Kohle und Gas: Preisrallye fehlen kurzfristig weitere Impulse


Im Mai standen die Rohstoffpreise mehrheitlich unter Druck. Fast unbemerkt haben in diesen Tagen der US-Gaspreis und der europäische Kohlepreis (hier: nächstfälliger Future an der ICE) kräftig zugelegt (Grafik 1). Wir hatten in beiden Märkten Steigerungspotenzial gesehen. Doch vor allem angesichts der jüngsten Schwäche am Ölmarkt hat uns die Stärke an den beiden anderen Energiemärkten überrascht. Wie nachhaltig ist die Preiserholung? Und können sich die Preise vielleicht sogar noch weiter erhöhen? Wir werfen einen Blick auf die Fundamentalsituation an den Märkten
Kohle - Abkühlung der chinesischen Importdynamik
Die deutliche Verteuerung von Kohle ist vor allem dem starken Importsog Chinas geschuldet. Chinas Kohleverbrauch wächst seit Jahren rasant. Mittlerweile ist die chinesische Kohlenachfrage fast dreimal so hoch wie die in den USA; noch vor zehn Jahren lag der Verbrauch in beiden Ländern nahezu gleich auf. Dennoch war China bis Ende 2008 Selbstversorger und erst im Jahr 2009 sind die Importe rasant gestiegen. Der Effekt auf den Preis blieb zunächst gebremst, denn der Markt war stark gespalten: Den Wachstumsregionen in den Schwellenländern stand ein kräftiger Nachfrageeinbruch in den Industrieländern gegenüber. Per saldo stagnierte deshalb der weltweite Kohleverbrauch im vergangenen Jahr. Doch im Verlauf des letzten Jahres haben die Tendenzen in den Industrieländern gedreht: Für das laufende Jahr rechnet nun beispielsweise die amerikanische Energieagentur, EIA, mit einem Anstieg des US-Verbrauchs um fast 4% gegenüber Vorjahr. Das Zusammenspiel von starker Nachfrage in den Schwellenländern und der Nachfrageerholung in den Industrieländern hat zu einem kräftigen Preisanstieg geführt.
Wir erachten das Steigerungspotenzial aber zunächst als weitgehend ausgereizt, denn wir erwarten aus zwei Gründen zunächst eine Verlangsamung der chinesischen Importdynamik: zum einen wird der Kohleverbrauch nicht mehr ganz so rapide wachsen wie in der Vergangenheit, zum anderen haben sich die Produktionsperspektiven verbessert.

Triebfeder für den stark steigenden Kohleverbrauch war das kräftige Wachstum der Stromproduktion, denn diese ist in China zu 80% kohlebasiert. Nicht zuletzt in Folge der schnell fortschreitenden Elektrifizierung des Landes ist die Stromproduktion in den Jahren 2000 bis 2007 stärker gestiegen als die gesamtwirtschaftliche Leistung. Vor zwei Jahren hat diese Tendenz aber gedreht. Die Stromproduktion wuchs in den beiden letzten Jahren unterproportional im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt. 2008 ging dies einher mit einem entsprechend geringeren Anstieg des Kohleverbrauchs. Im Jahr 2009 nahm der Kohleverbrauch aber wieder mit knapp 10% überdurchschnittlich kräftig zu, und das bei unterdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum. Treiber der Nachfrage war zuletzt der starke Kohleverbrauch in den beiden baunahen Branchen Zement- und Stahlindustrie, wo die Aktivitäten dank des Konjunkturprogramms der chinesischen Regierung besonders kräftig gestiegen sind. Die sich dort abzeichnende Abkühlung dürfte das Wachstum des Kohleverbrauchs dämpfen.
Zum zweiten dürften die verbesserten Produktionsperspektiven in der Kohleprovinz Shanxi den Importbedarf senken, denn die angestrebte Konsolidierung im dortigen Kohlesektor ist nun weitestgehend abgeschlossen. Shanxi ist die größte der vier großen Kohleprovinzen in China, die zusammen rund 45% der chinesischen Kohleproduktion stellen. Im vergangenen Jahr war die dortige Kohleproduktion um 10% zurückgegangen (Grafik 2): in absoluter Größe entspricht dies 50 Mio. Tonnen, was wiederum der Hälfte der Importe des letzten Jahres entspricht. An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass sich China weitgehend selbstversorgt und auch im vergangenen Jahr nur rund 5% des Verbrauchs durch Importe abgedeckt wurden. Chinas Importe sind also für den heimischen Markt eher zu vernachlässigen, für den internationalen Handel waren sie aber von großer Bedeutung: Der Anteil der chinesischen Importe an den globalen Einfuhren lag 2009 bei 12%, nach 5% im Vorjahr.