Tiberius Rohstoff-Research: Marktkommentar Juni 2011

Im Juni standen die Krisenländer der Eurozone erneut im Vordergrund. So kam es in Griechenland zu Massenprotesten gegen den Beschluss des Parlaments über drastische Haushaltskürzungen, um eine weitere Kreditauszahlung aus dem Rettungspaket der Europäischen Union zu empfangen. Besonders auffällig war jedoch, dass nun auch die Bonität Italiens zunehmend in Frage gestellt wird. So weitete sich die Zinsdifferenz zwischen 2-jährigen italienischen und deutschen Staatsanleihen seit Ende Mai um etwa 50bp auf aktuell knapp über 200bp aus. Angesichts dieses Hintergrundes präsentierte sich die europäische Einheitswährung erstaunlich widerstandsfähig und schloss den Juni mit einem leichten Plus bei 1,45 US-Dollar ab. Erst in den letzten Tagen scheint diese Stärke etwas nachzulassen, was - wie unten ausgeführt wird - aus unserer Sicht gerechtfertigt ist.
Die Rohstoffmärkte waren vor dem Hintergrund enttäuschender Konjunkturdaten in schwacher Verfassung. Die drei großen Rohstoffindizes, Dow Jones UBS Commodity Index (-5,1%), Rogers International Commodity Index (-6,0%) und S&P Goldman Sachs Commodity Index (-6,1%) verloren deutlich. In Euro gerechnet haben Rohstoffe im ersten Halbjahr mehr als 10% abgegeben. Nach der steilen Rohstoffhausse im Herbst 2010 werten wir diese Bewegung als eine akzentuierte Korrektur im Aufwärtstrend. Wie wir im Kapitel Marktperspektiven unten ausführen, sehen wir gute Gründe, dass die Rohstoffpreise in diesen Tagen ihren langfristigen Aufwärtstrend gegenüber der europäischen Einheitswährung wieder aufnehmen werden.

Unter den einzelnen Sektoren standen die Energie- und Agrarrohstoffe im Fokus. Für den Rohölkomplex versprach das OPEC-Meeting Anfang Juni neue Impulse. Im Vorfeld wurde eine Anpassung der Förderquote, vor allem der Saudi-Arabiens, nach oben erwartet, da die offiziellen Produktionsziele noch auf dem Krisenniveau Anfang 2009 liegen und die OPEC-Staaten den Markt bereits seit mehr als 18 Monaten mit deutlich mehr Öl versorgen.
Die anderen OPEC-Staaten wollten Saudi-Arabien jedoch keine offizielle Erhöhung des Produktionsanteils zubilligen und das Treffen endete mit einem offenen Dissens. Die anschließende Kursrallye war aus unserer Sicht wenig nachvollziehbar, da der offene Konflikt innerhalb der OPEC die Angebotsdisziplin und Preismacht des Kartells infrage stellt. Bald setzte sich am Markt dann auch ein gewisser Pessimismus durch, der den Rohölpreis innerhalb einer Woche um gut zehn US-Dollar je Barrel fallen ließ.
In diese Phase hinein kündigte die Internationale Energieagentur (IEA) am 24. Juni an, dass ihre Mitgliedsländer 60 Mio. Barrel an Rohöl und -produkten aus ihren strategischen Reserven freigeben wollen, um einer sich anbahnenden Produktknappheit während der nachfragestarken Sommermonate Einhalt zu gebieten und die Raffinerien zu einer höheren Auslastung zu bewegen. Dies ließ den Rohölpreis, insbesondere der Sorte Brent, nochmals kurzzeitig stark einbrechen.
Der Erdgaspreis brach nach anfänglichen Kursgewinnen im Juni ebenfalls ein. Binnen weniger Tage fiel US-Erdgas von 4,8 USD je mmBtU auf knapp 4,2 USD je mmBtU. Fundamental gibt es wenig Neues. Zumindest in 2011 dürfte sich infolge des unverminderten Produktionswachstums weiterhin ein Marktüberschuss in den USA ergeben. Die Handelsspanne zwischen 4 und 4,8 USD je mmBtU dürfte kurzfristig erhalten bleiben. Bei den Metallen deuteten sich sowohl bei Industrie- als auch Edelmetallen Bodenbildungen an. Insbesondere die Industriemetalle haben in technischer Hinsicht ihre relative Schwächephase beendet und sollten in den nächsten Monaten zu den Gewinnern zählen.
Bei den Agrarrohstoffen galt für das erste Halbjahr: “Das dicke Ende kommt zum Schluss“. Am 30. Juni wurde vom US-Landwirtschaftsministerium (USDA) der Bericht über die US-Ackerflächenschätzungen sowie die quartalsweisen Lagerbestände veröffentlicht. Auf den Tag genau vor einem Jahr hatte dieser Bericht die enorme Getreide-Hausse des vergangenen Jahres eingeläutet. Dieses Jahr kam es jedoch genau umgekehrt. Während für Sojabohnen und Weizen die Schätzungen einigermaßen im Bereich der Erwartungen lagen, wurde für Mais eine deutlich höhere Ackerfläche von 92,3 Mio. Acres prognostiziert (die Konsensschätzung lag etwa bei 90,6 Mio. Acres). Was dem Maismarkt jedoch noch stärker zusetzte, war die Tatsache, dass die berichteten Lagerbestände um ca. 300 Mio. Bushel über der Konsensschätzung lagen. Dies führte letztlich dazu, dass Mais zum Halbjahresende ein “limit down“ verzeichnete, also eine Aussetzung des Handels aufgrund einer zu starken Abwärtsbewegung innerhalb eines Tages.
Bei Baumwolle schätzte das USDA eine über den Markterwartungen liegende bepflanzte Ackerfläche von 13,7 Mio. Acres. Am Ende lag das USDA ziemlich genau bei der Fläche, die wir bereits im März für das Jahr 2011 geschätzt hatten (13,5 Mio. Acres). Die letztlich geerntete Fläche dürfte jedoch deutlich geringer ausfallen, da aufgrund der extremen Trockenheit im Hauptanbaustaat Texas ein hoher Anteil der Pflanzen verkümmern dürfte. Allerdings wird die Ernte trotzdem ausreichen, um den Baumwollmarkt in einen deutlichen Überschuss während des Marketingjahres 2011/12 zu bringen.
Baumwolle zählte im Juni mit -15,9% zu den schwächsten Rohstoffen in den Rohstoffindizes. Der große Gewinner des Monats war Zucker, wo es in Brasilien aufgrund von starken Regenfällen und logistischen Problemen in den Exporthäfen zu Verzögerungen bei der Vermarktung der Ernte kommt. Kurzfristig scheint hier tatsächlich eine gewisse Knappheit zu existieren, was sich in der squeezeartigen Aufwärtsbewegung des gerade ausgelaufenen Juli-Kontraktes manifestierte. Aus fundamentaler Sicht halten wir die Sorge um die brasilianische Ernte jedoch für deutlich übertrieben.
Den kompletten Marktkommentar Juni 2011 können Sie hier downloaden.
© Tiberius Rohstoff-Research
Stuttgart, den 11.07.2011