Gespaltener Markt: Benzin gefragt, Diesel nicht


Entsprechend lasten volle Tanks an Mitteldestillaten auf den Verarbeitungsmargen von Diesel und bremsen vorerst eine Erholung aus. Mit der beginnenden Sommerfahrsaison in den USA ist die Marge am Benzinmarkt dagegen gut unterstützt. Für das Preisniveau bleibt aber an beiden Märkten der Rohölpreis maßgeblich.
Frühlingsanfang: Mit den steigenden Temperaturen wechselt am Markt für Ölprodukte der Fokus von Mitteldestillaten (Gasöl bzw. Diesel und Heizöl) auf Benzin. Der Saisonwechsel bedeutet üblicherweise auch, dass die Phase höherer Verarbeitungsmargen bzw. Crack-Spreads bei Diesel endet, und die Phase relativ höherer Benzinpreise beginnt. Doch dieser Winter verlief anders: zwar war der Crack-Spread bei Diesel im Durchschnitt noch immer höher als der von Benzin, aber statt wie in den letzten zehn Wintern mehr als 10 Dollar je Barrel über dem Crack-Spread von Benzin zu liegen, war der Abstand in diesem Winter gerade mal gut ein Dollar (Grafik 1).
Im Januar war der Diesel Crack-Spread sogar geringer als der von Benzin. Nun, mit Beginn der US-Fahrsaison, ist der grundsätzlich viel volatilere Crack-Spread am Benzinmarkt rund 3 US-Dollar höher als der von Diesel. Ausschlaggebend für den extrem niedrigen Diesel/Gasöl Crack-Spread sind die hohen Vorräte: Zum Ende der Heizsaison sind die Vorräte an Mitteldestillaten in den OECD-Ländern überreichlich (Grafik 2).
Ende Februar waren sie fast 100 Mio. Barrel höher als vor einem Jahr. Neun Monate waren die Lager kräftig und teils sogar gegen den üblichen Trend im Winter angeschwollen, so dass sie mittlerweile die Nachfrage von 35 Tagen decken könnten. Die Ursachen für die hohen Vorräte sind sowohl auf der Angebotsals auch auf der Nachfrageseite zu suchen.
Fast aller Orten war die Nachfrage nach Mitteldestillaten zuletzt extrem schwach. Das ist zum ersten die Folge eines milden Winters. In den USA beispielsweise war der Winter (Dezember bis Februar) dank des starken El Niño 4,6°F bzw. 2,6° Celsius wärmer als üblich und damit der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen überhaupt. Die Anzahl der sogenannten Tage mit Heizbedarf war in der Wintersaison insgesamt, also von Oktober bis März, 18% geringer als im letzten Jahr. Der Heizölbedarf rutschte entsprechend.

Neben der warmen Witterung bremsen strukturelle Trends die Heizölnachfrage. Denn in den letzten Jahren ist in Europa die früher in den Wintern übliche überdurchschnittliche Nachfrage nach Heiz-/ bzw. Gasöl immer weiter zurückgegangen (Grafik 3). Das liegt zum einen an den zahlreichen Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz. Zum anderen hat Öl zu Heizzwecken gegenüber anderen Energieträgern an Bedeutung verloren: der Anteil am Heizbedarf ist von 25% im Jahr 2003 auf 17% geschrumpft. In Europa bedeutet dies einen Rückgang der Gasölnachfrage um knapp ½ Mio. Barrel pro Tag bzw. 6% der europäischen Nachfrage nach Mitteldestillaten insgesamt.
Damit entfällt auf die Mitteldestillate allerdings noch immer über die Hälfte der europäischen Nachfrage nach Ölprodukten. Auch gilt: Weltweit ist das Verhältnis Mitteldestillate zu Benzin 1,5:1, in Europa ist es 4:1.
Hinzu kommt, dass die chinesische Nachfrage schwächelt: Jahrelang wuchs der chinesische Bedarf an Mitteldestillaten überproportional. Doch mit der Verlagerung zu einer mehr konsumorientierten Wirtschaft lässt er nach. Im Jahr 2015 dürfte die Dieselnachfrage in China noch auf Vorjahresniveau stagniert haben, aber das laufende Jahr begann mit einem Minus von 200 Tsd. Barrel pro Tag im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr. Global führt der schwache Trend der letzten Zeit dazu, dass nur noch ein Barrel von sechs zusätzlich nachgefragten Barrel Öl auf Mitteldestillate entfiel, während es vor 2014 noch jedes zweite Barrel war.
Der schwachen Nachfrage nach Mitteldestillaten steht ein hohes Angebot gegenüber. Mit Abstand am schnellsten wurden die Kapazitäten in China in den letzten Jahren ausgeweitet. Im ersten Quartal wurden in den Raffinerien 10,6 Mio. Barrel Rohöl pro Tag verarbeitet, zehn Jahre zuvor waren es knapp 6 Mio. Barrel pro Tag. Heute verfügt China über die zweithöchsten Verarbeitungskapazitäten nach den USA, wo die Raffinerieverarbeitung ebenfalls bereits seit einigen Jahren stark steigt: sie lag 2015 mehr als 1,5 Mio. Barrel pro Tag höher als 2009 und erreichte im Sommer einen neuen Rekord.
Beide Länder sorgten dank ihrer hohen Verarbeitung und des geringen eigenen Bedarfs für eine Dieselschwemme am Weltmarkt: Die USA exportierten im letzten Jahr 1,2 Mio. Barrel pro Tag, täglich rund 85 Tsd. Barrel mehr als im Vorjahr; hauptsächlich beliefert die USA Mittel- und Südamerika, aber auch nach Europa wurde zuletzt wieder verstärkt exportiert. Auch China exportierte 2015 so viel Diesel wie niemals zuvor. Und nach einem kleinen Rücksetzer zum Jahreswechsel erreichten die Netto-Dieselexporte in diesem März mit 1,2 Mio. Barrel pro Tag einen neuen Rekord. Die seitJahresbeginn geltenden Exportgenehmigungen für unabhängige Raffinerien (Teapot refineries) sprechen für eine Fortsetzung des Trends.
Fatal war, dass diese Mengen auf einen stark gesättigten Markt trafen. Denn in Europa, der wichtigsten Importregion, war nicht nur die Nachfrage schwach, sondern zugleich die eigene Produktion hoch: Lange Zeit hatten die europäischen Raffinerien ihre Produktion zurückgefahren, so dass im Jahr 2014 knapp 20% weniger verarbeitet wurden als im Jahr 2005. Doch im letzten Jahr stieg die Raffinerieverarbeitung erstmals seit 2005 wieder, und zwar um 700 Tsd. Barrel pro Tag. Das hat zweifellos ebenfalls zu überfüllten Tanks beigetragen, denn die europäischen Raffinerien stellen mit knapp der Hälfte am Output insgesamt den höchsten Anteil an Mitteldestillaten, auch wenn Europa aufgrund des hohen Bedarfs noch immer Nettoimporteur ist.