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Erdgas: Nach Abverkauf neue Rallye?

29.08.2008  |  Marc Nitzsche (Rohstoff-Trader)
Wie schnell sich die Zeiten doch manchmal ändern: In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres galt Erdgas mit einem Plus von rund 70 Prozent seit Januar noch als der “Überflieger“ im Energiesektor. Dann jedoch gingen die Notierungen urplötzlich in den “freien Fall“ über und gaben sämtliche Kursgewinne in wenigen Wochen wieder ab. Wir verraten Ihnen, ob sich auf dem nunmehr erreichten Niveau Engagements auf der “langen Seite“ lohnen könnten oder ob die Tiefststände des letzten Jahres im Bereich von sechs US-Dollar in Kürze unterboten werden.


Keine Versorgungsengpässe zu erwarten

Seit Mitte Juni sind die amerikanischen Lagerbestände in jeder Woche angestiegen, wobei die Zuwächse häufig sogar über den Erwartungen gelegen haben. Dadurch hat sich die Versorgungssituation sichtbar entspannt. Von den zu Jahresbeginn noch in Aussicht gestellten Engpässen kann jetzt keine Rede mehr sein. Zwar liegen die Vorräte derzeit noch 264 Billionen Kubikfuß oder rund neun Prozent unter ihrem Vorjahreswert, gleichzeitig aber auch 26 Billionen Kubikfuß (ein Prozent) über ihrem fünfjährigen Durchschnitt. Setzt man diese Zahlen in Relation zum momentanen Kurs ergibt sich ungeachtet der crashartigen Rückgänge immer noch eine leichte Überbewertung. So gesehen spricht auf den ersten Blick nicht allzu viel für demnächst steigende Notierungen. Vielmehr besteht die latente Gefahr, dass es noch eine Etage tiefer geht.


Reichlich neue Vorkommen

Hinzu kommt ein anderer nicht sonderlich “bullischer“ Punkt: Anders als bei Rohöl, wo die globale Replacement-Ratio bereits seit längerem erkennbar unter 100 Prozent liegt, rechnen die Experten des US-Energieministeriums bei Erdgas damit, dass die Neuentdeckungen 2008 um etwa drei Prozent auf 65,74 Milliarden Kubikfuß zunehmen werden. Damit wäre der tägliche Verbrauch von 65,09 Milliarden Kubikfuß vollständig kompensiert. Letztlich ist es ein offenes Geheimnis, dass in vielen Regionen wie beispielsweise dem Nahen Osten noch gigantische Vorkommen auf ihre Erschließung warten, weil die Menschheit sich Jahrzehnte lang vornehmlich auf Erdöl konzentriert hat. Gas wird daher auch in Zukunft noch vergleichsweise üppig vorhanden sein.


Kontinuierlich steigender Bedarf

Nichtsdestotrotz sehen wir bei dem “flüchtigen Energieträger“ zumindest in einem längerfristigen Zeitfenster ein gewisses Aufwärtspotenzial. Im Zuge des starken Anstiegs des Ölpreises haben viele Stromerzeuger von Erdöl auf Erdgas umgestellt. Dieser Wandel lässt sich auch nicht mal eben wieder rückgängig machen, selbst wenn das “schwarze Gold“ etwas billiger werden sollte, wobei wir ohnehin von einer Bodenbildung im Bereich zwischen 100 und 110 US-Dollar ausgehen. Abgesehen davon agieren große Stromkonzerne langfristig und von der Warte aus betrachtet ist Elektrizität aus Erdgas sicherlich der richtigere Weg. Unterm Strich dürfte daher der Erdgas-Verbrauch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten tendenziell zunehmen. Aktiven Tradern, die auf schnelle Preis-Veränderungen spekulieren wollen, bringt diese Erkenntnis freilich herzlich wenig.


Tropenstürme als “bullischer“ Faktor

Allerdings besteht auch für die nächsten Wochen eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Erdgas etwas teurer wird. Das “Zauberwort“ in diesem Zusammenhang lautet: “Hurrikan-Saison“. Diese tritt jetzt langsam aber sicher in ihre aktivste Phase ein, die von traditionell von Anfang September bis Mitte Oktober geht. Da der überwiegende Teil der amerikanischen Erdgas-Förderung im Golf von Mexiko stattfindet und gerade dieses Gebiet von Tropenstürmen überdurchschnittlich stark betroffen ist, sind Förderausfälle in nächster Zeit zumindest nicht auszuschließen. Ungeachtet der eigentlich durchaus ausreichenden Versorgungslage werden derartige Ereignisse mit Sicherheit zu ordentlichen Preissprüngen bei dem Energie-Rohstoff führen.


Kurzfristig aufwärts, mittelfristig abwärts

So gesehen sind kurzfristige Long-Positionen aus fundamentaler Sicht zumindest vertretbar. Jedoch wollen wir auch klar sagen, dass wir zum Jahresende hin mit Kursen rechnen, die noch ein Stückchen unter dem derzeitigen Niveau liegen. Wer also einen solchen Trade wagt, darf nicht vergessen, den Stopp regelmäßig nachzuziehen, sobald die Position in den Gewinn läuft. Ansonsten könnten die möglichen Gewinne sich sehr schnell in Rauch auflösen, wenn sich herausstellt, dass die Förderausfälle doch nicht so gravierend sind.


Charttechnik mit Kaufsignal

Charttechnisch sieht es momentan so aus, als ist der Markt im Begriff, eine Trendwende nach oben zu vollziehen. Im Bereich des starken Supports bei etwa acht US-Dollar kam es zuletzt zu einem Doppeltief, von dem aus der September-Future eicht ansteigen konnte und sich sogar über seine 18-Tage-Linie “handeln“ konnte. Dadurch generieren sowohl der MACD als auch die Stochastik ein Kaufsignal. Auch der RSI ist im Steigen begriffen, wobei er jedoch noch knapp im “bärischen“ Bereich (unter 50) liegt. Trotzdem muss man feststellen, dass aus technischer Sicht zur Stunde mehr für steigende als für fallende Notierungen spricht. Als erstes Kursziel sehen wir neun US-Dollar. Schafft der Markt den Sprung über diesen Widerstand, sind zweistellige Notierungen kurzfristig drin.


© Marc Nitzsche
Chefredakteur Rohstoff-Trader







Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter finden sie auf der Website: www.Rohstoff-Trader.de
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