Ernten dürften Getreidepreise nicht mehr belasten

Der US-Weizenpreis ist Anfang September auf ein 2 ½ Jahrestief von 4,30 USD je Scheffel gefallen. Seither lässt sich eine Stabilisierung zwischen 4,30 und 4,50 USD beobachten (Grafik 1). Aufgrund bestehender Ernterisiken auf der Südhalbkugel, einer zu erwartenden Rückführung der Anbauflächen im kommenden Jahr und einer anziehenden Nachfrage rechnen wir bis Ende des Jahres und im kommenden Jahr mit moderat steigenden Weizenpreisen. Die reichlich gefüllten weltweiten Lagerbestände dürften das Anstiegspotenzial allerdings begrenzen, so dass sich Weizen im Vergleich zu Mais nur unterdurchschnittlich entwickeln dürfte. Wir prognostizieren einen durchschnittlichen Weizenpreis von 5 USD je Scheffel im vierten Quartal und einen Anstieg auf 6 USD je Scheffel bis Ende 2010.
Die Weizenpreise sind in den Sommermonaten stark unter Druck geraten. Denn die Weizenernte auf der Nordhalbkugel dürfte in diesem Jahr besser ausgefallen sein als zunächst erwartet. Grund hierfür ist das günstige Wetter in den letzten Wochen der Wachstumsphase und während der Ernte. Dies hat zu höheren durchschnittlichen Ernterträgen geführt.
Der Rückgang der Anbauflächen sowie die witterungsbedingten Verzögerungen im Frühjahr konnten so teilweise wettgemacht werden. Besonders augenfällig ist dies bei der Weizenernte in den USA, dem weltgrößten Weizenexportland. Die US-Ernteschätzung wurde vom USLandwirtschaftsministerium (USDA) in den vergangenen vier Monaten um insgesamt 10% nach oben revidiert. Das USDA geht in seiner aktuellen Schätzung davon aus, dass die weltweite Weizenproduktion im laufenden Erntejahr 6 Mio. Tonnen höher ausfallen wird als bei der ersten Schätzung im Mai.
Der International Grains Council (IGC) hat seine Ernteschätzung im selben Zeitraum sogar um 14 Mio. Tonnen nach oben revidiert. Da gleichzeitig die Prognose für den weltweiten Weizenverbrauch nur geringfügig angehoben wurde, steigt der erwartete Angebotsüberschuss auf dem Weizenmarkt. Dieser dürfte sich laut USDA auf 17 Mio. Tonnen und laut IGC sogar auf 22 Mio. Tonnen belaufen, nachdem im Vorjahr der Angebotsüberschuss 45 Mio. betrug. In der Folge sollen die weltweiten Weizenlagerbestände zum Ende des laufenden Erntejahres auf 186,6 Mio. Tonnen steigen (Grafik 2). Das ist der höchste Stand seit acht Jahren und liegt 64 Mio. Tonnen über dem vor zwei Jahren verzeichneten 28-Jahrestief. Eine Knappheit besteht bei Weizen im Gegensatz zu vielen anderen Agrarrohstoffen somit nicht.
Der Weizenpreis hat zuletzt aber nicht mehr auf die anhaltenden Aufwärtsrevisionen der Ernteprognosen reagiert. Dies kann ein Indiz dafür sein, dass die negativen Nachrichten mittlerweile größtenteils eingepreist sind und dass das weitere Abwärtspotenzial für die Weizenpreise somit begrenzt ist. Dazu passt auch, dass die kurzfristig orientierten Marktteilnehmer derzeit so negativ für Weizen gestimmt sind wie zuletzt vor knapp vier Jahren (Grafik 8, Seite 5). Dies spricht kurzfristig für eine Bodenbildung und unterstützt mittelfristig steigende Preise.
Wir erachten die Ernterisiken in Australien weiterhin nicht ausreichend berücksichtigt. Der staatliche australische Analysedienst ABARE hat seine Prognose für die australische Weizenernte trotz der Regenarmut in weiten Teilen des Landes unlängst sogar um 3,4% auf 22,7 Mio. Tonnen nach oben revidiert. Sollte es aufgrund von El Nino zu größeren Ernteausfällen in Australien kommen, ist mit einem stärkeren Preisanstieg zu rechnen als oben dargestellt.
