausgleich des Haushalts benötigten Ölpreise langfristig steigen dürften.