Industriemetalle: Ein Blick in die Lager (Teil 2)

Die LME-Lagerbestände gelten gemeinhin als eine der wichtigsten Indikatoren für die Knappheit am Markt. Kritisch hatten wir schon in unserer ersten Kurzstudie zu diesem Thema darauf hingewiesen, dass sie in der Regel weniger als die Hälfte der gesamten Lagerbestände abbilden. Nichtsdestotrotz sind sie ob ihrer Aktualität ein vielbeachteter Indikator. Entsprechend hat der dramatische Anstieg der LME-Lagerbestände in jüngster Zeit die Preise für Industriemetalle stark unter Druck gesetzt. Aber die Frage ist, inwieweit sind die Vorräte “neu“ oder handelt es sich lediglich um ein Sichtbarwerden von bereits an anderen Orten vorhandenen Lagerbeständen?
Um dieser Frage nachzugehen, haben wir Ende 2008 einen der wichtigsten LME-Lagerhausbetreiber besucht. Anders als manch einer mutmaßen könnte, werden die Vorräte nicht direkt an der LME in London gelagert, sondern in einem der 400 Lagerhäuser, die über die gesamte Welt verteilt sind. Diese werden nicht von der LME selbst betrieben, sondern lediglich von dieser zertifiziert und im System erfasst.
Für den Betrieb dieser Lagerhäuser sind unabhängige Gesellschaften wie das niederländische Unternehmen C.Steinweg Handelsveem B.V. in Rotterdam verantwortlich. C.Steinweg ist ein weltweit operierender Lagerhalter, Terminalbetreiber und Logistikdienstleister. Mit 52 Niederlassungen in 26 Ländern zählt. Steinweg zu den größten Anbietern weltweit für die Lagerhaltung von NE-Metallen, Soft Commodities und Chemikalien. Dabei hat die Bedeutung Asiens immer weiter zugenommen: 1984 wurde in Singapur das erste asiatische Büro eröffnet, mittlerweile befinden sich allein 14 Niederlassungen in China. Für uns von Interesse ist vor allem die Bedeutung C.Steinwegs für die LME Lagerhaltung. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen hier weltweit die größten Kapazitäten: Über die Hälfte der weltweiten LME Lagerbestände seien in C.Steinwegs LME-lizensierten Lagerhäusern eingelagert.

Wissenwertes zu der Funktionsweise der LME Lagerhäuser
1. Voraussetzung für die Zertifzierung eines LME-Lagerhauses ist, dass das Betreiberunternehmen finanziell solide ist, eine öffentliche Rechnungslegung hat und einen gewissen Mindestumschlag aufweisen kann. Darüber hinaus muss das Lager einen Anschluss an das Straßen-, Bahn- und Wasserwegenetz vorweisen bzw. gewisse Sicherheitsauflagen erfüllen.
2. Aufgaben: Bei Einlieferung der Ware prüft der Lagerhausbetreiber die Schmelznummern und die Ware wird gewogen. Sie wird dann in das System der LME (SWORD) eingegeben. Der Lagerhausbetreiber gibt durch seine in London ansässigen Agenten die sog. “Warrants“, die Lagerscheine, aus. Ein Warrant umfasst i.d.R. 25 Tonnen mit Ausnahme Zinn (5 Tonnen) und Nickel (6 Tonnen). Die Ware vor Ort wird codiert, so dass sie dem Besitzer nicht zugeordnet werden kann. Waren, die bei der LME registriert sind (“on warrant“), dürfen nicht bewegt werden.
3. Neben den registrierten Lagerbeständen (“on warrant“) befinden sich auch die “Cancelled Warrants“, also die gekündigten Lagerscheine, in den LME-Lägern. Die Statistik darüber wird ebenso wie die Lagerstatistik täglich veröffentlicht. Die LME kontrolliert, dass innerhalb von 1 bis 2 Wochen entschieden wird, ob die Ware tatsächlich ausgelagert wird oder wieder zurückgestellt wird.
4. Die Besitzer der Warrants sind in der Regel Händler, Produzenten oder auch Finanzinstitute. Häufig wechseln die Warrants aber bei Einlieferung den Besitzer.
Beispiel: Das Lagerunternehmen bestätigt dem Händler die Einlieferung des Materials durch den Produzenten. Nachdem die Bank des Produzenten den Eingang der Bezahlung durch den Händler (Käufer) bestätigt hat, stellt das Lagerunternehmen die Ware an den Käufer frei.
Die Vorteile einer höheren Liquidität an der LME müssen bezahlt werden
Die Lagerunternehmen bieten meist beides an: Die Lagerung im LME-Lagerhaus und die sonstige Lagerung. Beide Lagerkapazitäten befinden sich oft in direkter Nähe, sind aber eindeutig voneinander getrennt. Die Waren dürfen keinesfalls in der gleichen Halle gelagert werden. Grundsätzlich werden die Lagerkosten pro Tonne gerechnet. Ausschlaggebend sind die benötigte Fläche je Tonne und der Wert des Metalls.
Die Mietkosten werden von den Lagerhausbetreibern an die LME gemeldet und sind auf der Webseite der LME einzusehen. Die Spanne reicht durchschnittlich von 30 US Cents pro Tag je Tonne Blei bis rund 40 Cents für Nickel. Hinzu kommen die Kosten der Ein- und Auslagerung. Nach Aussagen von C.Steinweg sind die LME-Lagerkosten rund 20% höher als außerhalb. Als Faustregel gibt man an, dass die Ware mindestens 3 Monate eingelagert werden sollte, damit es sich rentiert.
Warum also wird dennoch zurzeit verstärkt bei der LME eingelagert? Ein Vorteil ist die Akzeptanz der ausgestellten LME-Warrants bei den meisten Banken als Sicherheit. Auch beim Dokumenten-Akkreditiv im Export-/Importgeschäft werden die LME-Warrants seitens der Lagerunternehmen gern benutzt. Auch sind die LME-Warrants “liquider“ als andere Lagerscheine - in Zeiten schwieriger Finanzierungsbedingungen oft ein wichtiger Grund für die Registrierung bei der LME. Nicht zuletzt geht man mit dem LME-Handel ein weitaus geringeres Kontrahentenrisiko ein als sonst und die Liquidität an der LME ist höher.
