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Energie: Ausblick 2015: Schwierige Orientierungssuche

11.12.2014  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
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Alles in allem erwarten wir eine Reaktion auf der Angebotsseite, welche das Überangebot am Ölmarkt allmählich verringern wird. Die Nachfrage am Ölmarkt ist zwar kurzfristig weitgehend preisunelastisch. Mit anderen Worten: der niedrigere Ölpreis dürfte kaum zu einem signifikant höheren Ölverbrauch führen. Dennoch dürfte auch die globale Ölnachfrage allmählich zu einer Stabilisierung am Ölmarkt beitragen: Saisonale Impulse, aber auch eine leichte Belebung der Weltkonjunktur dürften die globale Ölnachfrage anschieben. Immerhin erwarten die Internationale Energieagentur und die OPEC für 2015 einen Anstieg der globalen Ölnachfrage von 1,1 Mio. Barrel pro Tag. Das wäre wieder ein stärkerer Anstieg als im laufenden Jahr. Die Nachfrage soll dabei in der zweiten Jahreshälfte wesentlich dynamischer ausfallen.

Der Bedarf an OPEC-Öl soll laut IEA im dritten und vierten Quartal 2015 immerhin auf 29,7 Mio. Barrel pro Tag steigen. Die von uns erwartete Verlangsamung des Nicht-OPEC-Angebots im zweiten Halbjahr nächsten Jahres dürfte den Bedarf an OPEC-Öl eher noch erhöhen. Das offizielle Produktionsziel der OPEC von 30 Mio. Barrel pro Tag sollte dann nicht mehr zu hoch, sondern angemessen sein. Alles in allem erwarten wir deshalb nach einer volatilen ersten Jahreshälfte eine Erholung der Ölpreise auf 80 USD je Barrel bis zum Jahresende.

Die Prognoserisiken sind zweifellos für das nächste Jahr höher als üblich. Der Ölpreis könnte noch weiter fallen, wenn sich die US-Schieferölproduzenten gegenüber dem niedrigen Ölpreis länger immun erweisen als von uns unterstellt.

Wenn sich keine Anzeichen für ein spürbares Abflachen des Produktionswachstums ergeben und die OPEC weiterhin spürbar über ihrem Produktionsziel von 30 Mio. Barrel pro Tag produziert, könnten in der ersten Jahreshälfte täglich über 1,5 Mio. Barrel pro Tag zu viel produziert werden. Zudem könnte sich das OPEC-Angebot weiter erhöhen. Denn durch die Einigung der kurdischen Provinzregierung mit der Zentralregierung in Bagdad über die bis zuletzt strittige Vermarktung und Verteilung der Öleinnahmen dürfte sich das Ölangebot aus dem Norden des Irak im kommenden Jahr erhöhen und auch in der offiziellen Exportstatistik des Irak sichtbar werden. Die Rede ist von bis zu 550 Tsd. Barrel pro Tag, wobei ein Teil davon schon jetzt ohne Genehmigung der Zentralregierung "illegal" an den Weltmarkt gelangt sein dürfte.

Es gibt aber auch Risiken, welche in die andere Richtung deuten. Bedingt durch den Vormarsch der IS-Terrormiliz im Norden und Westen des Irak kann das Ölangebot aus Kurdistan keineswegs als sicher angesehen werden. Zudem dürfte der geplante Ausbau der Produktionskapazitäten im Irak durch die angespannte Sicherheitslage weiter an Tempo verlieren. Das Nachbarland Iran wird seine Exporte vorerst nicht steigern können, nachdem die Verhandlungszeit über Irans Atomprogramm um sieben Monate verlängert wurde. Mindestens bis nächsten Sommer bleibt also die Deckelung der iranischen Ölexporte bei 1 Mio. Barrel pro Tag in Kraft. Auch das Ölangebot aus Libyen bleibt aufgrund der unsicheren Lage im Land risikobehaftet (Grafik 4).

Dort gibt es derzeit zwei rivalisierende Parlamente und Regierungen und wiederkehrende Blockaden und Besetzungen von Öleinrichtungen. Der Markt misst den Angebotsrisiken derzeit nur eine untergeordnete Bedeutung bei. Dies zeigt auch ein Blick auf die Terminkurve, welche sich in Contango befindet und damit auf eine reichliche Versorgung ohne nennenswerte kurzfristige Risiken hindeutet (Grafik 5). Gleichwohl zeigt die Terminkurve aber auch an, dass der Markt mittel- bis langfristig von steigenden Ölpreisen ausgeht.

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Ölprodukte: steigendes Angebot an Diesel, steigende Nachfrage nach Benzin

Im Abwärtssog der Rohölpreise haben sich seit Sommer auch die Ölprodukte massiv verbilligt. Diesel kostet mit 600 USD je Tonne 37% weniger als im Juni, der Benzinpreis ist mit 570 USD je Tonne sogar 47% niedriger als im Frühsommer. Diesel hat sich damit weniger, Benzin mehr als Rohöl verbilligt. Mit anderen Worten: der Crack-Spread, also der Preisabstand zwischen Ölprodukt und Rohöl, ist am Dieselmarkt gestiegen, während er am Benzinmarkt gefallen ist, was gegen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Preisniveau von Rohöl und dem Crack-Spread spricht.

Kurzfristig profitieren die Dieselpreise von dem steigenden Heizölbedarf in den Wintermonaten. Einen höheren Bedarf erzeugen zudem die ab nächstem Jahr geltenden schärferen Emissionsrichtlinien in einigen Seegebieten, so dass Schiffe dort nicht mehr Schweröl, sondern verstärkt schwefelärmeren Marinediesel als Treibstoff verwenden dürften. Laut IEA impliziert dies einen zusätzlichen Bedarf von 240 Tsd. Barrel pro Tag.

Doch die Belastungsfaktoren wiegen unseres Erachtens mittelfristig schwerer. Zum einen schwächelt die Nachfrage in zwei bedeutenden Absatzregionen: in Europa wegen der Konjunkturschwäche und in China wegen eines ebenfalls an Dynamik verlierenden Wirtschaftswachstums, zumal aufgrund des fortgeschrittenen Wachstumszyklus immer weniger Bedarf an Diesel besteht. Deshalb dürfte nach dem kleinen Minus im laufenden Jahr Chinas Dieselbedarf auch im nächsten Jahr nur leicht zunehmen. Zum anderen wächst das Angebot an Diesel an den Weltmärkten. So produzieren die USA mit der steigenden Raffinerieverarbeitung immer mehr Diesel und stellen aufgrund dessen steigende Mengen Diesel dem Weltmarkt zur Verfügung (Grafik 6 und 7).

Auch China hat massiv in Raffineriekapazitäten investiert und folglich in den letzten Monaten deutlich mehr Diesel exportiert als importiert. Das hohe Angebot am Weltmarkt dürfte höheren Crack-Spreads am Dieselmarkt entgegenstehen.

Etwas besser sieht die Lage am Benzinmarkt aus. Dieser dürfte von einer weiteren Belebung der Nachfrage in den beiden wichtigsten Absatzmärkten, USA und China, profitieren. Die Fahrzeugabsätze in den USA werden in diesem Jahr das höchste Niveau seit dem Jahr 2006 erreichen. Dank der positiven Konjunktur- und Arbeitsmarktlage in den USA dürfte sich dieser Trend im nächsten Jahr fortsetzen, was sich auch in einer steigenden US-Benzinnachfrage widerspiegeln sollte. Diese lag nach neun Monaten des laufenden Jahres auf dem höchsten Niveau seit vier Jahren. Der Höchstwert aus dem Jahr 2007 dürfte aufgrund einer besseren Kraftstoffeffizienz der neuen Fahrzeuge so schnell aber nicht wieder erreicht werden, auch wenn die Fahraktivität der US-Verbraucher zunimmt.

Die Zahl der gefahrenen Meilen lag in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres laut US-Transportministerium auf dem höchsten Niveau zu diesem Zeitpunkt des Jahres seit dem Rekordjahr 2007. In China dürfte in diesem Jahr mit 19 Mio. verkauften Autos das Rekordniveau des Vorjahres nochmals um ca. 1 Mio. Autos übertroffen werden. China dürfte dank steigender Raffineriekapazitäten dennoch weiterhin ein Netto-Exporteur von Benzin bleiben. Gleiches sind seit fünf Jahren auch die USA. Allerdings dürften die US-Netto-Benzinexporte während der nachfragestarken Sommermonate geringer ausfallen, was die Benzinmargen in Europa ebenso stützen sollte wie die sehr niedrigen Lagerbestände in der Region Amsterdam-Rotterdam-Antwerpen.

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