Eisenerz - Korrektur noch nicht beendet

Bis 2009 war Indien noch ein ernstzunehmender Eisenerzproduzent und der weltweit drittgrößte Exporteur. Ein Abbauverbot in wichtigen Bundesstaaten sowie die Einführung von hohen Exportsteuern haben Indien aber vom seewärtigen Markt weitgehend verschwinden lassen. Zwar zeigte sich die Regierung gegenüber der Eisenerzindustrie zuletzt wieder aufgeschlossener, es bleiben aber noch einige Einschränkungen bestehen, die verhindern, dass sich die indischen Stahlproduzenten ausreichend mit heimischem Eisenerz versorgen können.
Welche Entwicklungen gab es zuletzt bei den Stahlproduzenten, der Hauptabnehmergruppe von Eisenerz? Trotz der Stilllegung von Kapazitäten wurde die Stahlproduktion in China bis einschließlich März stark ausgeweitet. Wie das Nationale Statistikbüro kürzlich mitteilte, wurden im März rekordhohe 72 Mio. Tonnen bzw. 2,32 Mio. Tonnen Stahl pro Tag hergestellt (Grafik 5).
Die Stahlproduktion im ersten Quartal lag demnach mit 201,1 Mio. Tonnen 4,6% über dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Auslöser für den Produktionsanstieg waren wohl die stark gestiegenen Stahlpreise, die zu entsprechend hohen Erträgen bei den Stahlherstellern führten. Der nächstfällige Futures-Kontrakt für Betonstahl an der SHFE in Shanghai hatte Mitte März mit fast 3.700 CNY je Tonne den höchsten Stand seit Dezember 2013 erreicht.
Seitdem ist der Preis aber um 23% gefallen. Dies könnte die Stahlhersteller veranlassen, ihre Produktion zu drosseln. Damit würden die chinesischen Produzenten in den nächsten Monaten wohl auch nicht mehr so große Mengen Stahl exportieren. Aufgrund der hohen inländischen Stahlpreise und hohen heimischen Stahlnachfrage für Infrastrukturprojekte - 2017 sollen zum Beispiel 35 neue Eisenbahnprojekte in Angriff genommen werden - lagen die Ausfuhren im ersten Quartal schon 25% unter dem Vorjahr.

Nicht nur die gefallenen Stahlpreise dürften die Stahlproduktion bremsen, sondern auch die fortdauernden Bemühungen der chinesischen Regierung zum Abbau der Überkapazitäten sowie zur Bekämpfung der Luftverschmutzung. Letztere entfalteten aber offenbar noch nicht einmal kurzfristig Wirkung - in Hebei, der größten stahlproduzierenden Provinz Chinas, wurde die Produktion einiger Stahlhersteller vor kurzem für ca. drei Wochen gekürzt, um während des Nationalen Volkskongresses eine bessere Luft zu haben -, wie die im März auf Rekordhoch gestiegene Stahlproduktion zeigt.
Der Abbau der Überkapazitäten ist dagegen längerfristig ausgelegt. Bis zum Jahr 2020 sollen 100-150 Mio. Tonnen p.a. Produktionskapazitäten stillgelegt werden. Das von der Nationalen Entwicklungsund Reformkommission vorgegebene Ziel für dieses Jahr liegt bei 50 Mio. Tonnen p.a. Das letztjährige Ziel von 45 Mio. Tonnen p.a. wurde übertroffen.
Der Verband der chinesischen Eisen- und Stahlhersteller geht davon aus, dass die Stahlproduktion in diesem Jahr 2% unter dem Niveau des Vorjahres (808,4 Mio. Tonnen) liegen wird. Denn aufgrund der Maßnahmen zur Abkühlung des überhitzten Immobilienmarktes und eines langsameren Wachstums der Fahrzeugverkäufe soll die Stahlnachfrage in China in diesem Jahr zurückgehen.
Global betrachtet lag die Stahlproduktion insbesondere wegen China im ersten Quartal gemäß Daten des Weltstahlverbands mit gut 410 Mio. Tonnen knapp 6% über dem Vorjahresniveau. Das auf die Analyse der Stahlmärkte spezialisierte Research-Institut MEPS schätzt, dass zukünftig Indien und die südostasiatischen Länder die Wachstumstreiber der globalen Stahlproduktion sein werden. Die Industrienationen und auch China dürften dagegen kaum zum antizipierten Wachstum der globalen Stahlproduktion in den nächsten Jahren beitragen.
Das globale Eisenerzangebot deckt bei weitem den Bedarf aus der Stahlindustrie - auch auf Sicht der nächsten Jahre. Selbst ohne die Rückkehr vieler chinesischer Eisenerzproduzenten aufgrund der zuletzt stark gefallenen Preise bleibt der seewärtige Markt gut versorgt.
Der Rückgang der Eisenerzpreise ist unseres Erachtens ein Indiz dafür, dass sich die Marktteilnehmer wieder verstärkt auf die sich eintrübenden fundamentalen Aussichten konzentrieren. Wir sehen weiteren Korrekturbedarf und erachten nach wie vor einen Preis zwischen 50 und 60 USD je Tonne fü gerechtfertigt. Unsere Jahresendprognose von 55 USD je Tonne behalten wir daher bei.

Auf einen Blick