Anhaltende Biokraftstoffphantasie bei Mais, Weizen, Zucker & Co.


Die staatliche Förderungen von Biokraftstoffen führte weltweit zu immer stärkeren Auswirkungen bei der Allokation neuer Anbauflächen (z.B. Rodung von Urwald) und deren spezifischer Nutzung. Im laufenden Jahr eskalierte die Auseinandersetzung, so dass die UN in einer Petition zu einem fünfjährigen Moratorium für Biokraftstoffe aufgefordert wurde, weil deren ökologische Gesamtbilanz fragwürdig und sie für die Explosion der weltweiten Nahrungsmittelpreise verantwortlich seien. Inzwischen wehrt sich die Lobby mit dem Hinweis, dass die steigenden Preise viel stärker durch Spekulation, eine insgesamt steigenden Nachfrage und das u. a. durch Dürre dezimierten Angebot verursacht würden und ein Wettbewerb um Anbauflächen zwischen der Kraftstoffindustrie und der Nahrungsmittelindustrie entweder gar nicht existiere oder aufgrund der absehbaren technischen Entwicklung schlimmstenfalls Übergangscharakter besäße. Nicht immer wird geklärt, über welchen Kraftstoff und welchen dafür benötigten Agrarrohstoff gerade gestritten wird.

Biokraftstoff - Sorten und Quellen
Als Biokraftstoff gelten Pflanzenöl, Biodiesel, Bioethanol, BtL (Biomass to Liquid) und Biogas sowie deren Derivate. Bereits reines Pflanzenöl kann als Kraftstoff fungieren und wird in Abhängigkeit von den klimatischen Bedingungen (und Kosten) aus Raps-, Sonnenblumen-, Mais-, Soja-, Palm- oder Olivenöl gewonnen. Den fossilen Dieselkraftstoff kann es aber erst nach einem Umbau des Motors ersetzen. Biodiesel dagegen ist zum Teil ohne Umbauten für aktuelle Fahrzeuge frei gegeben und wird durch Veresterung von Pflanzenöl mit Methanol hergestellt. Und aus zucker- oder stärkehaltigen Rohstoffen (z.B. Zuckerrübe, Rohrzucker, Weizen, Roggen) kann Bioethanol gewonnen werden, das unter Beimischung von Benzin (85% Ethanol und 15% Benzin) inzwischen als “E85“ auch an einigen deutschen Tankstellen erhältlich ist und mit max. 5% auch dem fossilen Ottokraftstoff beigemischt werden kann. Bei der zweiten Generation - den synthetischen Biokraftstoffen wie BtL und Biogas - sollte sich die Diskussion beruhigen, denn der Ausgangsstoff für diese Arten besteht ausschließlich aus Biomasse, also pflanzlichen Abfällen (noch in der Entwicklungsphase) abgeschlossen). Noch aussichtsreicher könnte sich die dritte Generation entwickeln, bei der es um die Manipulation von Mikroorganismen geht, die Biomasse in Verbindungen umwandeln, die dann denjenigen der petrochemischen Varianten ähneln. Die Entwicklung steckt hier jedoch noch in den Kinderschuhen.

Zahlen und Fakten beim Mais
Die Diskussion soll am Beispiel von Mais, der in den USA und im europäischen Ausland hauptsächlich zur Ethanolproduktion eingesetzt wird, etwas rationaler mit Zahlen unterlegt werden: In Deutschland lag der Konsum von Biodiesel, Pflanzenöl und Bioethanol 2006 bei gut 4 Mio. Tonnen bzw. einem Anteil von 7,5% des Kraftstoffkonsums (bzw. von 6,3% bezogen auf den Energiegehalt). Würde man den in Deutschland verbrauchten Biokraftstoff vollständig aus Mais und zu technischen Konditionen der Ethanolproduktion decken, so ergäbe sich bei 2,6 kg Mais pro Liter Bioethanol ein Maisbedarf von maximal gut 17 Mio. Tonnen.

Maisproduktion und -lagerbestände dürften steigen
Vergleicht man nun diese Zahl mit den globalen Daten zur Entwicklung der Produktion und der Lagerbestände, so fällt eine genaue Berechnung mangels verfügbarer Daten leider aus, aber die Verhältnisse deuten zumindest für die Vergangenheit eher auf Effekte der zweiten Reihe: Die Produktion in den USA sank im Erntejahr 2006/2007 gegenüber dem Vorjahr um 15 Mio. Tonnen, aber für das laufende Jahr erwartet das USLandwirtschaftsministerium USDA eine Steigerung um über 60 Mio. Tonnen. Und bei den Lagerendbeständen wollen die USA (laut USDA) den Rückgang der Vorperiode um über 16 Mio. Tonnen bereits im laufenden Erntejahr wieder fast vollständig ausgleichen.

Politisches Bekenntnis unverkennbar
Mit der Hoffnung auf eine - zukünftig konfliktärmere - Alternative zu den explodierenden Preisen fossiler Brennstoffe, die jedoch immer häufiger die Preise der biokraftstofftauglichen Agrarrohstoffe (“energycrops“) pushen, werden für die kommenden Jahre seitens der Politik große Ziele proklamiert: In Deutschland rechnet Umweltminister Gabriel damit, dass die Beimischungsgrenze von Biokraftstoffen bis 2010 von 5% auf 10% angehoben wird (bis 2020 auf 20%, sofern die bis dahin entwickelte Technik das zulässt). Und auf europäischer Ebene werden zwar die Ziele nach dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners etwas bescheidener formuliert (5,75% Biokraftstoffanteil bis 2010), aber die Tatsache, dass mit Biokraftstoffen zum Beispiel die gesteckten Ziele zur Einsparung von Kohlendioxydemissionen sehr viel schneller erreicht werden können, sorgt für weit reichende Akzeptanz: Der Ausstoß von Kohlenmonoxyd sinkt beim Einsatz von Biokraftstoffen zwischen 30% (Bioethanol) und über 80% (Pflanzenöl). Und auf globaler Ebene haben sich so viele Staaten zum kräftigen “Beimischen“ entschieden, dass der Weltzuckerverband (ISO) einen Anstieg des Ethanolverbrauchs von 38 Mrd. Litern (2006) auf 91 Mrd. Liter (2010) erwartet.
© Manfred Wolter
Commodity Analyst
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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