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Wiederholt sich das Jahr 2008?

19.08.2011  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
Der gestrige Sturz an den Börsen kam zwar überraschend aber nicht völlig unerwartet. Wir haben in letzter Zeit viel darüber berichtet, dass sich die Wolken am Konjunkturhimmel immer weiter verdichtet haben und das “Gewitter“ immer wahrscheinlicher wurde. Die kritische Masse an negativen Nachrichten wurde offensichtlich erreicht. Dabei haben die gestrigen US-Daten, allen voran der Phili Fed Index, der mit -30,7 auf den niedrigsten Stand seit November 2008 fiel, die Befürchtungen des Marktes über eine baldige Rezession sogar verstärkt (Grafik des Tages).

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Gleichzeitig bleiben die Preise vor allem für Industrierohstoffe weit von den Rezessionsniveaus entfernt, wobei das Potenzial nach unten nicht zu unterschätzen ist. Die Situation dürfte sich erst nachhaltig ändern, wenn sich die Nachrichtenlage bessert oder aber die Regierungen und Zentralbanken etwas unternehmen, was den Finanzmärkten wieder mehr Zuversicht verleiht. Da Rohstoffpreise oft eine Signalwirkung haben, d.h. oft bereits im Vorfeld der Konjunkturwende drehen, sollten die Unternehmen den starken Preisrückgang nicht nur mit einem lachenden, sondern vielmehr mit einem weinenden Auge beachten.


Energie

Der Satz “Diesmal ist alles anders“ könnte in die Geschichtsbücher als der teuerste Börsenspruch eingehen. Es gibt zurzeit zunehmend mehr Parallelen am Ölmarkt mit 2008 als Unterschiede und die Börse reagiert sensibel darauf. Natürlich bleibt die Nachfrage vor allem in Schwellenländern zurzeit noch robust und die freien Produktionskapazitäten gering. Das waren sie aber zumindest in der ersten Jahreshälfte 2008 auch. Der “positive“ Unterschied bestünde darin, dass die OPEC-Länder jetzt weitaus höhere Ölpreise benötigen, um ihre Bilanzen auszugleichen und deshalb schneller und entschlossener reagieren sollten.

Allerdings hat das letzte OPEC-Treffen in Wien im Juni gezeigt, dass die OPEC-Länder oft uneins sind und nicht einvernehmlich agieren. Dadurch wird das Vertrauen des Marktes unterminiert. Insgesamt gibt es aber auch andere “negative“ Unterschiede zur Situation im Jahr 2008. Zum einen ist die Konjunkur in den Schwellenländern jetzt womöglich anfälliger, weil die Wirtschaften sowohl unter der hohen Inflation als auch starken Währungen leiden. Außerdem dürften jetzt starke Impulse in Form von Konjunkturprogrammen und fallenden Zinsen fehlen. Es ist nicht mehr eindeutig, dass sich der positive Effekt eines QE3 seitens der Fed, das womöglich auch schon nächste Woche verkündet wird, als nachhaltig erweisen wird. Denn die ersten beiden Tranchen im Gesamtwert von rund 2 Billionen USD haben letztendlich kaum Wirkung hinterlassen.

Die Gefahr, dass auch QE3 nicht nachhaltig wirkt, ist damit hoch. Dem (Brent-)Ölpreis dürfte dies jedoch helfen, stand er doch vor QE1 im November 2008 bei rund 40 USD und vor QE2 im November 2010 bei rund 85 USD je Barrel. Aus fundamentaler Sicht erachten wir jedoch den Brentölpreis als zu hoch und rechnen mit einem Rückgang.


Edelmetalle

Die Angst und Panik an den Finanzmärkten führt dazu, dass die Anleger weiter in den sicheren Hafen Gold flüchten. Dies spiegelt sich u.a. in hohen Zuflüssen in Gold-ETs wider. So meldete der weltweit größte Gold-ETF, SPDR Gold Trust, allein gestern einen Anstieg seiner Bestände von knapp 15 Tonnen. Seit Wochenbeginn summieren sich die Zuflüsse damit auf 26,7 Tonnen. Gold wird derzeit offensichtlich auch als eine Art Versicherung angesehen. Deren Prämie steigt in der Regel bei Schadensfällen bzw. in Krisenzeiten, wie aktuell zu beobachten ist.

So übersprang der Goldpreis mühelos die psychologisch wichtige Marke von 1.800 USD je Feinunze und erreicht heute Morgen bei über 1.850 USD ein neues Allzeithoch. Auch in vielen anderen Währungen steigt Gold auf Rekordniveaus. So handelt der Preis beispielsweise in Euro gerechnet nur noch marginal unter der Marke von 1.300 EUR je Feinunze. Und selbst in Schweizer Franken ausgedrückt, der bislang selbst noch als sicherer Hafen galt, markiert Gold ein Allzeithoch. Solange die Unsicherheit an den Finanzmärkten hoch bleibt und sich die Lage nicht beruhigt, dürfte Gold seiner Funktion als wertstabile Anlage weiter gerecht werden und der Preis weiter steigen.

Die derzeit hohe Goldnachfrage trifft laut Daten des World Gold Council auf ein gestiegenes Angebot. So wurde die globale Goldminenproduktion im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 7,5% auf 708,8 Tonnen ausgeweitet. China hat dabei mit einem Marktanteil von 13% seine Position als weltweit größter Goldminenproduzent untermauert.


Industriemetalle

Die Metallpreise können sich im aktuellen Marktumfeld relativ gut behaupten und geben im Vergleich zu den anderen zyklischen Rohstoffen wie den Energieträgern nur moderat nach. Im Falle von Kupfer und Aluminium könnte dies auf ein gestiegenes Kaufinteresse aus China zurückzuführen sein. Marktbeobachtern zufolge hat das Reich der Mitte den Preisrückgang seit Monatsbeginn bereits ausgenutzt, und in Erwartung eines globalen Angebotsdefizits insbesondere Kupfer gekauft.

Dies dürfte sich in den kommenden Monaten in höheren Importen widerspiegeln. Die Kupfereinfuhren haben bereits in den letzten beiden Monaten wieder zugelegt, nicht zuletzt aufgrund attraktiver Arbitragemöglichkeiten zwischen den Börsen in London und Shanghai. Für ein knapperes Kupferangebot sprechen auch die zuletzt niedrigeren Verarbeitungs- und Schmelzgebühren. Gemäß Angaben von Aurubis, dem weltweit größten Kupferschmelzer, sind diese im Nachgang des Streiks in der chilenischen Kupfermine Escondida auf 60-80 USD je Tonne bzw. 6-8 US-Cents je Pfund gefallen.

Unterdessen setzt die chinesische Regierung die Restrukturierung der heimischen Bleiindustrie fort. Laut einem Entwurf des Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie sollen alle Recyclinganlagen mit einer Kapazität von weniger als 30 Tsd. Tonnen p.a. bis 2013 geschlossen und nur noch der Bau von Produktionsanlagen mit einer jährlichen Kapazität von mehr als 50 Tsd. Tonnen genehmigt werden.


Agrarrohstoffe

Auch Agrarrohstoffe konnten sich dem Abwärtssog der Finanz- und restlichen Rohstoffmärkte nicht komplett entziehen. Dennoch halten sie sich vergleichbar gut, was wir vor allem auf ihren konjunkturunabhängigen bzw. krisensicheren Charakter zurückführen. Die gegenwärtige Schwäche bei Getreide und Ölsaaten könnte man durchaus allein durch die Stärke des US-Dollar erklären, weil die USA der weltgrößte Getreideexporteur ist und ein stärkerer Dollar die US-Exporte weniger attraktiv macht. Noch bleibt der US-Weizen jedoch stark nachgefragt, wie auch die jüngsten Exportzahlen belegen. In der Woche zum 11. August haben die USA netto 548,8 Tsd. Tonnen Weizen verkauft, 46% mehr als in der Vorwoche bzw. 30% mehr als im Durchschnitt der letzten vier Wochen. Und das trotz der Tatsache, dass Russland seine traditionelle Märkte Ägypten und Türkei jetzt zurückgewinnt.

Insgesamt zeigen auch hohe russische Exportzahlen, dass die weltweite Getreidenachfrage robust bleibt. So hat Russland für Juli Weizenexporte im Rekordwert von 2,4 Mio. Tonnen verkündet, für August werden 2,8-3 Mio. Tonnen erwartet. Deshalb rechnen wir trotz der Finanzmarktkapriolen mit einem stabilen Preisverlauf bei Weizen in diesem Jahr. Einem starken Preisanstieg steht zurzeit jedoch eine höhere Produktion der GUS-Staaten entgegen. Zum einen hat der russische Wetterdienst die Getreideernte für dieses Jahr auf über 90 Mio. Tonnen geschätzt. Zum anderen wurde die Ernteprognose für Kasachstan von zuvor 16-17 Mio. auf nun 18,9 Mio. Tonnen angehoben.






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