Was steckt hinter dem Abbau der US-Rohöllagerbestände?


Die US-Raffinerien profitierten bis zuletzt vom günstigeren Rohöl aus dem Inneren des Landes, welches dank neuer Pipelinekapazitäten an die US-Golfküste transportiert werden kann, wo sich mehr als die Hälfte der US-Raffineriekapazitäten befinden. Durch die Rohölverarbeitung konnten auch die nach wie vor bestehenden Beschränkungen für den Export von Rohöl aus den USA umgangen werden, da diese Beschränkungen für den Export von Ölprodukten nicht gelten. Es ist trotz allem unwahrscheinlich, dass die Rohölverarbeitung der US-Raffinerien angesichts niedrigerer Margen ihr ausgesprochen hohes Niveau der vergangenen Monate wird halten können.
Die EIA rechnet im vierten Quartal mit einer durchschnittlichen Rohölverarbeitung von 15,3 Mio. Barrel pro Tag. Das wären zwar immer noch 500 Tsd. Barrel pro Tag mehr als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre, aber ca. 600 Tsd. Barrel pro Tag weniger als im dritten Quartal. Der niedrigere Rohölbedarf der Raffinerien spricht für höhere Rohöllagerbestände, falls die Rohöllimporte nicht drastisch zurückgeführt werden. Denn die USÖlproduktion dürfte dank der sprudelnden Schieferölproduktion in Nord-Dakota und Texas weiter steigen. Tatsächlich scheint der Rückgang der US-Rohöllagerbestände inzwischen beendet zu sein. In der zweiten Septemberhälfte kam es zu einem Anstieg der US-Rohölvorräte um ca. 8 Mio. Barrel aufgrund einer geringeren Rohölverarbeitung und höherer Ölimporte.
Auch der Rückgang der Ölvorräte in Cushing hat sich in den vergangenen Wochen spürbar abgeschwächt (Grafik 5). Flossen zwischen Anfang Juli und Ende August pro Woche per Saldo durchschnittlich 1,36 Mio. Barrel Rohöl aus Cushing ab, so waren es im September durchschnittlich weniger als 500 Tsd. Barrel pro Woche. Ende September ist der seit 13 Wochen anhaltende Abbau der Cushing-Vorräte beinahe zum Erliegen gekommen.
Sollte es in den kommenden Wochen auch in Cushing zu einem Lageraufbau kommen, würde dies nicht an fehlenden Transport- und Verarbeitungskapazitäten liegen. Davon gibt es mittlerweile genügend, wie der kontinuierliche Abbau der Cushing-Vorräte während der Sommermonate trotz einer steigenden Schieferölproduktion im Mittleren Westen zeigte. Nach der Fertigstellung des südlichen Abschnitts der Keystone-XL-Pipeline werden am Jahresende sogar weitere 700 Tsd. Barrel pro Tag an Transportkpazitäten zur Verfügung stehen. Der Lageraufbau wäre vielmehr ebenfalls auf eine geringere Rohölverarbeitung durch die Raffinerien zurückzuführen. Dies dürfte insbesondere den WTI-Preis belasten.
Was sind die Auswirkungen der genannten Entwicklungen für Europa? Daten der USEnergiebehörde zufolge exportierten die USA bereits im Mai und Juni rekordhohe Mengen an Mitteldestillaten nach Europa. Laut vorliegender Schiffahrtsdaten hat sich dieser Trend im September fortgesetzt. Die hohen US-Dieselexporte sorgen für Druck auf die Raffineriemargen in Europa. Trotz niedriger Gasölvorräte bewegt sich die Preisdifferenz zwischen Gasöl und Brentöl seit Monaten in einer engen Spanne um 15 USD je Barrel, was kaum ausreichend ist, um die sehr niedrigen Margen bei der Benzinproduktion auszugleichen.
Erschwerend kommt hinzu, dass die USA inzwischen auch bei Benzin zum Netto-Exporteur geworden sind. Damit ist den europäischen Raffinerien nicht nur der US-Markt als bisheriger wichtigster Absatzmarkt für Benzin weggebrochen. Zugleich treten die USA inzwischen auch bei Benzin als Konkurrent auf anderen Absatzmärkten wie Südamerika auf. Weitere Raffinerieschließungen in Europa scheinen damit vorprogrammiert, wodurch die Importabhängigkeit Europas bei Ölprodukten weiter zunehmen würde.

Auf einen Blick



