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EEX: Wieder stromabwärts …

06.02.2017  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
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Immerhin wurde dies durch einen deutlichen Zuwachs bei Offshore-Windkraft überkompensiert. Dass aber die erneuerbaren Energien trotz der mageren Jahresleistung die Kohlekraft immer weiter zurückdrängen, zeigt laut Agora ein anderes Indiz: Denn an den insgesamt 32 Tagen, an denen die erneuerbaren Energien im letzten Jahr mehr als 50% des Stromverbrauchs deckten, sank die Leistung von Braun- und Steinkohlekraftwerken unter 20 GW.

Insgesamt wurde im letzten Jahr die Bruttostromerzeugung leicht gesteigert. Das war aber nicht auf einen gestiegenen Inlandsstromverbrauch zurückzuführen. Der ist nämlich nach dem Anstieg im Vorjahr wie im Trend der Jahre zuvor wieder gefallen und zeigt damit einmal mehr, dass sich Wirtschaftswachstum und Stromverbrauch dank der Effizienzgewinne voneinander entkoppelt haben.

Das Plus in der Erzeugung erklärt sich vielmehr damit, dass Deutschland physikalisch betrachtet mit 55,5 Terawattstunden bzw. knapp 9% der produzierten Leistung netto so viel Strom exportierte wie nie zuvor. Das war anders als in den Vorjahren nicht auf gestiegene Stromexporte zurückzuführen. Statt dessen fielen die Importe geringer aus. In der längerfristigen Tendenz hat Deutschland seine Position als Exporteur ausgebaut.

Wie aber sehen die weiteren Perspektiven aus? Hat das Jahr 2016 eine nachhaltige Trendwende eingeleitet? Für die kurzfristigen Tendenzen an der Strombörse bleiben die Erzeugungskosten der sogenannten Mittellast, also der Kohlekraftwerke, maßgeblich, auch wenn die Kohleverstromung weiter an Bedeutung verliert. Denn laut Bundesnetzagentur werden 2017 in Deutschland Kohlekraftwerke mit einer Kapazität in Höhe von 2,37 GW geschlossen, neben Kapazitäten von 1,3 GW bei Kernenergie und knapp 900 MW bei Braunkohle (Grafik 4).

Zwar haben sich auch die Teststatistiken unseres einfachen Preismodells verschlechtert, und die Schätzwerte liegen regelmäßig über den tatsächlichen Werten (Grafik 5), dennoch bleibt der Erklärungszusammenhang eng, so dass Kohle- und CO2-Preis vorerst die Preisrichtung bestimmen werden, zumal die Gaspreise zuletzt gestiegen sind und der Anreiz zum "Fuel-Switch" abgenomen hat. Und wie sehen die Tendenzen dort aus?

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Die Kohlepreise werden in diesem Jahr wohl weiter nachgeben. Denn der starke Importsog Chinas dürfte abflauen. Die chinesische Regierung hat zwar angekündigt, die Konsolidierung im Kohlesektor weiter voranzutreiben, aber die Einschnitte in der Förderung werden wohl nicht so hart ausfallen wie im Vorjahr. Gleichzeitig bremst die Verschärfung der Umweltauflagen den Kohlebedarf.

Auch in anderen Importregionen sinkt der Bedarf: In Indien überrascht die Kohleförderung bis zuletzt, so dass trotz steigender Nachfrage der Bedarf an Einfuhren sinkt. Japan könnte nach und nach die Atomkraft wieder hochfahren, was die Kohleinfuhren bremsen würde.

Auch in Europa fällt teils die Nachfrage stärker als die Produktion. Der Nachfragerückgang ist besonders stark in Großbritannien, wo die Einführung eines Mindestpreises für CO2 die Stillegung von Kohlekraftwerken zusätzlich forciert.

Auch in den USA war die Nachfrage in den letzten Jahren wegen der Stilllegung von Kraftwerken stark rückläufig: Ob die von Präsident Trump angekündigte Lockerung der Umweltauflagen für Kohlekraftwerke zu einer nachhaltigen Wende führen wird, ist vor allem deshalb schwer abzuschätzen, weil die ebenso versprochene Lockerung der Auflagen in der Schiefergasindustrie den Preis für das Konkurrenzprodukt Gas drücken wird.

Alles in allem erwarten wir unter der Voraussetzung, dass die chinesische Regierung nicht abermals mit starken Restriktionen im Kohlebergbau überrascht, dass die Kohlepreise dank der Abschwächung des dortigen Importsogs auf 60 USD je Tonne zum Jahresende fallen werden.

Der zweite variable Kostenfaktor bei der kohlebasierten Stromerzeugung sind die Kosten für den Ausstoß von CO2. Wie schon oben erwähnt, fallen die Kosten ob des niedrigen Preisniveaus nicht so stark ins Gewicht. Ohnehin ist aus fundamentaler Sicht das Erholungspotenzial für die CO2-Preis begrenzt: Schließlich ist wohl auch im letzten Jahr ein satter Überschuss am Markt aufgelaufen, denn die emissionsintensive Kohleverstromung ist deutlich gesunken.

Agora schätzt, dass der C02-Ausstoß der Kraftwerke in Europa um 4,5% zurückgegangen ist. Damit dürfte der kumulierte Überschuss an Emissionsrechten mittlerweile 3 Mrd. Tonnen übersteigen und bald doppelt so hoch sein wie der "Jahresbedarf". Dass wir dennoch an unserer Erwartung mittelfristig steigender Preise im Emissionshandel festhalten, ist allein dem politischen Willen geschuldet, dieses ehemalige Vorzeigeprojekt der EU nicht scheitern zu lassen. Die Strukturreform der vierten Handelsperiode dürfte in diesem Sinne weiter vorangetrieben werden.

Alles in allem sprechen die zu erwartende starke Verbilligung von Kohle bei nur mäßiger Verteuerung der Emissionsrechte für einen Rückgang der Börsenstrompreise. Zusätzlich preisbelastend sind die strukturellen Trends, sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite. Auf der Nachfrageseite geht die Prognos AG in ihren Mittelfristprognosen für die Übertragungsnetzbetreiber von einem in den nächsten fünf Jahren kontinuierlich weiter fallenden Strombedarf in Deutschland aus.

Die Industrie, der mit Abstand stromintensivste Sektor, der gut 45% des Nettostrombedarfs ausmacht, leistet hierzu zwar einen unterproportionalen Beitrag (Grafik 6).


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