Wieso fällt der Ölpreis nicht auf neue Tiefs?

Wer einen volatilen Basiswert sucht, um zu traden, der wird beim Ölpreis fündig. Innerhalb weniger Wochen sackte der Preis erst um mehr als 20% ab, um dann gleich wieder um 20% zu steigen. Das kommt zu einer Zeit, in der die US-Ölproduktion wieder anspringt. Grafik 1 zeigt die US-Ölproduktion und den Lagerbestand von Rohöl.
Nachdem die Produktion über ein Jahr lang gefallen war, stabilisiert sich die Produktion seit Anfang Juli und scheint nun einen starken Rebound zu erleben. Nach einem Rückgang der Produktion um 1.2 Mio. Barrel am Tag wurden seit dem Produktionstief vor einem Monat 160.000 Barrel wieder wettgemacht.

Der Ölpreis wurde in den vergangenen zwei Jahren sehr stark von den US-Daten getrieben. Im Fokus standen dabei drei Datensätze. Der erste war die Produktionsmenge. Das globale Überangebot wurde vor allem den US Frackern zugeschrieben. Fällt die Produktion in diesem Bereich, dann kommen Angebot und Nachfrage schneller wieder in ein Gleichgewicht.
Der zweite wichtige Datensatz war der Lagerbestand. Nachdem die Lager jahrelang einen Bestand von 350-400 Mio. Barrel auswiesen, stieg dieser durch den Frackingboom rasch über die Marke von 500 Mio. Barrel. Das ist vor allem langfristig ein Problem. Die Rohöllager der USA können ungefähr 600 Mio. Barrel fassen. Sind sie erst einmal voll, dann haben Ölförderer keine andere Wahl als ihr Öl zu jedem erdenklichen (tiefen) Preis loszuschlagen. Wenn sie es nicht lagern können, müssen sie es verkaufen, notfalls zum Nulltarif.
Das Problem der begrenzten Lagerkapazität ist nicht gelöst. Zwischen 2014 und 2015 stieg der Bestand um 100 Mio. Barrel. Nach einer Reduktion des Bestandes über den Sommer, wenn mehr Öl verbraucht wird, kam es zwischen 2015 und 2016 wieder zu einem Anstieg von 100 Mio. Barrel. Geht der Zyklus noch ein einziges Jahr lang so weiter, dann sind die Lager endgültig voll.
Anscheinend glaubt jedoch niemand daran, dass es soweit kommen wird, obwohl die Produktionsmengen wieder steigen. Es ist auch nicht absehbar, dass sie ihren Abwärtstrend bald wieder aufnehmen. Grafik 2 zeigt die Bohrungen in den USA. Die Zahl an aktiven Bohrungen stieg in den letzten drei Monaten um 90. Das ist der größte und schnellste Anstieg seit Jahren und spricht für weiter steigende Produktion.

Der Rückgang des Ölpreises bis Anfang August hat daran nichts geändert. Normalerweise reagiert die Bohraktivität mit 10 bis 12 Wochen Verspätung auf den Ölpreis. Eigentlich sollte die Bohraktivität nun wieder fallen. Aktuell tut sie das nicht. Da der Ölpreis auch schon wieder zu steigen begonnen hat, dürfte die Förderaktivität fast ungebrochen weiter zunehmen.
Der Preis von Öl verhält sich gerade ganz anders als in den zurückliegenden zwei Jahren. Anleger sollten das ernstnehmen und nicht abfällig der Irrationalität des Marktes zusprechen. Es sind vermutlich auch nicht die großen Ölförderer der OPEC, die wieder einmal die vermutlich leere Drohung einer Förderobergrenze ins Spiel gebracht haben. Vielmehr bewegt sich der Markt langsam wieder in einen Zustand, der dem Gleichgewicht näherkommt.
Einige Förderländer, vor allem Venezuela, haben inzwischen keine Devisen mehr, um ihre Rechnungen zu bezahlen. In der Folge stellen ausländische Firmen ihre Services ein, was zu einem dramatischen Einbruch der Fördermenge führt. Die niedrigen Preise regulieren den Markt nun doch, allerdings anders als erwartet. Es sind nicht die Fracker, die verschwinden, sondern einige alteingesessene Förderländer.
Mit Preisen unter 50 Dollar je Barrel ist mit großen Förderausfällen zu rechnen. Venezuelas Fördermenge ist bereits um knapp 900.000 Barrel gesunken, weitere 400.000 Barrel könnten folgen. Erst bei Preisen über 60 Dollar sollten Länder wie Venezuela ihre Förderung wieder aufstocken können. Der Ölpreis dürfte demnach im Bereich von 40 Dollar einen Boden gefunden haben. Ein Anstieg über wesentlich mehr als 60 Dollar ist kaum zu erwarten, weil dann wieder viel Angebot auf den Markt kommt.
© Lars Gottwik
Partner & CEO JFD Brokers
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