Getreide und Baumwolle: Aufwärts geht's (n)immer?

Anfang März schloss der nächstfällige Baumwoll-Terminkontrakt bei 215 US-Cents je Pfund und damit auf dem höchsten Stand seit 140 Jahren. Angesichts der angespannten Angebotssituation dürfte der Baumwollpreis zumindest bis zur Jahresmitte auf einem sehr hohen Niveau verharren. Die weltweiten Baumwolllagerbestände sollen Ende des laufenden Erntejahres auf ein 15-Jahrestief absinken (Grafik 9). Im weltgrößten Exportland USA sollen sie sogar auf ein Rekordtief fallen. Erst unlängst wurde die Schätzung vom USDA nochmals um 16% auf nur noch 348 Tsd. Tonnen nach unten revidiert. Das entspricht einer Reichweite von lediglich 1,2 Monaten bezogen auf die Exporte.
Die Angebotsverknappung lässt sich auf zahlreiche Faktoren zurückführen. Zu nennen sind hier die zum zweiten Mal enttäuschende Ernte im weltgrößten Verbrauchsland China, die trotz Erntezuwachs in geringerem Umfang zugeteilten Exportlizenzen im zweitgrößten Exportland Indien und die überflutungsbedingten Beeinträchtigung der Produktion in Pakistan und im viertgrößten Exportland Australien. Das USDA erwartet für das laufende Erntejahr ein globales Marktdefizit von gut 550.000 Tonnen, nachdem die Nachfrage das Angebot im vergangenen Erntejahr sogar um 3,7 Mio. Tonnen übertraf.
Die längerfristige Perspektive deutet auf eine Entlastung der Angebotssituation hin. Das International Cotton Advisory Committee (ICAC) rechnet für 2010/11 dagegen mit einem quasi ausgeglichenen Markt und für 2011/12 sogar mit einem Überschuss von ca. 2 Mio. Tonnen, da die Produktion im zum August startenden Jahr 2011/12 um 12% auf 27,4 Mio. Tonnen steigen soll. Dies würde eine zumindest leichte Wiederaufstockung der stark abgeschmolzenen Lagerbestände erlauben.
Angesichts des hohen Preisniveaus dürfte die mit Baumwolle bestellte Fläche deutlich ausgedehnt werden. Das ICAC rechnet weltweit mit einer Ausdehnung der Baumwollanbaufläche um 8% auf den höchsten Wert in 16 Jahren. In den USA, wo nach jahrelangen Rückgängen bereits im Vorjahr ein deutliches Flächenplus zu verzeichnen war, soll laut einer Ende März veröffentlichten Umfrage des USDA die Baumwollfläche in diesem Jahr gegenüber 2010 um weitere 15% ausgedehnt werden (Grafik 10, Seite 6). Für Indien, den zweitgrößten Lieferanten auf dem Weltmarkt, gehen Schätzungen von einer um 12-15% höheren Anbaufläche aus. In China soll die Baumwollfläche ebenfalls um 5% steigen.

Allerdings steht Baumwolle in scharfer Konkurrenz um Fläche insbesondere mit Mais, welcher zuletzt im Preis ähnlich stark gestiegen ist. Es ist also noch nicht ausgemacht, um wie viel die Baumwollfläche im drittgrößten Anbauland und größten Exportland USA in diesem Jahr tatsächlich ausgedehnt wird. Die Bauern können für die nächste Ernte außerdem nicht mit den gegenwärtigen Baumwollpreisen kalkulieren, sondern mit Preisen, die sich an den deutlich niedrigeren Termin-Preisen orientieren werden (Grafik 11).
Ein Blick auf die Terminkurve zeigt nämlich, dass der Markt im zweiten Halbjahr mit deutlich nachgebenden Preisen rechnet. Der Kontrakt mit Fälligkeit Dezember 2011 notiert derzeit bei 130 US-Cents (Grafik 11). Folglich könnten sich die Bauern spontan gegen Baumwolle und stattdessen zugunsten von Mais entscheiden. Auch die spekulativen Anleger haben inzwischen ihre Netto-Long-Positionen stark reduziert (Grafik 19), was ihre steigende Skepsis über die weitere Preisentwicklung ausdrückt.
Auf der Nachfrageseite sollte das hohe Preisniveau zu einer Dämpfung der Entwicklung beitragen. Lange zeigte sich die Nachfrage insbesondere aus dem größten Importland China unbeeindruckt dynamisch. Insgesamt legten die chinesischen Importe an Baumwolle in den letzten beiden Jahren um mehr als das Doppelte auf 3,3 Mio. Tonnen zu. Unklar ist nun, wie deutlich die Spuren sein werden, die die Maßnahmen zur Inflationseindämmung und die hohen Baumwollpreise in China bei der dortigen Baumwollnachfrage hinterlassen werden. Dem stehen allerdings Pläne zum Wiederaufbau der staatlichen Baumwollreserven gegenüber.
Zu diesem Zweck soll zwischen September 2011 und März 2012 Baumwolle in noch nicht spezifiziertem Volumen zu Preisen von umgerechnet 140 US-Cents je Pfund gekauft werden. Die baumwollverarbeitende Industrie Indiens drängt zudem darauf, dass trotz guter Ernte keine weiteren Exporte vorgenommen werden, solange die dortigen Lagerbestände niedrig sind. Diese sind mit einer Reichweite von 10,6 Wochen des Verbrauchs historisch niedrig.
Angesichts der erwarteten Angebotsentspannung sollten die Baumwollpreise vom gegenwärtigen Niveau im Jahresverlauf deutlich nachgeben. Für Q4 2011 erwarten wir einen Preis von 130 US-Cents je Pfund. Im historischen Vergleich betrachtet dürften sie damit noch immer auf hohem Niveau bleiben. Das Risiko liegt aufgrund einer möglicherweise geringer als erwarteten Flächenausweitung und der geplanten chinesischen Reservekäufe zudem auf der oberen Seite.

Auf einen Blick


