Ölblase II (Teil 1): Kampf den Spekulanten


Zweitens wurden in den Jahren 2000-2004 in mehreren wissenschaftlichen Studien führender Ökonomen und Universitäten die Grundsätze des Investierens in Rohstoffen bzw. Rohstoff-Derivaten gelegt. Dabei hat man plausibel die neue Anlageklasse Rohstoffe geschaffen. Denn Rohstoffpreise und physische Geschäfte sind laut den gängigen Ausarbeitungen nicht mit Rohstoff-Investments gleichzusetzen. Im Gegensatz zu physischen Rohstoffen generieren Rohstoff-Investments eine Rendite, die zumindest der kurzlaufender Staatsanleihen entspricht, weil beim Kauf von Rohstoff-Derivaten in der Regel nur eine kleine Hinterlegung erforderlich ist, die außerdem auch noch verzinst wird.
Außerdem weisen die Terminkurven bei Rohstoffen oft eine besondere Konstellation auf, die sog. Backwardation, d.h. die längerfristigen Terminpreise liegen unter den Preisen für kurzfristige Lieferungen. Nach dem gängigen Verständnis ermöglicht Backwardation eine für Anlageklassen notwendige “Überrendite“, weil Rohstoff-Investments somit auch bei unveränderten “Kassapreisen“ positive Erträge versprechen. Das Total-Return Konzept bei Rohstoff-Investments und die Einführung der Rohstoffanlagen als eine unabhängige Anlageklasse ähnlich wie Aktien und Renten, hat dem Rohstoffmarkt aus unserer Sicht einen immensen Aufwärtsimpuls gegeben.
Dieser Impuls, der zum gleichen Zeitpunkt mit einer beschleunigten Industrialisierung Chinas stattfand, die wir als eine strukturelle Veränderung der Rohstoffmärkte erachten, hat bei vielen Marktteilnehmern den Anschein eines Strukturbruchs geweckt. Die Legende von einem Rohstoff-Megazyklus, der mehrere Jahrzehnte andauern wird, wurde geboren.
Daraufhin haben sich nicht nur die Kleinspekulanten, sondern insbesondere große institutionelle Anleger am Rohstoffmarkt engagiert. Vor allem haben sie von nun an Rohstoffe als eine alternative Anlageklasse in ihrer Portfolio-Allokation berücksichtigt und einen signifikanten Anteil dementsprechend investiert. Dabei hat man angesichts fehlenden Know-Hows und Ressourcen vor allem auf passive index-basierte Strategien gesetzt. Das Investmentvolumen in den indexbasierten Produkten allein ist in den Jahren 2000 bis 2008 von 5 Mrd. USD auf schätzungsweise 300 Mrd. USD im Jahr 2008 gestiegen.
Auch das Volumen der aktiv gemanagten CTA-Fonds and anderer Hedge-Fonds hat sich auf schätzungsweise bis zu 200 Mrd. USD vervielfacht. Hinzu kamen Zertifikate und andere mittelfristige Derivate auf Rohstoffe, deren kumuliertes Volumen laut Datenanbieter mtn-i auf über 72 Mrd. USD in den letzten Jahren gestiegen ist. Dabei nahm das Volumen in den Jahren 2007-2008 um über 44 Mrd. USD zu (Grafik 4).
Der Großteil dieser immensen Investments ging zu Gunsten des Energiesektors. Dieser Sektor ist der größte und liquideste unter den Rohstoffmarktsegmenten und macht in den Rohstoff-Indizes bis zu drei Viertel der Gewichtung aus (Grafik 5).

Wieviel Spekulation ist eigentlich im Ölpreis enthalten?
Diese Frage, die uns oft gestellt wird, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Es ist bislang unmöglich zu sagen, wie viele der an den Warenterminbörsen ausstehenden Kontrakte von den nicht-kommerziellen Händlern gehalten werden. Erschwert wird diese Statistik durch zahlreiche Ausnahmegenehmigungen für Händler und Finanzinstitute, die sowohl physische Geschäfte abwickeln als auch mit den Rohstoffanlagen spekulieren. Die sog. COT Statistik der CFTC, d.h. die Aufteilung der Händler in Spekulanten und physische Händler, ist somit irreführend. Die Statistiken über die Positionierung der Anleger bei den nicht-regulierten außerbörslichen Rohstoffgeschäften fehlen sogar nahezu komplett.
Eine andere Methode, den Anteil der Spekulation anhand der Vergleiche nach dem Prinzip “wo wäre der Preis, wenn es keine Anleger am Markt geben würde“ zu bemessen, ist auch falsch. Der Vergleich ist zwar legitim und relativ einfach, z.B. wenn man die historischen Veränderungen der Reichweite der Lagerbestände oder die freien Produktionskapazitäten der OPEC und den entsprechenden Ölpreis vergleicht. Dabei stellt man sogar fest, dass man anhand dieser Faktoren in der Vergangenheit einen Großteil der Preisveränderungen erklären konnte. Allerdings muss der Preis für einen Rohstoff nicht immer nur der gegenwärtigen Angebots-/Nachfragesituation entsprechen.