Doch ein freiwilliger Lieferstopp Russlands bzw. EU-Sanktionen in Form von Rohstoffexporteinschränkungen wären vor allem für die russische Wirtschaft desaströs und würden einen möglichen Schaden für die westliche Welt bei Weitem übersteigen. Denn Russland ist extrem stark auf die Deviseneinnahmen aus den Rohstoffexporten angewiesen. Im Vorjahr machten die Energieexporte 70% der gesamten Exporte Russlands bzw. die Rohstoffexporte insgesamt sogar über 85% der russischen Ausfuhren aus (Grafik 4).
Rund 80% der russischen Ölexporte und fast die kompletten Gasexporte werden nach Europa geliefert. Auch wenn Russland finanziell derzeit deutlich besser dasteht als in den Krisen 1998 und 2008, werden die Reserven nicht lange ausreichen. Denn ohne die Rohstoffexporte war die Handelsbilanz Russlands im Vorjahr mit einem Minus von rund 240 Mrd. USD bzw. über 10% des BIPs extrem defizitär. Die jüngste Abschwächung der russischen Wirtschaft, wobei die Industrieproduktion im Januar bereits gefallen ist, und die anhaltenden Kapitalabflüsse verdeutlichen den Ernst der Wirtschaftslage in Russland zusätzlich.
Alles in allem ist eine weitere Eskalation des Konflikts auf der Krim derzeit wenig wahrscheinlich. Zu hoch sind die Einsätze, zu unprognostizierbar die Folgen, zu bedrohlich die Reaktionen. Nichtsdestotrotz sollten die aktuellen Ereignisse den europäischen Politikern, den Finanzmärkten und den Verbrauchern die möglichen Lieferrisikenvor Augen führen. Es ist deshalb ratsam, eine weitere Diversifizierung der Rohstoffimporte zu betreiben, die bestehenden Lieferketten zu überprüfen und eine stärkere Autarkie zu fördern.
Vielleicht wird aber auch durch den aktuellen Konflikt allen Seiten die starke Abhängigkeit voneinander deutlich, die eben Kompromisse erfordert. Die Grundlagen für den Handel und die Geschäfte miteinander sind meist gegenseitiges Vertrauen und Zuverlässigkeit. Am Ende soll man sich an die Wörter des in Russland beliebten Zeichentrickfilm-Charakters Kater Leopold erinnern "Rebjata, dawajte dschit’ druschno!" bzw. "Jungs, lass’ uns doch friedlich miteinander leben!"
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