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Rohstoffe kompakt Agrarrohstoffe: Fleisch & Vieh - Teil 1: Bullen-Ritt!

18.07.2008  |  Eugen Weinberg
- Seite 2 -
Fleischmärkte im Umbruch - kommt nach der Agflation die Meatflation?

Der Markt für Vieh und Fleisch ist nicht homogen und lässt sich in drei große Segmente aufteilen: Rinder, Schweine und Geflügel. Die drei großen Bereiche unterscheiden sich sowohl durch die Länge der jeweiligen Produktionszyklen als auch durch unterschiedliche Kostenintensitäten. Bei Rindern vergehen zwischen der Zeugung und der Schlachtung zwischen zwei und drei Jahren. Bei Schweinen ist der Zyklus bis zu einem Jahr lang und bei Geflügel sind es lediglich 2-3 Monate. Auch ist die Fütterung der Nutztiere unterschiedlich intensiv, d.h. der Fleischertrag pro Kilo Futtermittel ist unterschiedlich hoch.

So müssen bei Rindern 12,4 Kilo an Futter aufgewendet werden, um ein zusätzliches Kilo Lebendgewicht zu erhalten. Bei Schweinen liegt dieses Verhältnis bei 5,8:1 und bei Geflügel bei 2,3:1. Bei der Schlachtung und der Weiterverwertung gehen außerdem bis zu 70% vom Lebendgewicht verloren, wobei bereits nach der Schlachtung zwischen 20% und 40% an Haut, Innereien usw. wegfallen.

Daher sollten sich eigentlich die Fleischpreise im Einzelhandel angesichts der immensen Steigerungen bei den Futterpreisen ebenfalls verteuern. Da aber gleichzeitig in den USA das Rezessionsgespenst umgeht, konnten Fleischproduzenten ihre Preise noch nicht erhöhen. So mussten die führenden US-Rind-, Schweine und Geflügelproduzenten, Tyson Foods, Smithfield und Pilgrim’s Pride zuletzt starke Gewinnrückgänge bzw. operative Verluste melden, wobei ihre Aktien in den letzten 12 Monaten zwischen 40% und 65% an Wert einbüßten.

Die Futtermittelkosten stellen derzeit den mit Abstand wichtigsten Kostenfaktor für die Fleischproduktion dar. Bei der Fütterung kommen vor allem Mais und Sojabohnen zum Einsatz, wobei in den USA bis zu 70% an Mais und bis zu 90% an Sojabohnen zu Futtermittel verarbeitet werden. Der kräftige Preisanstieg bei Mais (+100% in den letzten 12 Monaten) und bei Sojabohnen (+80%) ist größtenteils struktureller Natur und wir gehen davon aus, dass die langfristigen Aufwärtstrends bei beiden Agrarprodukten weiter anhalten werden.

Die Viehzüchter und Fleischproduzenten werden sich also dauerhaft an die höheren Futtermittelpreise gewöhnen und entsprechend anpassen müssen. Derzeit reagieren die Mastbetriebe eher mit steigenden Schlachtraten, um die Verluste zu begrenzen. Dies führt zu einem vorübergehenden Überangebot an Fleisch, welches die Preise zusätzlich belastet. Außerdem wurde der Großteil der Tiere in der Zeit gezüchtet als die Futterpreise noch erschwinglich waren. Dadurch lässt sich außerdem erklären, warum die Fleischpreise in den USA bislang kaum gestiegen und noch immer günstiger sind als in Asien und in Lateinamerika.

Die weltweite Fleischnachfrage dürfte aber auch bei steigenden Preisen in den kommenden Jahren weiter stark anziehen. Der Grund dafür ist vor allem ein stetig steigendes Pro-Kopf-Einkommen weltweit, was Veränderungen der Essgewohnheiten und damit einen einhergehenden anziehenden Fleischkonsum nach sich zieht. Auch eine wachsende Weltbevölkerung trägt zu diesem Trend bei. Der globale Fleischverbrauch ist in den letzten 20 Jahren um 75% gestiegen, wobei die Zunahme in den Schwellenländern deutlich dynamischer als in den Industriestaaten verlief. Dennoch bleibt der Pro-Kopf-Konsum in den Schwellenländern immer noch deutlich niedriger als in den Industrieländern (Grafik Y). In China liegt der Verbrauch für Fleisch aktuell bei 55 kg pro Kopf und Jahr. Die US-Amerikaner verzehren dagegen 130 kg, die Europäer 115 kg pro Jahr. Schon aufgrund des immensen Nachholbedarfs ist künftig mit einem robusten Nachfragewachstum zu rechnen.

Die Fleisch- und Viehmärke dürften in der Zukunft aus unserer Sicht auch eine verstärkte Nachfrage seitens der Finanzinvestoren anziehen, weil die Fundamentaldaten und ein relativ günstiges Umfeld die Anlageklasse sehr attraktiv machen. Die steigende Anzahl offener Kontrakte an der CME deutet bereits auf ein steigende Interesse der Anleger hin (Grafik X). Insbesondere nach den Erfahrungen mit der Agrarhausse der letzten Jahre dürfte die Entdeckung der Fleischmärkte sehr dynamisch verlaufen und dem Segment starke positive Impulse verleihen. Insgesamt rechnen wir damit, dass nach der “Agflation“ der letzten Jahre, d.h. weltweit steigenden Agrarpreisen, nun das neue Phänomen, die “Meatflation“, eine längere Periode anziehender Fleischpreise, eintritt.

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Rindfleisch – Der verborgener Bullenmarkt

Die steigenden Ölpreise tragen zum Anstieg der Fleischpreise bei, weil sie den Einsatz von Biokraftstoffen und somit auch die Verwertung von Mais und Sojabohnen, die eigentlich hauptsächlich als Futtermittel gebraucht werden, zu Ethanol bzw. Biodiesel begünstigen. Dieses Verhältnis, das unter dem “Grill-Spread“ (Long-Positionierung bei Fleisch im Falle steigender Ölpreise) bekannt ist, dürfte auch künftig anhalten. Bei Rindfleisch ist das langfristige Potenzial besonders hoch, weil die Zyklen länger und die Intensität der Fütterung deutlich stärker sind als bei anderen Nutztieren.

Von der Geburt bis zur Schlachtung eines Rindes vergehen bis zu 20 Monate, die Tragezeit selbst beträgt 9 bis 10 Monate. Die Rindtierhaltung ist mit 12 Kilo Futter pro Kilo Lebendgewicht sehr futterintensiv. Dazu besteht bei Rindern eine relativ große Differenz zwischen dem Lebend- und dem Einzelhandelsgewicht, weil bei der Schlachtung verhältnismäßig viel unverwertbares Tierkadaver, Innereien und Knochen anfällt. Rund 70% des Lebendgewichts geht bei Rindern verloren. Diese Eigenschaften machen die Rindfleischproduktion sehr teuer.

Der rasante Anstieg der Futtermittelpreise schlägt dabei besonders kräftig zu Buche. Die Futterkosten machen bei Rindfleisch immerhin 70%-80% der variablen Kosten aus. Insbesondere die Rindermästung ist vom rasanten Preisanstieg der für die Fütterung wichtigen Getreidearten wie Mais und Sojabohnen betroffen.

Weil die Futterpreise zuletzt so stark gestiegen sind, machen Mastbetriebe in den USA unseren Berechnungen zufolge pro verkauftes Lebendrind derzeit bis zu 200 USD Verlust. Die Betriebe reduzieren daher den Bestand an Mastrindern, um die Verluste wenigstens zu begrenzen. Die Zahl der Mastrinder ist in den USA in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres um gut 10% zurückgegangen. Obwohl die Schlachtungen auch saisonal bedingt meist in der ersten Jahreshälte stattfinden, fällt der Rückgang in diesem Jahr weitaus markanter aus als in der Vergangenheit (Grafik Z). Zum einen dürften die Jungtiere wegen der gestiegenen Futterkosten momentan länger auf der Weide gelassen werden, bevor sie in die futterintensive Mast überführt werden. Zum anderen werden Mastrinder derzeit verstärkt zur Schlachtung geschickt, was ein Überangebot verursacht.

USDA-Daten zufolge wurden in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres 3,3% mehr Rinder geschlachtet als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Dies wird auch dadurch begünstigt, dass vor 2-3 Jahren als die jetzigen Mastrinder gezüchtet wurden, der Maispreis noch bei rund 2 USD je Scheffel notierte ggü. 6,5 USD jetzt. Das erhöhte Fleischangebot, dass laut USDA im 2. Quartal seine vorläufige Spitze erreicht hat, belastet kurzfristig die Fleischpreise und sollte in den kommenden Monaten tendenziell zurückgehen. Aufgrund des langen Produktionszyklus dauert es Jahre, bis der Bestand an Mastrindern nach den Schlachtungen wieder hergestellt ist. Es ist daher zu erwarten, dass sich der Rückgang der Rindfleischproduktion im kommenden Jahr fortsetzt. Dem sinkenden Fleischangebot aus den USA steht eine global steigende Nachfrage für Rindfleisch gegenüber. In China stieg der Konsum in den letzten 10 Jahren um 5% jährlich, in Brasilien um 2,8%.

Die weltweite Nachfrage nach US-Rindfleisch ist derzeit sehr stark. Eine Erklärung dafür ist das günstige Preisniveau: während sich die Futtermittelpreise nahezu verdreifacht haben, sind die USPreise für Lebendrinder in den letzten 3-4 Jahren lediglich um 10-15% gestiegen. Die Preise für Lebendrinder in Brasilien, dem größten Exporteur weltweit, betragen derzeit rund 4 USD je Kilo betragen. Dagegen notieren die Lebendrinder-Kontrakte an der CME noch bei knapp 2,2 USD je Kilo (Grafik A). Dies spricht dafür, dass sich die Preise für US-Rinder und Rindfleisch in den kommenden Monaten noch deutlich verteuern werden.

Die USA, die bislang als Netto-Importeur am Markt auftraten, könnten sich dadurch zu einem Netto-Exporteur entwickeln, wobei der schwache US-Dollar diese Tendenz zusäzlich unterstützt. Durch eine wahrscheinliche Aufhebung des Importverbotes durch Südkorea sollten bereits kurzfristig zusätzliche positive Impulse für die Nachfrage nach US-Rindfleisch entstehen. Da die US-Lagerbestände derzeit nur knapp 3% über dem historischen Tiefpunkt liegen, bilden sie keinen nennenswerten Puffer. Wir rechnen in den kommenden Monaten bei den Preisen für US-Lebendrinder mit zweistelligen Zuwachsraten.

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