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Umbruch am Gasmarkt

25.07.2011  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
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3) Kräftig steigender Verbrauch

Die dritte Strukturveränderung ist u.E. ein kräftig anziehendes Nachfragewachstum. Triebfeder ist der stark steigende Bedarf in den Schwellenländern. China ist binnen kurzer Zeit zum viertgrößten Konsumenten der Welt aufgestiegen, nach den USA, Russland und dem Iran. Im letzten Jahr stand ein Nachfrageplus von 22% zu Buche. Das rasante Wachstum dürfte sich fortsetzen: Gemäß dem 12. Fünf-Jahresplan für den Zeitraum 2011 bis 2015 strebt China im Jahr 2015 einen Gasanteil am primären Energieverbrauch von 8,3% an.

Zum Vergleich: Im Jahr 2008 lag der Anteil nicht einmal halb so hoch. Angesichts eines tendenziell ohnehin kräftig steigenden Energieverbrauchs entspräche dies mit 260 Mrd. Kubikmeter immerhin dem Zweieinhalbfachen des aktuellen Verbrauchs. Langfristigen Prognosen der IEA zufolge dürfte der Bedarf Chinas im Jahr 2035 dem von Europa entsprechen (Grafik 4, S. 4). Auch im Nahen Osten rechnet man aufgrund des zunehmenden Bedarfs in der Stromerzeugung mit einem starken Anstieg des Verbrauchs.

Hinzu kommt, dass die IEA in ihrem jüngsten Ausblick „The Golden Age of Gas Scenario“ auch den Bedarf in den Industrieländern nach oben revidiert hat. Teils bedingt durch eine geringere Nutzung der Atomenergie, teils aufgrund der verglichen mit Kohle größeren Umweltverträglichkeit von Gas, wurde der Verbrauch in den OECD Ländern im Jahr 2035 um 10% nach oben revidiert. Man rechnet mit einem Verbrauch von 1.950 Mrd. Kubikmetern. Alles in allem dürfte der globale Verbrauch in diesem Szenario bis 2035 jährlich um 1,8% wachsen, wobei rund 80% des Wachstums der Gasnachfrage von den Schwellenträgern getragen wird.


Erst mittelfristig Preiserholung in den USA erwartet

Für die Preistendenzen ist das Zusammenspiel dieser drei Faktoren entscheidend, wobei zusätzlich die unterschiedlichen Preismechanismen an den jeweiligen Märkten zu berücksichtigen sind (siehe Kasten). Am amerikanischen Markt ist der rasche Produktionszuwachs aufgrund der Erfolge bei der Förderung von unkonventionellem Gas bereits seit zwei Jahren die wichtigste Preisdeterminante.

Erst kürzlich hat die EIA ihre Produktionsprognose abermals deutlich nach oben revidiert: Hatte sie im Mai noch mit einem Produktionszuwachs von 2,3% im laufenden Jahr gerechnet, wurde die Prognose Mitte Juni aufgrund der zuletzt überraschend hohen Produktionsdaten auf ein Plus von 4,5% angehoben. Die positive Produktionsentwicklung war umso bemerkenswerter, als dass die Bohraktivitäten im Gasbereich deutlich nachgelassen hatten. Gemäß Baker Hughes beläuft sich die Anzahl der aktiven Bohranlagen im Juli auf rund 875. Das sind knapp 9% weniger als vor einem Jahr.

Die Produktionserfolge machen den US-Markt immer mehr zum Selbstversorger. Das stimmt auch die Finanzanleger skeptisch. Deren Bedeutung ist am amerikanischen Markt hoch. Das zeigt sich auch in der sogenannten “Churn rate“, also dem Verhältnis von Handelsvolumen und physischer Lieferung. Schätzungen zufolge dürfte sich diese bei Henry Hub auf rund 100 belaufen. Zum Vergleich: selbst für das britische Gas NBP liegt diese nur bei rund 12.

Die spekulativen Investoren befinden sich seit geraumer Zeit auf der Netto-Short Seite und drücken damit eher den Preis, während sich diese am Ölmarkt auf der Netto-Long befinden und damit in der Tendenz eher den Preis unterstützen. Mit einem kurzfristigen Wechsel auf die Netto-Long Seite ist angesichts der bis zuletzt überraschend positiven Produktionsentwicklung eher nicht zur rechnen. Wir haben deshalb auf kurze Sicht unsere Preisprognose nach unten revidiert.

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Nichtsdestotrotz rechnen wir mittelfristig mit steigenden Preisen. Zum einen dürften die Erfolge bei der Gewinnung unkonventionellen Gases nachlassen. So verweisen Experten immer wieder auf die verglichen mit der konventionellen Produktion schnelleren Erschöpfungsraten und auch die Umweltaspekte werden zunehmend kritisch gesehen. Zum anderen haben sich in den USA die Stromerzeugungskapazitäten zugunsten von Gas verschoben.

Gaskraftwerke stellten in den letzten 10 Jahren 80% der neugeschaffenen Kapazitäten und machen damit nun 39% der Kapazitäten aus (Grafik 5). Das schürt die Nachfrage. Wir rechnen deshalb mit einem Preisanstieg auf 6 MMBtu zum Jahresende 2012. Damit bleibt Erdgas aber im Vergleich zu Öl im historischen Vergleich weiterhin günstig.


Kräftiges Nachfragewachstum unterstützt Preise in Europa

Bis zur Inbetriebnahme des geplanten LNG-Exportterminals im Jahr 2015 dürften die amerikanischen Produktionserfolge bei Schiefergas die Tendenzen in der übrigen Welt nur noch geringfügig beeinflussen, da wir einen Großteil des Effektes über einen schrumpfenden Importbedarf bereits gesehen haben. Wir denken deshalb, dass vor allem die kräftig steigende globale Gasnachfrage in den kommenden Jahren die wesentliche Preisdeterminante in der übrigen Welt sein wird. Kurzfristig hat der zusätzliche Bedarf Japans bereits Spuren hinterlassen.

Verstärkt durch Libyens Exportausfälle hat sich die Situation am Gasmarkt angespannt. Langfristig wird aber vor allem Chinas Importbedarf die Preise unterstützen, denn das Angebot dürfte trotz des angestrebten Ausbaus der unkonventionellen Gasproduktion mit der Nachfrage nicht mithalten. Im bereits erwähnten“ GAS“-Szenario der IEA steigt Chinas Einfuhrbedarf von derzeit 20 Mrd. Kubikmeter auf 330 Mrd. Kubikmeter im Jahr 2035: Das Land wird damit der weltweit zweitgrößte Importmarkt, nach Europa. Vor allem aber in den nächsten Jahren ist der Anstieg immens: Bereits im Jahr 2015 dürfte China 110 Mrd. Kubikmeter einführen.

Der steigende Bedarf spielt die Verhandlungsmacht zurück in die Hände der Produzenten. In deren Interesse dürfte aber weiterhin die langfristige Ölpreisbindung sein. Denn diese sichert nicht zuletzt den Ausbau der kostenintensiven Infrastruktur der Transportwege. Ohnehin stellt sich angesichts des Nachfragezuwachses die Frage, ob die Spotpreise langfristig niedriger sein werden als die ölpreisindexierten.


Nach Fukushima: Japans LNG-Bedarf steigt kräftig

Die Atomkatastrophe in Japan dürfte nicht nur die langfristigen Perspektiven für die Nutzung der Kernenergie dämpfen. Sie hat auch kurzfristig Auswirkungen, denn derzeit fehlen in Japan 20 Gigawatt an Atomkraftkapazitäten. Schätzungen zufolge kommt vor allem die gasbasierte Stromerzeugung dafür auf. Den zusätzlichen Bedarf Japans beziffert die IEA auf 11 Mrd. Kubikmeter. Das wäre knapp 12% mehr als im Vorjahr bzw. entspräche 3,7% des LNG-Handels insgesamt. Katar, Malaysia, Indonesien und Russland sind für zusätzliche LNG-Lieferungen bereit. Die dadurch bedingte Anspannung am Markt zeigt sich im deutlichen Anspringen der Frachtraten: Diese lagen Analysten zufolge im Mai bei 94.000 USD je Tag verglichen mit 40.000 im Sommer zuvor.


Auf einen Blick

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