Die Knappheit an hochwertigem Rohöl aus Libyen war ein wichtiger Grund für die deutliche Verteuerung von Brentöl in den vergangenen Monaten. Bei einer Rückkehr Libyens auf den Ölmarkt sollte sich die Angebotslage auf dem europäischen Markt und damit auch für Brent mittelfristig merklich entspannen. Denn mehr als 80% der libyschen Ölausfuhren gehen nach Europa. Mit einem Anteil von mehr als 9% an den Ölimporten ist Libyen zudem der drittwichtigste Öllieferant für die EU. In der Folge dürfte der Brentölpreis stärker unter Druck geraten als der WTI-Preis und sich die ungewöhnlich hohe Preisdifferenz, welche im August ein Rekordniveau von 26 USD je Barrel erreichte, auf weniger als 20 USD verringern (Grafik 3).
Auch ohne den Faktor Libyen ist dieser Preisunterschied nicht zu rechtfertigen. Die Rückkehr Libyens wird auch zu einem Anstieg der freien Förderkapazitäten beitragen, welche zuletzt stark abgeschmolzen waren. Höhere freie Kapazitäten sprechen ebenfalls für fallende Ölpreise.
Ein Preisrückgang auf deutlich unter 100 USD je Barrel ist allerdings unwahrscheinlich. Zum einen dürfte es noch etwas dauern, bis die Ölproduktion in Libyen wieder ein Niveau erreicht hat, welches als signifikant zu bezeichnen ist. Zum anderen dürfte Saudi-Arabien in diesem Falle seine Angebotsausweitung der vergangenen Monate sukzessive wieder zurücknehmen. Das Königreich hatte zur Kompensation der Produktiionsausfälle in Libyen seine Ölproduktion im Juli auf 9,8 Mio. Barrel pro Tag ausgeweitet, den höchsten Stand seit 30 Jahren. Bei einem stärkeren Preisrückgang wäre mit einer zügigeren Reduktion des OPEC-Angebots zu rechnen. Denn aufgrund der gestiegenen Sozialausgaben sind viele OPEC-Mitglieder inzwischen auf deutlich höhere Preise angewiesen als noch vor wenigen Jahren (siehe auch Rohstoffe kompakt vom 10. Mai “Unruhen sprechen für langfristig höheren Ölpreis“). Wir rechnen daher weiterhin mit einem Ölpreis von 100 USD je Barrel am Jahresende.
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